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# taz.de -- Nach dem ersten Corona-Lockdown: Keine veränderten Strukturen
> Die Menschen kehren aus dem Home Office zurück, die 30-Stunden-Woche
> scheint weiterhin Utopie. Corona hat keine äußeren Veränderungen
> gebracht.
Bild: Die Maschinerie rollt wieder und der Druck von außen wächst: Business a…
Wie habe ich das eigentlich alles vor Corona hingekriegt? Fürs Fernsehen
arbeiten, Buch schreiben, Kolumnen für zwei verschiedene Zeitungen abgeben,
hier und da einen Vortrag halten, an einem Schulprojekt mitarbeiten und
dann auch noch Freizeit haben? Seit die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben
wurden und so gut wie alle so tun, als gäbe es kein Corona mehr, finde ich
einfach nicht mehr in meinem Prä-Corona-Arbeitsrhythmus, obwohl die Welt es
von mir erwartet.
Während ich vor Corona pro Tag mehrere unterschiedliche Arbeitsaufträge
erledigt habe, von 9 Uhr früh bis 9 am Abend außer Haus war, bin ich heute
schon überfordert, wenn ich am Tag mehr als eine Sache erledigen muss. Und
mit „Sache“ meine ich manchmal auch einfach nur ein Paket zur Post zu
bringen und zehn Mails beantworten oder diese Kolumne schreiben.
Ich funktioniere trotzdem, als freie Journalistin bleibt mir nichts anderes
übrig. Ich sage „ja“, wenn ich wieder zu Vorträgen und Veranstaltungen
eingeladen werde, ich bin ja auch dankbar dafür, schließlich wurden seit
März alle abgesagt. Trotzdem ist die erste Reaktion in meinem Kopf: „Nein,
ich muss absagen, das schaffe ich nicht.“ Ich schaffe es doch und es macht
Spaß, aber danach bin ich platt. Die Art von Plattheit, die ich vor Corona
nicht kannte. Yoga hilft nicht, Nichtstun hilft nicht, Urlaub hilft nicht –
alles die letzten Wochen probiert, alles, was früher geholfen hat, ist
plötzlich coronaresistent. Egal mit wem ich darüber rede, irgendwie geht es
gerade vielen so wie mir.
Hat Corona uns gezeigt, [1][dass wir im Kapitalismus-Rad gefangen sind]?
Ist Corona womöglich gar eine Chance, alles neu zu denken, wie es uns in
den ersten Lockdown-Wochen viele verkaufen wollten? In Österreich holen
Arbeitgeber*innen ihre Mitarbeiter*innen [2][aus dem Homeoffice zurück],
ein Recht auf Homeoffice oder die 30-Stunden-Woche sind hierzulande noch
immer politisch weit weg. Die äußeren Strukturen haben sich nicht geändert,
dafür unsere inneren. Die Pandemie hat bei vielen Angst und Verunsicherung
ausgelöst. Viele bangen um ihre Existenz, um ihre Gesundheit, um die der
Liebsten.
Es gibt keine Antwort auf die Frage, wann der selbstgewählte Normalzustand
wieder einkehrt, wann wir wieder reisen und feiern können, während der
Druck von außen wieder zurück ist, und zwar mehr als zuvor.
Während mir manche Menschen [3][im beruflichen Kontext wieder die Hand
reichen], muss ich überlegen, wie ich ausweiche, ohne dass sie mich für
eine Panikmacherin halten, die sich noch immer an die
Corona-Verhaltensregeln hält. Während draußen alles so wirkt, als wäre nie
was gewesen, weiß ich im Innern, dass Corona noch genauso da ist wie in der
Höchstphase. Diese unterschiedliche Außen-und Innensicht zu vereinbaren
stresst. Wenn Corona eine Chance sein hätte können, habe ich sie offenbar
nicht richtig genutzt.
3 Aug 2020
## LINKS
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[2] /Homeoffice-waehrend-Corona/!5669225
[3] /Von-Angst-und-Hoffnung-in-Corona-Zeiten/!5669110
## AUTOREN
Melisa Erkurt
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