# taz.de -- Neubau in Berlin-Marzahn: Bunte Klötze sollen blühen | |
> Marzahn-Hellersdorf soll Kitas und Jugendzentren bekommen. Aber die | |
> Stimmung gegen Neubauten droht zu kippen. Am 20. August wird entschieden. | |
Bild: Die Hälfte der Brachen ist eingezäunt: Gemeinschaftsgarten in Hellersdo… | |
Von der grünen Wiese, auf die Marzahn einmal gebaut wurde, ist nur noch | |
wenig übrig – überall, wo es die Plattenbauten zulassen, ist sie zu einem | |
Dickicht aus Sträuchern und Bäumen herangewachsen. „Wenn die Berliner | |
Immobilienmanagement GmbH schneller gewesen wäre, stünden auf einigen | |
Flächen bald sechsgeschossige Gebäude“, mahnt Juliane Witt (Linke), die als | |
Bezirksstadträtin unter anderem für Soziales und Gebäudemanagement | |
verantwortlich ist. | |
Gemeint sind sieben verwilderte Grundstücke in Marzahn und Hellersdorf, die | |
als Höfe zwischen Wohnhäusern liegen. Ihre mögliche Nutzung sorgt im Bezirk | |
für viel Diskussion. | |
Bis vor knapp 20 Jahren standen auf den 5.700 bis 7.200 Quadratmeter großen | |
Grundstücken einmal Kitas, 2003 wurden sie dann wegen fehlenden Bedarfs | |
abgerissen. Da sich der Bezirk nicht um die Flächen kümmern wollte, gingen | |
sie an die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), deren Aufgabe es auch | |
ist, eine Nutzung von landeseigenen Liegenschaften zu koordinieren. | |
Seitdem sei die Hälfte der Brachen eingezäunt, sagt Witt, bei den anderen | |
Grundstücken handle es sich mal um geschützte Freizeithöfe, aber auch um | |
verwahrloste Hundeauslaufflächen. Der Druck, Wohnungen zu bauen, sei auf | |
den Bezirk mit 1.200 Hektar Grünfläche groß. | |
Tatsächlich wird in Marzahn-Hellersdorf neben den Bezirken Mitte und | |
Tempelhof-Schöneberg berlinweit am meisten gebaut. Im Quartier Gut | |
Hellersdorf entstehen beispielsweise 1.500 Wohnungen der landeseigenen | |
Gesobau, die ebenfalls landeseigene Stadt und Land will im Gut Biesdorf 515 | |
Wohnungen errichten. Dazu kommen Hochhäuser wie das 21-stöckige Wuhletal | |
Fenster, ein 14-stöckiger Wohnturm an der Hellersdorfer Kastanienallee | |
steht schon jetzt. Und auf dem Knorr-Gelände sollen bis 2027 gleich drei | |
Hochhäuser des Stararchitekten David Chipperfield in den Himmel ragen. | |
## Bebauung für Soziales | |
„Wir müssen aufpassen, dass die Stimmung nicht kippt“, erklärt Witt mit | |
Blick auf die Bebauung der Flächen. 2016 habe man mit der Forderung nach | |
Neubauten noch Wahlen gewinnen können, sagt sie. „Doch nach drei Jahren | |
Kränen und Verdichtung sind viele Bürger besorgt, was das für ihre | |
Parkplätze und Nachbarschaft bedeutet“, so Witt. | |
Als bekannt wurde, dass die BIM die Flächen an Wohnungsbaugesellschaften | |
vergeben könnte, regte sich darum Widerstand. Mehrgeschossige Gebäude | |
wollte keine der in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) vertretenen | |
Parteien – nicht zuletzt, weil Anwohner*innen des Grundstücks an der | |
Hellersdorfer Luzinstraße 400 Unterschriften gegen eine Bebauung gesammelt | |
hatten. Um die Flächen von der BIM in die Zuständigkeit des Bezirks zu | |
holen, beschlossen Linke, Grüne, SPD und CDU darum im Januar, stattdessen | |
eine Bebauung für soziale Einrichtungen zu prüfen. | |
Kurz nachdem der Beschluss gefasst wurde, stellte die CDU-Fraktion den | |
Antrag, dass alle Grundstücke als Grünflächen gepflegt werden sollten. | |
Darin heißt es: „In Berlin werden dringend neue Wohnungen benötigt. | |
Marzahn-Hellersdorf leistet hierfür einen überdurchschnittlichen Anteil. | |
Unsere grünen und weitläufigen Innenhöfe müssen dennoch erhalten bleiben.“ | |
Der Antrag wurde im Stadtentwicklungsausschuss allerdings knapp abgelehnt | |
und in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Juni auf den August | |
vertagt. Für Juliane Witt ist die CDU-Forderung keine Option: „Mit jedem | |
Wohnungsneubau wächst die Zahl der Einwohner. Soziale Einrichtungen und | |
Infrastruktur müssen sofort mitgesandt werden“, sagt die Linke-Politikerin. | |
„Erst haben sie alles abgerissen und jetzt bauen sie wieder alles dicht“, | |
sagt eine grauhaarige Anwohnerin am Bürgerpark Marzahn. Sie und ihr Mann | |
seien 1982 nach Marzahn gezogen. „Das Kita-Angebot war früher so gut, dass | |
ich trotz Kindern arbeiten konnte“, erinnert sich die Rentnerin. Eine | |
bessere Infrastruktur würde sie zwar begrüßen, die brachliegenden Flächen | |
sollten ihrer Meinung nach aber dennoch nicht bebaut werden. „Das Grüne ist | |
schließlich das Besondere an Marzahn“, sagt sie. | |
Um die Anwohner*innen bei der Planung der sieben Flächen mit einzubeziehen, | |
hatte der Bezirk zu Workshops mit Diskussionsmöglichkeiten geladen. Das | |
Ergebnis fiel trotz Bedenken vieler Bürger*innen zugunsten der Bebauung | |
aus: Auf sechs Flächen sollen Jugendfreizeiteinrichtungen, Kitas, | |
Familienzentren oder Seniorenwohnungen entstehen, eine Fläche soll ein | |
Mieter*innengarten werden. | |
Anwohner beschweren sich | |
Der CDU-Kreisvorsitzende Mario Czaja hat allerdings Zweifel an der | |
Aussagekraft des Beteiligungsverfahrens: „Anwohner haben sich bei mir | |
beschwert, sie wären nicht vor die Wahl gestellt worden, dass auch | |
Grünflächen eine Option sind“, bemängelt Czaja. „Stattdessen hätten sie… | |
Klötze in die Hand bekommen und sollten entscheiden, wo die stehen | |
könnten.“ Im Juni habe er darum die Petition „Mein Innenhof“ gestartet. | |
Der Petitionstext auf seiner Homepage liest sich allerdings so | |
widersprüchlich, wie es das Stimmungsbild der Anwohner*innen selbst ist: | |
„Schulen und soziale Einrichtungen? Fehlanzeige!“, beklagt Czaja dort etwa | |
– und wirbt gleichzeitig dafür, die Flächen als Grünflächen zu erhalten. | |
Auf diesen Widerspruch angesprochen, erklärt der Kreisvorsitzende, er wolle | |
tatsächlich nur drei Flächen zu Grünanlagen machen. Keinesfalls habe sich | |
die CDU gegen Bauprojekte ausgesprochen, sondern für eine kiezverträgliche | |
Bebauung geworben. Alle Flächen sollten aber dennoch vom CDU-geführten | |
Straßen- und Grünflächenamt (SGA) verwaltet werden, da auch eine Bebauung | |
Platz für Grün ließe, so Czaja. | |
Am 20. August will die BVV die Zukunft der Flächen besiegeln – als | |
Grundstücke für soziale Einrichtungen oder als Grünflächen, auf denen | |
teilweise gebaut werden könnte. Die Linke kann dann mit der Unterstützung | |
der SPD und den Grünen rechnen. | |
20 Aug 2020 | |
## AUTOREN | |
Jannis Hartmann | |
## TAGS | |
Plattenbau | |
Wohnungsbau | |
Berlin Marzahn-Hellersdorf | |
SPD Berlin | |
Mietendeckel | |
Kolumne Durch die Nacht | |
Berliner Nachtleben | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bildungspolitik in Berlin: Für Kitapflicht fehlt das Angebot | |
Berlins SPD hatte sich für eine Kitapflicht für Fünfjährige starkgemacht. | |
Nun ist klar: Es gibt dafür nicht genügend Plätze für die Kinder. | |
Mehr Baugenehmigungen in Berlin: Bauen trotz Mietendeckel | |
Die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen steigt massiv an. Auch | |
sonst bestätigen sich die Befürchtungen der Immobilienbranche nicht. | |
Illegale Partys sorgen für Unmut: Gebt den Ravern endlich einen Acker! | |
Dem unbändigen Willen zur Party müssen geordnete Wege geebnet werden. Die | |
Raver brauchen eine Freifläche in Marzahn, Oberschöneweide oder sonst wo. | |
Debatte um illegale Partys geht weiter: Lasst sie doch auch feiern! | |
Die illegalen Partys in der Hasenheide sorgen für Negativschlagzeilen und | |
Unmut. Aber ist die Kritik gerechtfertigt? Ein Wochenkommentar. |