# taz.de -- RBB über Rigaer Straße: Skandal-Story im Kiez | |
> Bei Auseinandersetzungen zwischen linken Hausprojekten und der Berliner | |
> Polizei gibt es mindestens zwei Seiten. Das RBB-Fernsehen zeigt nur eine. | |
Bild: Polizeieinsatz Mitte Juli in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain | |
Anfang dieses Jahres gab sich die ARD-Sendung „Kontraste“ ein neues Logo. | |
Schwarz und weiß, passend zum Eigenanspruch: „Kontraste bringt Gegensätze | |
auf den Punkt.“ Denn dafür wird das Magazin des Rundfunk Berlin Brandenburg | |
geschätzt. Doch in der Berichterstattung rund um die linksradikalen | |
Berliner [1][Hausprojekte Rigaer Straße 94] und Liebigstraße 34, treiben | |
„Kontraste“ und der RBB es mit der Schwarz-Weiß-Malerei regelmäßig recht | |
weit. | |
Beide Häuser im Berliner Bezirk Friedrichshain sind seit 30 Jahren | |
teilbesetzt, die Bewohner*innen wehren sich, auch mit drastischen Mitteln, | |
gegen Räumungsversuche. Der RBB erzählt darüber wiederkehrend eine | |
Geschichte, in der einzelne Polizist*innen, die angeblichen Hauseigentümer, | |
deren Vertreter und arrivierte, besorgte Nachbar*innen den | |
„Linksextremisten“ gegenüberstehen, gedeckt von der rot-rot-grünen | |
Landesregierung und der Polizeipräsidentin. | |
So zeigt der ARD-Sender schon im August vergangenen Jahres das Polizeivideo | |
von einem Einsatz in der Rigaer 94 in voller Länge in der „Abendschau“. Das | |
sollte, in seiner unkommentierten Hautnah-Optik, die Aussage des | |
Innensenators Andreas Geisel (SPD) widerlegen, in Berlin gebe es keine | |
No-go-Areas. Kürzlich diente dann dasselbe Video im „Kontraste“-Beitrag | |
„Sonderrechte für Berliner Linksradikale: Wie Rot-Rot-Grün die Polizei | |
ausbremst“ als Einstieg für eine Art Bürgerkriegsszenario. | |
## Suggestiver Beitrag | |
Im dramatisierenden Off-Text ist vom „letzten Hotspot der autonomen | |
Gewaltszene in der Hauptstadt“ die Rede, und: „Nach und nach konnten | |
Extremisten hier einen autonomen-Staat im Staate etablieren.“ In diesem | |
„Staat im Staate“, so suggeriert der Beitrag, müssten Polizist*innen, wie | |
auch Nachbar*innen um ihr Leben fürchten und würden dabei vom | |
rot-rot-grünen Senat im Stich gelassen. Mehr noch: Linksextreme Straftäter | |
erhielten Sonderrechte vom Senat. | |
Ausschließlich Polizist*innen und erklärte Gegner der Projekte wie der | |
CDU-Fraktionschef Burkard Dregger kommen dabei zu Wort. Vertreter*innen von | |
Rot-Rot-Grün hingegen, Anwält*innen oder gemäßigte Sympathisant*innen der | |
Projekte werden nicht befragt. Unerwähnt bleibt auch, dass Polizist*innen, | |
[2][als sie Anfang Juli in einer Strafsache zwei Wohnungen in der Rigaer | |
durchsuchten], gleich den angeblichen Hausverwalter, den Eigentümeranwalt, | |
Security-Leute und einen Bautrupp mitbrachten. | |
Sie räumten Dachboden und Keller, schlugen ein Loch durch eine | |
Wohnungswand. Am folgenden Tag sicherte die Polizei, nachdem sie dies | |
zunächst ausgeschlossen hatte, die Räumung einer Wohnung ab. Räumungstitel | |
gab es dafür keinen. Denn, auch das kommt im „Kontraste“-Beitrag nicht vor: | |
Nach wie vor [3][sind die Eigentumsverhältnisse bei der Rigaer 94 unklar]. | |
Die „Kontraste“-Redaktion beruft sich auf Anfrage zwar aufs Grundbuch. | |
Darin steht Lafone Investments Limited, eine Briefkastenfirma mit Sitz in | |
Großbritannien. Das Landgericht Berlin aber hatte zuletzt im Juni 2019 | |
[4][die rechtmäßige Bestellung des Geschäftsführers der | |
Eigentümergesellschaft bestritten] und ihm damit auch das Recht | |
abgesprochen, eine Hausverwaltung oder auch nur einen Anwalt zu bestellen. | |
Der RBB aber berichtet, als gäbe es geklärte Eigentumsverhältnisse. | |
„Kontraste“ skandalisiert, dass Polizist*innen, als wenige Tage nach der | |
Razzia der vorgebliche Hausverwalter angegriffen wurde, nicht die Rigaer | |
stürmten und vermutet dahinter eine Weisung der Landesregierung. | |
Tatsache ist: Zwar müssen Polizist*innen vor dem Eindringen in linke | |
Projekte die Behördenleitung einbinden. Doch das geschieht ihrer eigenen | |
Sicherheit wegen, hat nichts mit Rot-Rot-Grün zu tun, sondern geht auf | |
Ex-Innensenator Frank Henkel (CDU) zurück. Und Wohnungen darf die Polizei | |
nach wie vor nur auf richterlichen Beschluss hin durchsuchen. | |
Auf taz-Nachfrage beim Sender teilt die „Kontraste“-Redaktion mit: „Wir | |
stehen in vollem Umfang zu dem Bericht über einen Entscheidungsvorbehalt | |
der Polizei, der im Kern die Strafverfolgung vor Ort bei linken | |
Szeneobjekten behindert.“ Diese Kritik werde von keiner Seite in Zweifel | |
gezogen. | |
Der RBB wäre dennoch gut beraten, zugunsten verschiedener Perspektiven auf | |
eine Rahmung des Komplexes als Skandal-Story zu verzichten. | |
17 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] /!t5320642/ | |
[2] /Raeumungen-in-der-Rigaer-Strasse-in-Berlin/!5694524 | |
[3] /Polizeieinsatz-in-der-Rigaer-Strasse-94/!5700850 | |
[4] /Eigentuemer-der-Rigaer-Strasse-94/!5602839 | |
## AUTOREN | |
Stefan Hunglinger | |
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