# taz.de -- Wildes Feiern in Berlin: Folge dem Bass | |
> Polizei löst wilde Technoparty mit 3.000 Gästen in der Hasenheide auf. | |
> Clubcommission fordert Flächen für legale Veranstaltungen. | |
Bild: Fünf Musikanlagen hat die Polizei in der Hasenheide beschlagnahmt | |
Wilde Open-Air-Partys hat es in Berlin auch schon vor Corona gegeben. Aber | |
jetzt, wo alle Clubs geschlossen sind, werden die Raves mehr und größer. | |
In der Nacht zu Sonntag fand in der Hasenheide eine riesige Techno-Party | |
statt. Von rund 3.000 Menschen spricht die Polizei, die deshalb am Samstag | |
eigenen Angaben zufolge gegen 22.30 Uhr anrückte. Die Forderung, die Musik | |
abzustellen, fand aber kein Gehör. Vielmehr verlagerte sich die Party | |
innerhalb des Parks. | |
Laut Polizei rückten nunmehr 70 Uniformierte mit sieben Diensthunden an. | |
Über Lautsprecher wurden die Feiernden zum Verlassen der Hasenheide | |
aufgefordert. Schließlich wurden sie aus der Grünanlage vertrieben. Das | |
dauerte bis 5 Uhr morgens. Fünf Anzeigen wegen Lärms wurden erstattet und | |
fünf Musikanlagen beschlagnahmt. Zurück blieben Müllberge. | |
Für Lutz Leichsenring, Sprecher der Berliner Clubcommission, ist klar: Die | |
wilden Partys seien Ausdruck davon, dass es in Berlin zurzeit keine | |
Möglichkeit für Menschen gibt, sich zu treffen und zu tanzen. Dieses | |
Bedürfnis gehe quer durch die Gesellschaft. „Das gehört doch zur DNA der | |
Stadt“, sagte Leichsenring am Sonntag zur taz. | |
Die einzige Lösung: die Raves aus der Illegalität holen. In Berlin gebe es | |
über 100 Clubveranstalter. Die könnten Open-Air-Partys nach allen Regeln | |
der Kunst organisieren: Lärm und Müll vermeiden, Ansteckungsgefahr gering | |
halten. Dafür müsse ihnen die Stadt aber Flächen zur Verfügung stellen. | |
Brandenburg habe gezeigt, das das gehe. | |
Die Clubcommission versteht sich als Vermittler zwischen den Berliner | |
Behörden und Veranstaltern. Eine Liste mit entsprechenden Vorschlägen für | |
Veranstaltungsorte hat man Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) bereits | |
unterbreitet. Die hat letzte Woche bei einer Pressekonferenz Unterstützung | |
signalisiert (taz berichtete). Die Liste wird zurzeit von den Bezirken | |
geprüft. | |
Seine Empfehlung sei, die Vorschläge nicht von vornherein zu verteufeln, | |
sagt Leichsenring. Legale Raves seien deutlich entspannter und | |
hygienischer. Die Veranstalter stünden mit ihrem Klarnamen dafür ein und | |
seien bei Lärmbeschwerden jederzeit für die Polizei erreichbar. Die | |
Bevölkerung bittet der Sprecher der Clubs um mehr Toleranz. „Das ist jetzt | |
eine Ausnahmesituation, wir müssen den Sommer ausnutzen, im Winter werden | |
wir ganz andere Probleme haben.“ | |
Zu den Details der Liste wollte sich Leichsenring gegenüber der taz nicht | |
äußern, damit sich mögliche Gegner nicht vorschnell in Stellung bringen. | |
Ein paar Vorschläge sind aber schon durchgesickert. Zum Beispiel: Die | |
Südflanke des Tempelhofer Felds in Neukölln, der Vorplatz des Zeiss | |
Großplanetariums in Pankow, die Bundesautobahn 100 „Trogdeckel“ nahe | |
Teilestraße in Tempelhof-Schöneberg, der Volkspark Jungfernheide in | |
Charlottenburg-Wilmersdorf, oder der Stadtpark Lichtenberg. | |
Monika Herrmann, grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg | |
soll wegen des Lärms und unvermeidlicher Schäden an den Grünflächen bereits | |
abgewunken haben. Das ausgerechnet der Bezirk mit dem meisten Clubs eine | |
komplette Verweigerungshaltung an den Tag legt, könne er nicht verstehen, | |
sagt Leichsenring. „Die gehen noch nicht mal mehr ans Telefon und tun so, | |
als seien sie ein kleines Dorf in Brandenburg“. | |
Über eines macht sich der Clubsprecher allerdings keine Illusionen. Auch | |
wenn Plätze genehmigt werden, ganz verhindern werde man die illegalen Raves | |
nicht. Wie die Leute davon erfahren? „Über die sozialen Medien, oder man | |
läuft durch die Straßen und folgt dem Bass.“ | |
26 Jul 2020 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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