# taz.de -- UN-Behörde für Grundeinkommen: Geld für Ärmste gegen Pandemie | |
> Die UN-Entwicklungsbehörde wünscht ein temporäres Grundeinkommen für die | |
> Ärmsten. Es könne Ansteckungen mit Covid-19 verhindern. | |
Bild: Marktszene in Neu-Delhi | |
BERLIN taz | Armut ist ein Gesundheitsrisiko, auch in der Coronakrise. Zur | |
Sicherheit zu Hause zu bleiben, muss man sich schließlich leisten können. | |
Die UN-Entwicklungsbehörde UNDP hat nun eine außergewöhnliche Idee | |
vorgestellt, wie das für mehr Menschen eine Option werden könnte. Sie will | |
ein Grundeinkommen für die ärmsten Menschen auf der Welt – zeitlich | |
begrenzt, aber ab sofort. | |
„Beispiellose Zeiten erfordern beispiellose soziale und wirtschaftliche | |
Schritte“, sagte UNDP-Chef Achim Steiner. “Rettungsschirme und | |
Wiederaufbaupläne dürfen sich nicht nur auf die großen Märkte und | |
Unternehmen konzentrieren.“ Ein temporäres Grundeinkommen könne die | |
Verbreitung von Covid-19 verlangsamen, sagte er. | |
Die UNDP hat das in einer [1][Studie] durchgerechnet. Um 2,7 Milliarden | |
Betroffene in 132 Entwicklungsstaaten ein Grundeinkommen zu bieten, wären | |
monatlich mindestens 199 Milliarden Dollar nötig. | |
Wo das Geld dafür herkommen soll? Die internationale Behörde bringt dazu | |
eine Forderung des UN-Chefs António Guterres zurück ins Spiel: ein | |
Schuldenstillstand für die Entwicklungsländer. Etwa drei Billionen Euro | |
müssen Entwicklungs- und Schwellenländer dieses Jahr insgesamt aufbringen, | |
um Schulden zu tilgen. Davon könnte man das vorgeschlagene Grundeinkommen | |
also eine ganze Weile finanzieren. | |
## 3,20 US-Dollar statt 1,90 US-Dollar am Tag | |
Die UN-Behörde schlägt mehrere Möglichkeiten zur Berechnung des | |
Grundeinkommens vor. Die monatlichen Zahlungen könnten entweder an die | |
Armutsgrenze der jeweiligen Länder gekoppelt werden. Liegt die zum Beispiel | |
bei 1,90 US-Dollar pro Tag, kommt die UNDP auf einen Mindestsatz von 3,20 | |
US-Dollar. | |
Alternativ könnte die Hälfte des jeweiligen Durchschnittseinkommens gezahlt | |
werden. Oder die Ausschüttung erfolgt in jedem betroffenen Land gleich. | |
Dafür schlägt die UNDP einen Satz von 5,50 US-Dollar vor. | |
Die Entwicklungsorganisation Oxfam war im April [2][in einer Studie zu dem | |
Schluss gekommen], dass die Corona-Pandemie weltweit rund 500 Millionen | |
Menschen in die Armut stürzen werde. Zwei Milliarden Menschen arbeiten der | |
Studie nach im informellen Sektor, die Mehrheit davon in armen Ländern. Das | |
ist die Gruppe, die der UNDP zufolge besonders von einem Grundeinkommen | |
profitieren würde – sie hat sonst keine Absicherung. | |
Die internationale Kinderhilfsorganisation World Vision lobte den Vorstoß. | |
Insbesondere Kinder müssten in der Folge der Corona-Pandemie „unerträgliche | |
Lasten“ schultern, hieß es. „Wir müssen rasch Lösungen finden, die jetzt | |
funktionieren, um Kinder davor zu schützen, ausgebeutet zu werden und in | |
extremer Armut zu landen“, fordert World-Vision-Chef Andrew Morley. | |
Neben der Frage, ob der Vorschlag politisch durchsetzbar ist, dürfte es | |
aber auch praktische Herausforderungen geben. Viele Menschen, denen das | |
Grundeinkommen zustehen würde, sind zum Beispiel nicht amtlich registriert | |
oder haben gar kein Bankkonto. Zumindest für letzteres Problem schlägt die | |
UNDP eine Lösung vor: Das Geld könnte auf die besser verbreiteten | |
Handy-Konten gezahlt werden. | |
23 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.undp.org/content/undp/en/home/librarypage/transitions-series/te… | |
[2] /Oxfam-schlaegt-Alarm/!5677770 | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
Marie Fetzer | |
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