# taz.de -- Die Wahrheit: Unter militärischer Aufsicht | |
> Die kleine Kneipe auf unserer Insel ist nur für Soldaten. Boris Johnson | |
> macht da lieber anderswo Urlaub, nämlich mit Förmchen am Strand. | |
Boris Johnson macht Ferien. Der britische Premierminister und seine | |
Verlobte Carrie Symonds sind mit dem gemeinsamen Sohn Wilfred am | |
Wochenende gen Norden gereist – nach Schottland. Zumindest ist Johnson dort | |
vor aufdringlichen Fans sicher, denn davon gibt es dort kaum welche. „Meine | |
schönsten Ferienerlebnisse hatte ich im Vereinigten Königreich mit Eimer | |
und Schippe“, sagte er. „Das kann ich nur empfehlen.“ | |
Aber auch in Schottland hat sich so manche Insel wegen Corona abgeschottet. | |
St. Kilda zum Beispiel, ein Archipel aus sieben Inseln, die ohnehin nicht | |
vom Massentourismus heimgesucht werden, weil sie hundert Kilometer westlich | |
vom Festland liegen. Der National Trust of Scotland, dem die Insel gehört, | |
hat sämtliche Einrichtungen geschlossen – Toiletten, den Laden und den | |
Campingplatz. | |
Die Kneipe, das Puff Inn, hatte schon voriges Jahr dichtgemacht. Das war | |
übrigens kein Puff, sondern der Name bezog sich auf die „Puffins“, die | |
Papageitaucher, die dort anzutreffen sind. Anfangs hatte der Laden sogar | |
seine eigene Währung: Gummidichtungen, auf die eine Zahl aufgedruckt war. | |
Die Getränke waren billig, denn das Puff Inn durfte keinen Profit machen, | |
es diente vor allem der Entspannung der Soldaten. | |
Das Verteidigungsministerium betreibt nämlich eine | |
Raketenbeobachtungsstation auf der Hauptinsel Hirta. Seit 2005 durften aus | |
Sicherheitsgründen nur noch die Soldaten in die Kneipe. Seitdem musste man | |
einen schriftlichen Antrag beim Verteidigungsministerium stellen, wenn man | |
unter militärischer Aufsicht trinken wollte. | |
## Die letzten 36 Insulaner | |
Bewohner gibt es lange nicht mehr. Die letzten 36 Insulaner wurden vor fast | |
genau neunzig Jahren evakuiert, weil die Lebensumstände zu schwierig | |
geworden waren. Sie hinterließen elf Hütten, in jeder lag die Bibel auf dem | |
Küchentisch, aufgeschlagen auf dem 2. Buch Mose, genannt „Exodus“. Als | |
Kundschaft für das Puff Inn hatten sie sowieso nicht getaugt, denn als | |
strenggläubige Presbyterianer verteufelten sie Alkohol. | |
St. Kilda war bis dahin mindestens zwei Jahrtausende lang bewohnt gewesen, | |
abgeschieden von der Welt, bis auf gelegentliche Besuche von Piraten, die | |
es auf die Vogeleier abgesehen hatten. Die Inselbewohner nahmen den | |
Seeräubern die Hosen weg und schickten sie zurück auf ihre Schiffe. | |
Gestrandete Matrosen hingegen waren willkommen, um die Inzucht etwas | |
abzumildern. | |
Nach der Schlacht von Culloden, bei der Bonnie Prince Charlies Jakobiter | |
gegen die Regierungstruppen unterlagen, gab es Gerüchte, wonach der Prinz | |
nach St. Kilda geflohen sei. Die Soldaten, die ihn dort aufspüren wollten, | |
mussten den Bewohnern aber erst mal erklären, wer Charlie und Georg II. | |
überhaupt waren. | |
Wer Boris Johnson ist, muss man den Schotten nicht erklären, aber er ist | |
ihnen egal. So kann er ungestört mit Eimer und Schippe buddeln. | |
17 Aug 2020 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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