| # taz.de -- Enthüllungsbuch über Donald Trump: Kartoffelbrei und Alkohol | |
| > Mary L. Trump, Psychologin und Trump-Nichte, gewährt in ihrem Buch | |
| > Einblicke in die Herkunft des US-Präsidenten. Jetzt ist es auf Deutsch | |
| > erschienen. | |
| Bild: Papas und Mamas Liebling oder „ein Tyrann und verzogener Kerl“, wie M… | |
| Wie es sich wohl anfühlt, einen Namen zu tragen, der von vielleicht der | |
| Hälfte der Amerikaner verehrt wird, aber von der Hälfte der Welt verhasst | |
| ist? Der auf Hüten und Buttons klebt, Türen öffnet und Verachtung | |
| hervorruft? | |
| Mary Trump, [1][die Nichte Donald Trumps], beschreibt es in ihrem Buch „Zu | |
| viel und nie genug“. Freilich geht es darin nicht in erster Linie um ihr | |
| Befinden. Sie will erklären, wie Trumps Familie „den gefährlichsten Mann | |
| der Welt“ erschuf. Aber das ist nur die halbe Geschichte. Denn Mary erzählt | |
| auch vom Bruder im Schatten des Tyrannen, von Fred Trump junior, ihrem | |
| Vater. | |
| Mary Trump hat in Klinischer Psychologie promoviert. Nicht nur ist sie | |
| bestens ausgebildet in der Analyse von Störungsbildern; sie kennt Episoden | |
| aus dem Familienalltag aus erster und zweiter Hand. So gelingt es ihr, ein | |
| dichtes Psychogramm ihres Onkels zu erstellen. Die Szenen untermauern viele | |
| der aus der Ferne gestellten Diagnosen über [2][Donald Trump]: Narzissmus, | |
| Züge von Soziopathie, womöglich gar Psychopathie, eine erhebliche | |
| Lernstörung. | |
| Anstelle von großen, pikanten Enthüllungen stößt man auf Geschichten über | |
| Menschen, die bei all dem Reichtum, in dem sie schwelgen, kleinbürgerlich | |
| leben: Beim Dinner im Weißen Haus zu Ehren der ältesten Schwester Maryanne | |
| gibt es Kartoffelbrei und Eisbergsalat, das Leibgericht der Familie. „Wir | |
| haben es weit gebracht seit der Nacht, in der Freddy Donald eine Schüssel | |
| Kartoffelbrei an den Kopf geworfen hat, weil er so ein Rotzbengel war“, | |
| sagt Maryanne, älteste Trump-Tochter, an diesem Abend. In der Tat. | |
| ## Geschmierte Publicity-Maschine | |
| Dass es so weit kommen konnte, erstaunt auch Mary Trump. Dass es ihr Onkel | |
| mithilfe von Kontakten und einer gut geschmierten Publicity-Maschine zu | |
| einer New Yorker Berühmtheit brachte, das ist das eine. Aber zum | |
| Präsidenten? Wie nur war das möglich? | |
| [3][Die Erfolgsgeschichte Fred Trumps], und mit ihm die seines Sohns, | |
| beginnt mit dem Bau staatlich geförderter Immobilien. Welche Ironie! Fred | |
| wie Donald hassen es, Steuern zu zahlen, aber ihr Reichtum fußt auf | |
| Steuermillionen, die in ihre Projekte gepumpt werden. Eine Zeitlang läuft | |
| das Geschäft grandios, aber in den späten 70er Jahren werden die Politiker, | |
| die die windigen Geschäfte ermöglichen, durch eine Riege von Politikern | |
| abgelöst, die tatsächlich die Interessen der Bürger ihrer Stadt vertreten. | |
| Aber die Trumps halten eine sichere Währung, die alles Geld der Banken im | |
| Wert übersteigt: Publicity. Rasch gelingt es Donald in der Nachfolge seines | |
| Vaters, sich als Immobilien-Tycoon und Macher zu inszenieren. Die Medien | |
| lieben ihn und seine Frau Ivana, das schrille Power Couple. Dass er | |
| unzählige Geschäfte in den Sand setzt, darunter Kasinos – buchstäblich | |
| Gelddruckmaschinen! –, geschenkt. | |
| Nun sind diese Dinge bekannt, wer will, kann sie in Büchern und | |
| Netflix-Dokus nachschauen. Sicher, Mary Trump liefert intimere Einblicke in | |
| das Werden Donalds. Aber mit jeder Seite wird deutlicher, dass es ihr eher | |
| um die Rehabilitation Freddys, ihres Vaters, geht, dem niemand in seiner | |
| Familie beistand, als er elendig an seinem Alkoholismus zugrunde ging. | |
| ## Der gedemütigte Bruder | |
| Freddy gilt dem Vater als schwach, wird deswegen von Fred senior | |
| gedemütigt. Donald schaut zu und lernt. Freddy gelingt es zeitlebens nicht, | |
| sich von der Autorität des Vaters zu lösen. Nachdem er aufgrund seines | |
| Alkoholismus nicht mehr als Pilot arbeiten kann, wird er Teil des | |
| Trump-Managementteams. Mary liefert eine sprechende Episode: Freddy und | |
| seine Frau Linda leben in einem von Trump senior errichteten Wohnkomplex. | |
| Weil Freddy in Ungnade gefallen ist, werden dringend notwendige | |
| Sanierungsmaßnahmen an der Wohnung nicht vorgenommen. Freddy kommt nie auf | |
| die Idee, selbst einen Handwerker zu rufen. Ein andermal wird Freddy eine | |
| Hypothek für den Kauf eines Luxusanwesens versagt, wohl auf Intervention | |
| Freds. Mary empört sich über die Bösartigkeit des Großvaters. Aber ist es | |
| nicht dessen Geld, das Freddy erst den Kauf eines Luxusanwesens ermöglicht | |
| hätte? | |
| „Donald und mein Großvater konnten nicht begreifen, dass noch jemand außer | |
| Donald einen Anspruch auf Unterstützung hatte oder Geld bekam, das er nicht | |
| selbst verdient hatte.“ Der Satz erscheint dem Außenstehenden wie die | |
| Spitze dessen, was der Amerikaner „entitlement“ nennt. Ein | |
| Anspruchsberechtigungsdenken, das für Normalbürger nicht nachvollziehbar | |
| ist. | |
| In der gekonnten Kontrastierung von gequältem und verwöhntem Sohn tritt die | |
| bekannte Impertinenz Donalds noch klarer zutage. Zugleich wird er als | |
| Produkt eines soziopathischen Vaters und einer emotional bedürftigen Mutter | |
| doch verstehbar. Fast empfindet man Mitleid mit dem kleinen Donald, der, | |
| gerade einmal zweieinhalbjährig, von der Mutter getrennt wird, als diese | |
| schwerste Komplikationen nach einer Unterleibsoperation durchlebt. | |
| Mary Trump gelingt es, das Verhalten Donald Trumps, seine Unfähigkeit zu | |
| Kompromissen oder basaler Empathie, zu erklären. Was unerklärlich bleibt, | |
| ist die Tatsache, dass Millionen von Amerikanern ihn für einen fähigen | |
| Präsidenten halten, warum sie, wie der zuletzt demente Fred, nur das Beste | |
| in Donald erkennen wollen. | |
| 15 Aug 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marlen Hobrack | |
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