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# taz.de -- Karneval wegen Corona in Gefahr: Da hört der Spaß auf
> Gesundheitsminister Jens Spahn will offenbar Karneval absagen. Viele
> Jecken finden das gar nicht witzig und fordern, die Infektionslage
> abzuwarten.
Bild: „Et hätt noch immer jot jejange“ taugt in diesem Jahr nur so mittelg…
Düsseldorf taz | Entsetzt und verständnislos haben führende Karnevalisten
auf den Vorstoß von CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn reagiert, die
diesjährige Karnevalssession wegen der Coronapandemie einfach abzusagen.
„Karneval kann man ebenso wenig verbieten wie Weihnachten“, sagte der
Sprecher des Festkomitees Kölner Karneval, Michael Kramp, der taz. Zwar sei
klar, dass „Partys, Bälle oder Diskos nicht stattfinden“ würden –
Karnevalssitzungen unter Beachtung aller Hygieneregeln kann sich der
Kölner aber vorstellen.
Zuvor hatte die in der Karnevalshochburg Düsseldorf erscheinende Rheinische
Post berichtet, der Bundesgesundheitsminister blicke mit allergrößter
Skepsis auf das traditionelle Treiben. „Ich war selbst Kinderprinz und
komme aus einer Karnevalshochburg. Ich weiß also, [1][wie wichtig Karneval]
für viele Millionen Deutsche ist“, habe Spahn am Dienstag in einer
Telefonschaltkonferenz des Gesundheitsausschusses gesagt. „Aber: Ich kann
mir Karneval in diesem Winter, mitten in der Pandemie schlicht nicht
vorstellen. Das ist bitter, aber so ist es.“
„Bis zum Beginn der Session am 11. 11. ist es noch fast ein Vierteljahr“,
hält Festkomitee-Sprecher Kramp dagegen. Natürlich seien [2][die Jecken]
nicht so jeck, „um jeden Preis feiern“ zu wollen – doch solle doch bitte
gewartet werden, wie sich die Corona-Infektionen bis zum November
entwickelten. „Wir haben keinen Stress, brauchen keine schnelle
Entscheidung“, sagt Kramp: „In Köln sind die Säle fünf Jahre, die Künst…
zwei Jahre im Voraus gebucht.“
## Verheerende Einbußen in der Gastronomie
„Ein wirtschaftliches Desaster“ wäre eine Absage, warnt auch Klaus-Ludwig
Fess, Präsident des Bunds Deutscher Karneval: Nach einer Untersuchung der
Unternehmensberatung Boston Consulting hat die Session 2018/19 allein in
Köln für Umsätze von 600 Millionen Euro gesorgt – [3][für Künstler*innen…
besonders aber für Gastronomie und Hotellerie ist der Karneval ein
Milliardengeschäft.
Entsprechend wenig begeistert reagiert auch Thorsten Hellwig, Sprecher des
Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga in Nordrhein-Westfalen, auf Spahns
Vorstoß. „Verbote sollten immer erst am Ende einer Diskussion stehen“,
fordert er. Zwar sähen auch die Gastronom*innen die Gefahren der
Pandemie: „Gesundheitsschutz muss natürlich Priorität haben“, sagt
Hellwig. Allerdings habe Corona schon jetzt „verheerende Auswirkungen“ auf
die Branche: „Viele unserer Mitglieder haben Umsatzeinbußen von 50 Prozent
und mehr.“
Gegenwind bekommt Spahn auch aus Rheinland-Pfalz. Die Aussagen des
Bundesgesundheitsministers seien nur Meinungsäußerungen gewesen – aber kein
konkretes Verbot, erklärte der Präsident des Gonsenheimer Carneval Vereins
aus der Narrenhochburg Mainz, Martin Krawietz, im Südwestrundfunk. „Am Ende
entscheidet ja nicht Spahn, sondern Behörden von Land und Stadt“, tröstet
sich auch der Kölner Festkomitee-Sprecher Kramp noch.
## Die Jecken setzen auf Hygienekonzepte
Er setzt auf detaillierte Hygienekonzepte, die die Karnevalisten dem
nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium vorgelegt haben:
Künstler*innen, die von Saal zu Saal ziehen, sollen auf Distanz zum
Publikum bleiben. In den Sälen könne die berühmte Bütt durch Abstand und
Plexiglas geschützt werden.
Auch über Abstände zwischen Blaskapellen und Zuschauer*innen (mindestens
vier Meter) haben sich die Jecken ernsthafte Gedanken gemacht. „Außerdem
setzen wir auf strikte Nachverfolgbarkeit: Bei uns wird genau registriert,
wer etwa an Tisch vier auf Platz zwei sitzt“, sagt Kramp.
„Eine pauschale Absage mehrere Monate vor der Session halten wir für wenig
zielführend“, erklärte auch Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn im
Kölner Stadt-Anzeiger. Dass in der kommenden Session alles anders sein
wird, weiß Kuckelkorn aber auch: „Der Straßenkarneval, der Kneipenkarneval,
das sind so Elemente, die wir uns nicht vorstellen können“, erklärte er gar
nicht jeck im Radiosender WDR2. Denkbar seien aber etwa Karnevalswagen, die
über Tage an der gleichen Stelle stehen und zu denen nur eine begrenzte
Zahl registrierter Menschen vorgelassen würde, so sein Sprecher Kramp.
## Selbst NRW-Gesundheitsminister sieht kaum Chancen
Nicht nur in Köln setzen die Jecken deshalb auf Nordrhein-Westfalens
CDU-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann – und hoffen, dass dessen
Angestellte die Hygienekonzepte durchwinken. Laumann selbst will den
Karnevalisten nicht schon im August sagen, dass alles vorbei ist. Den
durchgestochenen Vorschlag seines Parteifreunds hält der bodenständige
Westfale schlicht für verfrüht: „Ich möchte schon gern, bevor wir diese
Frage entscheiden, zwei, drei Wochen weiter sein“, sagte Laumann am
Mittwoch.
Allerdings: „Bei der jetzigen Infektionslage kann ich mir Karneval nicht
vorstellen“, sagte Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister im rheinischen
Düsseldorf auch noch.
19 Aug 2020
## LINKS
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[3] /Kulturschaffende-in-Coronakrise/!5699234
## AUTOREN
Andreas Wyputta
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