Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Aus für österreichisches Medienportal: Die Flügel gestutzt
> Schluss mit Tiefenrecherchen: Der Red-Bull-Milliardär Dietrich Mateschitz
> beendet abrupt die Förderung des Nachrichtenportals „Addendum“.
Bild: Ein Mann mit vielen Hobbys: Dietrich Mateschitz
Wenn Unternehmer in Journalismus investieren, dann verspricht das in der
unterfinanzierten Branche erst mal große Möglichkeiten. Was aber auch
bedeutet, von den Launen eines Milliardärs abhängig zu sein. Das geht jetzt
der Redaktion der österreichischen [1][Rechercheplattform Addendum] so.
Dietrich Mateschitz, der mit dem klebrigen Energy Drink Red Bull ein
Vermögen erwirtschaftet hat, verfügte in der vergangenen Woche
überraschend, dass die von ihm gestiftete Plattform und die dazugehörige
Medienstiftung Quo vadis veritas Ende des Monats ihre Arbeit einstellen
müssen. Das kam so kurzfristig, dass ein neuer Mitarbeiter, der erst am
Montag von der [2][Tageszeitung Der Standard] zu Addendum gewechselt war,
am Dienstag von der Nachricht überrascht wurde. Es sei „trotz einer Reihe
relevanter Rechercheprojekte nicht gelungen, die Zielsetzungen der Stiftung
zu erfüllen“, hieß es in einer dürren Presseaussendung. Mateschitz wolle
seine journalistischen Aktivitäten wieder „stärker auf lösungsorientierte
Projekte jenseits der politischen Alltagsauseinandersetzungen
konzentrieren“.
In seinem knapp dreijährigen Bestehen hat Addendum jedoch weit mehr geboten
als das. Vielmehr hat die Plattform unter Beweis gestellt, dass auch heute
noch – mit ausreichend Geld und Zeit – solide journalistische
Recherchearbeit geleistet werden kann. Ziel von Addendum war es nicht, mit
einer großen Aufdeckerstory Schlagzeilen zu machen, sondern ein Thema mit
mehreren Beiträgen von allen Seiten zu beleuchten.
Chefredakteur war Michael Fleischhacker, der vorher mit einer
Österreichausgabe der Neuen Zürcher Zeitung baden gegangen war. Einige der
erfahrensten Journalisten heuerten an. Die Ausrichtung von Addendum war
politisch eher rechts der Mitte, oder, wie der Deutschlandfunk es einmal
einordnete, „von einem traditionell-konservativen Blickpunkt aus gegen den
Strich gebürstet“. Der Vorwurf der Rechtslastigkeit im Sinne eines
„Breitbart der Alpen“ hingegen, wie andere deutsche Medien vor dem Launch
2017 schrieben, entbehrt jeder Grundlage.
## Gewollt nicht massentauglich
Zu Beginn setzte man zwar auf die zu dieser Zeit stark von rechts
bespielten Themen Migrations- und Flüchtlingspolitik, später folgten aber
viele Recherchen zu Fragen, die weniger im Schlaglicht aktueller Debatten
standen. In jüngster Zeit waren häufig Enthüllungen über ÖVP-Skandale zu
lesen, etwa um die undurchsichtige Auftragsvergabe im Zusammenhang mit
Coronamasken. Am Beispiel eines niederösterreichischen Maskenfabrikanten
mit Verbindungen zur ÖVP-Elite kritisierte Addendum die Heimlichtuerei um
staatliche Großaufträge.
Um wirtschaftliche Rentabilität oder Massentauglichkeit ging es nie, in
diesem Fall ermöglicht durch die Finanzierung Mateschitz’. Für den
76-Jährigen ein Klacks. Der leistet sich noch weitaus teurere Steckenpferde
als ein Online-Medium mit gelegentlichen Print-Ausgaben – zwei
Formel-1-Rennställe und die Fußballteams Red Bull Salzburg und [3][RB
Leipzig]. Das Wirtschaftsmagazin Forbes führt ihn mit einem geschätzten
Vermögen von 23,3 Milliarden Euro als reichsten Österreicher.
Ob Mateschitz sich hier aber wahrhaftig nur philanthropisch betätigte oder
vorhatte, auf die Berichterstattung Einfluss zu nehmen, darüber kann man
nur spekulieren. Die Mitarbeiter schweigen sich über Interna aus. Das
Verhältnis des Stifters zur Redaktion wurde nie transparent gemacht. Ob
diese mit ihrer Kritik an der Kanzlerpartei eine ungeschriebene Regel
gebrochen hat, weiß man nicht. Auch zur Frage, warum das Projekt gerade
jetzt derart abrupt eingestellt wird, erfährt man bislang nicht mehr.
Das Ö1-Medienmagazin „Doublecheck“ mutmaßte am Freitag, Mateschitz habe
Chefredakteur Fleischhacker zurückstufen wollen, zugunsten eines äußerst
rechten Intendanten in seinem anderen Medienunternehmen, des Privatsenders
Servus TV. In jedem Fall zeigt die Sache, dass Journalismus, wenn er auf
das Mäzenatentum Einzelner aufbaut, ein kurzes Vergnügen sein kann. Denn
ganz abgesehen von der drängenden Frage nach der Unabhängigkeit ist auch
immer völlig ungeklärt, wie langfristig ein Stifter an so einem Projekt
Gefallen findet.
12 Aug 2020
## LINKS
[1] /Online-Magazin-Addendum/!5453544
[2] /Boris-Johnson-laesst-Medienmogul-adeln/!5706266
[3] /Kolumne-Press-Schlag/!5364822
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Dietrich Mateschitz
Österreich
Journalismus
Kolumne Frühsport
Kolumne Press-Schlag
Red Bull Music Academy
Red Bull Music Academy
## ARTIKEL ZUM THEMA
RB Leipzig in der Champions League: Von Dietrich und Donald
RB Leipzig steht im Halbfinale der Champions League. Das erinnert an
Machtapparate und Donald Trump.
Beleidigungen in den Fußballstadien: Eine nette autoritäre Familie
Erst werden die Fußball-Ultras wie Pubertierende abgekanzelt, nun werden
sie für ihre Kreativität gelobt. Das hat System.
Sponsoring in der Club- und Musikkultur: Auf der Suche nach neuen Flügeln
Sponsoring von Firmen wie Red Bull wird in der Club- und Musikkultur als
notwendiges Übel betrachtet. Allerdings gibt es Alternativen.
Künstler kritisiert Red-Bull-Chef: Erfolglos stummgeschaltet
Ein Künstler kritisiert im Netzradio rechte Äußerungen des Red-Bull-Chefs –
und wird off air genommen. Seine Reaktion darauf ist ziemlich schlau.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.