# taz.de -- Verschwundene Studenten in Mexiko: Festnahme ohne Aufklärung | |
> Im Fall der 2016 in Iguala verschwundenen 43 Studenten wurde eine weitere | |
> Person verhaftet. Angehörige misstrauen dem offiziellen Tathergang. | |
Bild: Proteste wegen der verschwundenen 43 Studenten im Jahr 2014 in Guerrero i… | |
BERLIN taz | Knapp sechs Jahre nach dem brutalen [1][Angriff auf | |
Lehramtsstudenten in der südmexikanischen Stadt Iguala] ist ein | |
mutmaßlicher Hauptverantwortlicher verhaftet worden. Die | |
Generalstaatsanwaltschaft (PGR) bestätigte am Montag Medienberichte, nach | |
denen Beamte der Behörde José Ángel Casarrubias Salgado, bekannt unter dem | |
Namen „El Mochomo“, festgenommen haben. Die Festnahme sei schon am Mittwoch | |
erfolgt, aber bewusst erst jetzt veröffentlicht worden, erklärte die PGR. | |
Casarrubias Salgado gilt wie drei seiner Brüder, die bereits früher | |
verhaftet wurden, als führendes Mitglied der Mafiaorganisation Guerreros | |
Unidos. Zusammen mit lokalen Polizisten griffen die Kriminellen am 26. | |
September 2014 Studenten des Lehramtsseminars Ayotzinapa bewaffnet an. | |
Sechs Menschen starben, 43 der jungen Männer wurden verschleppt. | |
Bis heute fehlt von ihnen jede Spur. Der damalige Generalstaatsanwalt Jesús | |
Murillo Karam legte sich schnell auf eine „historische Wahrheit“ fest, nach | |
der die Studenten auf einer Müllhalde verbrannt wurden. Wenige Monate nach | |
dem Angriff wollte er die Ermittlungen einstellen. | |
Angehörige misstrauen jedoch bis heute der offiziellen Version vom | |
Tathergang. Sie vermuten, dass auch Bundespolizisten und das Militär | |
verwickelt waren. Eine internationale unabhängige Expertengruppe kam | |
ebenfalls zu dem Schluss, dass die „historische Wahrheit“ nicht bewiesen | |
sei. Die Studenten hatten Busse gekapert, um damit zu einer Demonstration | |
zu fahren. Unbeabsichtigt seien sie so möglicherweise einem Drogentransport | |
in die Quere gekommen, weil in einem der Fahrzeuge Heroin geschmuggelt | |
werden sollte, so die Expertengruppe. | |
## Mafiastrukturen und Drogengeschäfte in Iguala | |
Iguala liegt im Bundesstaat Guerrero, in dem korrupte Politiker, | |
Polizisten, Soldaten und Kriminelle oft Hand in Hand arbeiten, damit der | |
[2][Opiumanbau und Drogentransporte] reibungslos verlaufen. Die Guerreros | |
Unidos zählen zu den wichtigsten Organisationen in der Region. Gegen | |
Casarrubias Salgado wird auch in einem Verfahren wegen des Schmuggels von | |
Heroin nach Chicago ermittelt. | |
Strafverfolger sowie Aktivistinnen und Aktivisten erhoffen sich durch die | |
Verhaftung auch neue Informationen zur Aufklärung des Falls. Möglicherweise | |
könne „El Mochomo“ Hinweise zum Aufenthaltsort der Verschwundenen geben, | |
twitterte die Menschenrechtsorganisation ProDH. | |
Die Angehörigen der Studenten waren zurückhaltend. Die Verhaftung sei | |
wichtig, aber es seien bereits viele Mitglieder der Guerreros Unidos | |
festgenommen worden und letztlich sei keiner verantwortlich gemacht worden, | |
erklärte deren Sprecher Felipe de la Cruz. 77 der über 140 Verdächtigen, | |
die bislang verhaftet wurden, kamen wieder auf freien Fuß, nicht wenige, | |
weil sie gefoltert worden waren. Verurteilt wurde niemand. | |
De la Cruz forderte, dass der Haftbefehl gegen den damaligen Chef der | |
ermittelnden Bundespolizei, Tomás Zerón, umgesetzt werde. Dem Beamten wird | |
vorgeworfen, die Ermittlungen verschleppt und Beweismittel beeinflusst zu | |
haben. Auch gegen Murillo Karam, der mit Zerón kooperierte, müsse | |
juristisch vorgegangen werden. | |
Die Angehörigen werfen der damaligen Regierung vor, mit der „historischen | |
Wahrheit“ bewusst falsche Fährten gelegt zu haben, um eine Beteiligung von | |
Bundespolizisten und Militärs zu vertuschen. Präsident Andrés Manuel López | |
Obrador, der 2018 sein Amt übernahm, hat versprochen, alles dafür zu tun, | |
um den Fall aufzuklären. Nach Amtsantritt gründete er eine | |
Wahrheitskommission. Aber was genau warum passiert ist, bleibt bis heute | |
unklar. | |
30 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Gewalt-gegen-Studenten-in-Mexiko/!5295162 | |
[2] /Mexiko-und-der-Drogenkrieg/!5550780 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
## TAGS | |
Mexiko | |
Studenten | |
Iguala | |
Justiz | |
Mexiko | |
Mexiko | |
USA | |
Misogynie | |
Umweltschutz | |
Mexiko | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die 43 Verschwundenen von Ayotzinapa: Das Militär war immer dabei | |
Vor 7 Jahren verschwanden in Mexiko 43 Studenten. Noch immer ist unklar, | |
was passiert ist. Neue Informationen belasten das Militär. | |
Verschwundene Studierende in Mexiko: Haftbefehle gegen Soldaten | |
Sechs Jahre nachdem 43 Studenten in Mexiko verschwanden, sind Haftbefehle | |
gegen mehrere Soldaten ergangen. Präsident verspricht Gerechtigkeit. | |
Mexikanische Bauern fürchten Trockenheit: Streit um Wasser für die USA | |
Die mexikanische Regierung setzt Militär gegen Bauern ein, die gegen | |
Wasserexporte protestieren. Die Lieferungen in die USA sind vertraglich | |
geregelt. | |
Vulvenkunst in Mexiko: Gegen Femizid und Patriarchat | |
Eine Künstlerin holt Vulven aus der Ecke des Tabus, um sie auf den Sockel | |
der Kunst zu stellen – und setzt ihnen dann noch einen Heiligenschein auf. | |
Morde in Mexiko: Umweltschützer ohne Schutz | |
In Mexiko werden zwei Menschen getötet, die sich gegen illegale Abholzung | |
eingesetzt hatten. Es sind nicht die ersten Opfer. | |
Gewalt gegen Studenten in Mexiko: Vertuschung und Folter | |
Der Expertenbericht zum Verschwinden der 43 Studenten erhebt schwere | |
Vorwürfe gegen Polizei und Justiz. Zeugen seien misshandelt worden. |