# taz.de -- Radsport nach der Coronapause: Mit Spaß durch den Staub | |
> Weltmeisterin Annemiek van Vleuten dominiert bei den Strade Bianche | |
> einfach weiter. Bei den Männern meldet sich die junge Garde. | |
Bild: Kein Geisterrennen: leibhaftige Radsportfans an der Strecke der Strade Bi… | |
SIENA taz | Staubwolken lagen über den Hügeln der Toskana. Gleich zwei | |
Radsportpelotons bahnten sich den Weg über die Schotterstrecken rings um | |
Siena. Die Strade Bianche bildeten den Auftakt für den neuen | |
World-Tour-Kalender. 125 Frauen und 166 Männer machten sich mit ihren | |
Rädern auf den Weg. Die Pneus wirbelten dabei den Schotter derart auf, dass | |
man auch aus einigen Kilometern Entfernung anhand der Staubwolken sehen | |
konnten, wo sich die Pelotons befanden. | |
„Es war heute wirklich schwer auf den Schotterabschnitten. Man konnte gar | |
nichts sehen. Wenn man nicht unter den besten fünf war, war man ständig im | |
Staub“, meinte Annemiek van Vleuten. Die Niederländerin gewann das Rennen. | |
Ihre Solofahrt begann sie für ihre Verhältnisse allerdings recht spät, und | |
war die meiste Zeit tatsächlich in der Gruppe – und dort dem Staub | |
ausgesetzt. | |
Sie hatte am Ende sogar für kurze Zeit den Durchblick über ihre | |
Siegstatistiken verloren und dachte, es wäre das dritte Rennen | |
nacheinander, das sie gewonnen hätte. Es war aber bereits der fünfte Sieg | |
in Serie. Man nennt die Niederländerin daher schon Edda Merckx. | |
Sie selbst sieht das etwas anders. „Es ist schon lustig, dass die Leute | |
denken, dass ich immer gewinne. Gewöhnlich gewinne ich nur sechs, sieben | |
Rennen im Jahr“, meinte sie. Das sind dann aber die Hochkaräter wie der | |
Giro Rosa, das wichtigste Etappenrennen, oder die Frühjahrsklassiker. | |
Dennoch meint van Vleuten: „Gewinnen ist auch für mich nicht normal. Aber | |
ich denke, das ist auch eine Belohnung dafür, dass ich auch in der | |
Coronaperiode motiviert geblieben bin, dass ich da auch mit viel Spaß | |
trainiert habe. Ich habe mich nicht nur gepusht, sondern es auch genossen, | |
einfach Rad zu fahren.“ | |
Die Freude am Radfahren war denn auch das vorherrschende Moment beim | |
World-Tour-Auftakt in der Toskana. Van Vleuten genoss es. Auch [1][Max | |
Schachmann], Dritter bei den Männern, war beglückt. „Es war schön, wieder | |
Rennen zu fahren. Es hat wirklich Spaß gemacht. Aber ich muss ehrlich | |
sagen, im Frühjahr ist es angenehmer, wenn man wenigstens vor sich noch den | |
Boden sieht“, meinte der Berliner zur taz. | |
## Rolf Aldag in ungewohnter Rolle | |
Auch im Backstage-Bereich war die Freude groß. Rolf Aldag, Ex-Profi und | |
lange Manager bei T-Mobile, Quick Step und Dimension Data, war bei seinem | |
zweiten Frauenrennen im Einsatz. „Es ist superschade, dass es erst mein | |
zweites Rennen ist. Ich muss noch so viel lernen und habe jetzt wegen | |
Corona ein halbes Jahr verpasst“, meinte er. | |
[2][Den Frauenradsport] hat er dennoch schätzen gelernt. „Erst mal gibt es | |
weniger Meckerei. Und dann ist es taktisch anspruchsvoller“, meint er. „Bei | |
den Männern konnte man immer sagen: Oh, da ist eine Gruppe fünf Minuten | |
weg, unsere Helfer sind so stark, die holen die sowieso wieder. Bei den | |
Frauen ist das Niveau aber nicht so ausgeglichen. Da kann man das Rennen | |
schon nach 15 Minuten verloren haben.“ Mit der Entscheidung hatte die von | |
ihm gecoachte Equipe Canyon-SRAM nichts zu tun. Als Beste wurde die | |
israelische Meisterin Omer Shapira 19. | |
Während bei den Frauen Routinier van Vleuten (37 Jahre) die Szene | |
dominiert, gab es bei den Männern einen Generationswechsel. Es siegte der | |
Belgier Wout van Aert (25) vor dem italienischen Meister Davide Formolo | |
(27) und Schachmann (26). Von dem Trio darf man auch bei Rundfahrten | |
einiges erwarten. Dass sie sich bei einem Klassiker gegen die Spezialisten | |
durchsetzten, hatte mit der Härte des Rennens zu tun. Hitze und Staub | |
machten es schwerer als gewohnt. Und manche der elf Schotterabschnitte | |
führten auch noch bergauf. | |
An einzelnen Abschnitten hatten sich auch Zuschauer eingefunden. Weniger | |
als in den Jahren zuvor, aber Geisterrennen waren diese Strade Bianche | |
nicht. Gespenstisch wirkte allerdings die Piazza del Campo im Herzen | |
Sienas. Hier war das Publikum weitgehend ausgesperrt. Paradox wirkte, dass | |
sich der Platz füllte, kaum dass nach dem Rennen die Absperrungen entfernt | |
worden waren. | |
Auch Ralph Denk, Schachmanns Arbeitgeber, schüttelte den Kopf. „Dass das | |
Team in einer Hygieneblase ist, macht natürlich Sinn. Ich verstehe aber | |
nicht, dass man zum Einschreiben Masken aufsetzen soll. Im Rennen fahren | |
wir dann ohne Masken. Die Siegerehrung machen wir wieder mit Masken. Ich | |
bin kein Virologe, aber für mich macht das keinen Sinn“, meinte er. | |
3 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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