# taz.de -- Scharia-Gericht in Nordnigeria: Musiker zu Todesstrafe verurteilt | |
> Ein 22-Jähriger Musiker in Nigeria hat laut einem Gericht in einem Lied | |
> Blasphemie begangen. Der Song hatte sich per WhatsApp verbreitet. | |
Bild: Nur cool, solange Mohammed nicht als Atheist bezeichnet wird: Musik | |
COTONOU taz | Yahaya Sharif-Aminu soll hängen. Das hat ein Scharia-Gericht | |
in der Provinzhauptstadt Kano am Montag entschieden. Nach Einschätzung der | |
Richter kommt es in einem Lied des 22-jährigen Sängers zu Gotteslästerung. | |
In diesem soll er einen Imam in höchsten Tönen gelobt haben und diesen Imam | |
über den Propheten Mohammed stellen. | |
Die Zeitung Daily Trust zitiert aus der Anklageschrift, in der es heißt: | |
der Angeklagte hatte „die Absicht, die Gefühle von gläubigen Muslim*innen | |
zu verletzen“. Auch habe er Mohammed als Atheisten bezeichnet. Für das | |
Gericht eine eindeutige Angelegenheit: Das ist Blasphemie und gehört | |
bestraft. | |
Verbreitet hatte sich das Lied Ende Februar und zwar vor allem über den | |
Nachrichtendienst WhatsApp. Wenige Tage später, so schreibt der | |
nigerianische Guardian, steckten Hunderte wütende Jugendliche das Haus von | |
Sharif-Aminus Eltern in Kano in Brand. Auch forderten sie die | |
Scharia-Polizei Hisbah dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen. Sänger | |
Sharif-Aminu tauchte zwischenzeitlich unter. Online hat es für das Urteil | |
viel Zuspruch gegeben: Damit werde ein Exempel statuiert, auch werde es vor | |
weiteren Unruhen schützen. | |
„Ich hoffe, dass gegen das Urteil etwas unternommen wird“, sagt jedoch | |
Hauwa Shaffi Nuhu. Die Frauenrechtlerin, Poetin und angehende Juristin hält | |
es für „barbarisch“. In Nigeria gelte schließlich Meinungsfreiheit. Auch | |
sei fraglich, dass jemand, der solche Texte verfasst, sich selbst als | |
Muslim bezeichne. Scharia-Gerichte dürfen aber nur über Muslim*innen Recht | |
sprechen. | |
## Auch ein 13-Jähriger wurde verurteilt | |
Blasphemie steht in beiden in Nigeria geltenden Rechtssystemen, also dem | |
säkularen und der Scharia, unter Strafe. Regelmäßig kommt es zu | |
Gerichtsverfahren. Am Montag wurde nicht nur Sänger Sharif-Aminu | |
verurteilt, sondern auch ein 13-Jähriger, der „unhöfliche Bemerkungen“ ü… | |
Gott gemacht haben soll. Zehn Jahre Gefängnis lautet das Urteil. Beide | |
haben die Möglichkeit, in den kommenden 30 Tagen in Berufung zu gehen. Dass | |
das Todesurteil allerdings vollstreckt wird, gilt in Nigeria als | |
unwahrscheinlich. Bisher wurden auch andere Urteile, etwa Steinigung wegen | |
Ehebruch, abgemildert oder ganz ausgesetzt. | |
In Haft wegen mutmaßlicher Blasphemie ist derzeit auch der Präsident der | |
humanistischen Vereinigung Nigerias, Mubarak Bala. Er setzt sich für | |
Religionsfreiheit ein und schreibt im Internet über religiösen Extremismus. | |
Nachdem er in Kaduna verhaftet wurde, sitzt er nun in Kano im Gefängnis. | |
Der Bundesstaat Kano gilt in Sachen Scharia als besonders streng und | |
rigoros. [1][Diese wurde dort im Jahr 2000 eingeführt]. Drei Jahre später | |
entstand mit der Hisbah eine Polizei, die für die Überwachung der | |
islamischen Gesetzgebung verantwortlich ist. Die Hisbah bringt etwa überall | |
in der Provinzhauptstadt Schilder an, die auf den Koran verweisen. [2][Auch | |
kontrolliert sie, ob Alkohol verkauft wird]. Der ist natürlich, wenn auch | |
versteckt, erhältlich. | |
11 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Scharia-in-Nordnigeria/!5641055/ | |
[2] /Scharia-im-Norden-Nigerias/!5053900&s=Hisbah/ | |
## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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