# taz.de -- Jamaika nimmt Klimaschutz ernst: Karibische Klima-Avantgarde | |
> Jamaika hat ein neues Klimaziel. Das Land ist damit eines der wenigen, | |
> das die Zusage zum Pariser Abkommen einhält. | |
Bild: Jamaikas neues Klimaziel bezieht jetzt auch die Landwirtschaft mit ein �… | |
Berlin taz | Jamaika hat geliefert: Anfang Juli hat der karibische | |
Inselstaat den Vereinten Nationen ein neues Klimaziel für dieses Jahrzehnt | |
gemeldet, als Beitrag zum Paris-Abkommen. | |
„Jamaikas neues Klimaziel ist ambitionierter als das davor“, schreibt die | |
Regierung des Landes. Erstens bezieht Jamaika neben der Energiewirtschaft | |
nun auch die Landnutzung ein. Und zweitens will es seine | |
Treibhausgasemissionen weniger stark wachsen lassen als noch vor fünf | |
Jahren vorgesehen. Gegenüber einem Business-as-usual-Szenario, also einer | |
Welt ohne zusätzlichen Klimaschutz, will der Inselstaat nicht nur 7,8 | |
Prozent sondern 25,4 Prozent der Emissionen einsparen. Für den Fall, dass | |
internationale Gelder bereitgestellt werden, sogar 28,5 Prozent. | |
Sinken sollen die jamaikanischen Emissionen also erst einmal nicht, nur | |
weniger wachsen. In jedem Fall hat Jamaika damit formal erbracht, was | |
zahlreiche Staaten mit dem Paris-Abkommen versprochen haben: das 2015 | |
selbst gesteckte Klimaziel alle fünf Jahre zu aktualisieren, also dieses | |
Jahr. | |
Das ist erwähnenswert, denn schon das bloße Einhalten von Formalien ist | |
beim globalen Klimaschutz die Ausnahme geworden. Insgesamt haben elf | |
Staaten ein neues Klimaziel beim UN-Klimasekretariat eingereicht. Neben | |
Jamaika sind das die Marshall-Inseln, Neuseeland, Singapur, Japan, | |
Moldawien Andorra, Norwegen, Suriname, Ruanda und Chile. Nicht alle diese | |
Länder wollen mehr Klimaschutz liefern als vorher versprochen. Japan zum | |
Beispiel hat lediglich sein Klimaziel von 2015 bestätigt, ohne | |
nachzuschärfen. | |
Der Umkehrschluss dieser Zählung ist: 156 Länder sowie die EU haben sich | |
noch nicht bewegt. Dabei ist schon Jamaika spät dran. Die formale Frist lag | |
im Februar, nämlich neun Monate vor dem ursprünglichen Termin für die | |
nächste UN-Klimakonferenz (COP 26). [1][Durch die Corona-Pandemie soll die | |
nun erst im November des nächsten Jahres stattfinden]. | |
## Eher drei bis vier Grad als 1,5 | |
Die kollektive Verschärfung der Klimaziele wäre dringend nötig. Selbst wenn | |
das 2015 Versprochene komplett umgesetzt werden würde, liefe das nach | |
verschiedenen Prognosen auf eine um drei bis vier Grad wärmere Erde hinaus, | |
wenn man mit dem vorindustriellen Niveau Ende des 19. Jahrhundert | |
vergleicht. Dem Weltklimarat IPCC zufolge droht schon jenseits der 1,5 Grad | |
die Aktivierung sogenannter Kippelemente, was das Weltklima zusätzlich | |
destabilisieren würde. Im Paris-Abkommen steht denn auch, dass die | |
Erderwärmung bei „deutlich unter zwei Grad“, möglichst bei 1,5 Grad | |
aufhören muss. | |
Zivilgesellschaftliche Beobachter:innen der UN-Klimakonferenzen befürchten, | |
dass die Staaten ohne das internationale Forum den nationalen | |
[2][Klimaschutz weiter schleifen lassen]. „Unter den Umständen einer | |
Pandemie ist es verständlich, dass der UN-Klimagipfel in Glasgow um ein | |
Jahr verschoben werden muss“, sagt Sabine Minninger vom Hilfswerk Brot für | |
die Welt. „Das bedeutet aber nicht, dass die Staaten jetzt ein Jahr die | |
nationalen Anstrengungen auf Eis legen können, sondern jetzt muss jeder | |
seine Hausaufgaben zu Hause erledigen.“ | |
Lutz Weischer von der Klimaschutzorganisation Germanwatch sieht das | |
ähnlich. „Die Bestimmung, dass Klimabeiträge spätestens neun Monate vor dem | |
relevanten Klimagipfel eingereicht werden müssen, hat durch die | |
Verschiebung der COP 26 ihre Bedeutung verloren“, sagt er. „Das wäre ja | |
jetzt erst im Februar 2021, die Pariser-Beschlüsse sagen aber ganz klar, | |
dass die Beiträge schon 2020 vorliegen müssen.“ | |
Im Moment ist für ihn aber eines relevanter als die Einhaltung einer Frist. | |
„In einem Kontext, wo Regierungen weltweit Milliarden für | |
Konjunkturprogramme in die Hand nehmen, ist die wichtigste klimapolitische | |
Frage, ob dieses Geld so ausgegeben wird, dass das 1,5-Grad-Limit | |
eingehalten werden kann.“ | |
Der Gedanke: Wirtschaftswachstum geht bisher in der Regel mit einem Anstieg | |
der CO2-Emissionen einher. Sollte das nach Corona wieder der Fall sein, | |
spielt es keine Rolle, ob vorher geduldiges Papier mit irgendwelchen | |
Klimazielen beschrieben wurde. | |
## Keine Entschuldigung | |
„Es wird Entwicklungsländer geben, die gerade mit voller Wucht von der | |
Corona-Krise getroffen werden und wo die staatlichen Institutionen in | |
dieser Krisensituation nicht die Kapazitäten haben, ein neues Klimaziel | |
einzuarbeiten“, meint Weischer. Für andere Länder gebe es aber „überhaupt | |
keine Entschuldigung“, die international vereinbarte Deadline nicht | |
einzuhalten. | |
Nach einer Zählung des World Resources Institute haben insgesamt 137 | |
Parteien des Paris-Abkommens immerhin schon bekräftigt, dieses Jahr neue | |
Klimaziele erarbeiten zu wollen wie vor fünf Jahren versprochen. Die EU | |
beispielsweise fällt in diese Kategorie. Es fehlen allerdings | |
Schwergewichte wie Australien, China sowie die USA, die nach aktuellem | |
Stand aus dem Paris-Abkommen austreten. | |
Die Welt rast unterdessen auf die 1,5-Grad-Marke zu. Mit einem Fünftel | |
Wahrscheinlichkeit wird schon eines der kommenden fünf Jahre im globalen | |
Durchschnitt mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen, wie | |
neue [3][Prognosen der Weltwetterorganisation] (WMO) zeigen. Dass zumindest | |
ein einzelner Monat die Marke knackt, ist der UN-Meteorologie zufolge mit | |
70 Prozent sogar ziemlich wahrscheinlich. | |
Die Erde ist durchschnittlich bereits mehr als ein Grad heißer als vor der | |
Industrialisierung. Dass es dabei in den kommenden fünf Jahren bleibt, kann | |
laut WMO als mehr oder weniger sicher gelten. | |
12 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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