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# taz.de -- Neuer Grundeinkommensversuch startet: Weniger arbeiten, mehr Geld
> 120 Bürger:innen erhalten 1.200 Euro im Monat zusätzlich zum Einkommen.
> Ein Experiment soll zeigen, wie das Grundeinkommen das Leben verändert.
Bild: Macht es faul? Kreativ? Oder was?
Berlin taz | 1.200 Euro Lebensunterhalt pro Monat, geschenkt für drei
Jahre. Das sind die paradiesisch anmutenden Fakten beim [1][Pilotprojekt
Grundeinkommen], das an diesem Montag begann. Alle Erwachsenen mit erstem
Wohnsitz in Deutschland können sich bewerben – allerdings werden nur 120
Ausgewählte in den Genuss des Geldes kommen. Mit dem Experiment wollen
Aktivist:innen und Wissenschaftler:innen herausfinden, ob und wie
Bundesbürger:innen sich verhalten, wenn sie ein bedingungsloses
Grundeinkommen beziehen.
Zu dieser Frage gab es in den vergangenen Jahrzehnten mehrere
[2][Untersuchungen, unter anderem in Finnland], aber noch nicht in
Deutschland. Der Verein Mein Grundeinkommen, das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung (DIW), das Max-Planck-Institut zur Erforschung von
Gemeinschaftsgütern in Bonn und die Uni Köln haben sich nun zusammengetan.
Mit empirischer Forschung wollen sie die Basis legen, um die individuellen,
soziologischen und ökonomischen Wirkungen der utopisch klingenden
Sozialleistung zu analysieren.
Die Debatte beschäftigt die Politik hierzulande seit der Einführung von
Hartz IV Mitte der 2000er Jahre. Die Befürworter:innen des bedingungslosen
Grundeinkommens betrachten ihr Konzept als Alternative zum existierenden
Sozialstaat. Heutige Sozialtransfers decken nur einen kargen Mindestbedarf,
sind in der Regel an harte Bedingungen geknüpft, viele Betroffene fühlen
sich von den Jobcentern geknechtet, weil sie gedrängt werden, schnell
wieder Jobs anzunehmen. Ein Grundeinkommen würde dagegen an alle
bedingungslos ausgezahlt – und mit selbst erwirtschafteten Einkünften
verrechnet.
[3][Wie aber verhalten sich die Leute dann?] Arbeiten sie weniger,
beschäftigen sie sich ganze Tage mit ihren Smartphones? „Werden sie faul?“,
wie Soziologe Jürgen Schupp vom DIW fragt. Vielleicht aber löst die
garantierte soziale Absicherung auch neue Kreativität aus, ermöglicht
andere Berufswege, etwa den Start in eine Selbstständigkeit, die vorher
nicht möglich war.
## Schlechte Entscheidungen unter Stress
Susann Fiedler vom Max-Planck-Institut weiß, dass Menschen dazu neigen,
unter Stress schlechte Entscheidungen zu treffen. Wenn das Grundeinkommen
den ökonomischen und sozialen Druck verringert, könnte es
„Entscheidungsfreiheit“ zurückbringen, so Fiedler.
Andere mögliche Effekte: Die Leute werden gesünder, die gesellschaftlichen
Krankheitskosten sinken. Die Beschäftigten haben mehr Zeit, sich
fortzubilden, die soziale Ungleichheit könnte abnehmen. Michael Bohmeyer
vom Verein Mein Grundeinkommen erwägt sogar, dass populistische Strömungen
an Zulauf verlieren, wenn die Bürger:innen sozial besser abgesichert seien.
Für die Teilnahme kann man sich seit Montag bewerben. Bis 13.30 Uhr am
ersten Tag gingen bereits rund 100.000 Bewerbungen auf der Webseite ein.
Das Verfahren schließt, wenn sich eine Million Leute gemeldet haben. Zum
ersten Mal ausgezahlt werden die 1.200 Euro im Frühjahr 2021 – sogar
zusätzlich zum Verdienst, den die Teilnehmer:innen selbst erwirtschaften.
Versteuern müssen sie das Geld nach Angaben der Organisator:innen nicht,
weil es sich rechtlich um Schenkungen unterhalb der Grenzwerte handele. Wer
allerdings Hartz IV oder andere Sozialtransfers bezieht, sollte damit
rechnen, dass das Grundeinkommen mit diesen verrechnet wird. Das muss
jedoch keinen Nachteil bedeuten: 1.200 Euro monatlich dürften meist mehr
sein als die Hartz IV-Überweisung.
## Abbild der Sozialstruktur
Der Staat zahlt nichts für die Grundeinkommen. Das Geld stammt aus Spenden
von rund 140.000 Privatpersonen, die Institute finanzieren ihre Arbeit
selbst. Die Wissenschaftler:innen trauen sich zu, die 120 Glücklichen so
auszuwählen, dass die Sozialstruktur der deutschen Gesellschaft etwa
abgebildet ist.
Die Teilnehmer:innen müssen regelmäßig Auskunft geben, wie sich ihr Leben
entwickelt. Parallel wird eine Vergleichsgruppe mit 1.380 Teilnehmer:innen
zusammengestellt, die das Grundeinkommen nicht erhalten. Aus dem Vergleich
wollen die Expert:innen dann ableiten, welche Wirkungen 1.200 Euro
auslösen.
18 Aug 2020
## LINKS
[1] http://www.pilotprojekt-grundeinkommen.de
[2] /Grundeinkommen-in-Finnland/!5683477
[3] /Bezieherin-eines-Grundeinkommens/!5692684
## AUTOREN
Hannes Koch
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