# taz.de -- Diskussion um Wahlrechtsreform: Brinkhaus' Vorschlag fällt durch | |
> Es gibt zu viele Bundestags-Abgeordnete. Wie kann sich das ändern? Ein | |
> unionsinterner Vorstoß scheiterte am Montag, jetzt wird in der Partei | |
> debattiert. | |
Bild: Sein Vorstoß ist gescheitert: Ralph Brinkhaus, Fraktionsvorsitzender der… | |
Berlin dpa/afp | Die Diskussion über eine Wahlrechtsreform, mit der ein | |
weiteres Aufblähen des Bundestags verhindert werden soll, nimmt immer mehr | |
Fahrt auf. Die Spitze der Unionsfraktion will dazu an diesem Dienstag in | |
der Fraktionssitzung (17.00 Uhr) drei Modelle zur Debatte stellen, wie die | |
Deutsche Presse-Agentur in Berlin nach einer Sitzung des Fraktionsvorstands | |
aus Unionskreisen erfuhr. Ziel sei ein Meinungsbild der Abgeordneten, mit | |
dem Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) in weitere Verhandlungen mit SPD | |
und Opposition gehen könne. | |
Hintergrund der Reformbemühungen ist, dass der Bundestag aktuell 709 | |
Mitglieder hat und damit viel mehr als die Regelgröße von 598 Abgeordneten. | |
Experten rechnen mit einer weiteren deutlichen Vergrößerung nach der | |
nächsten Wahl, sollte das Wahlrecht nicht geändert werden. | |
Nach einem auch Unions-intern kontrovers diskutierten [1][Vorstoß von | |
Brinkhaus] zur Deckelung der Abgeordnetenzahl bei 750 und nachdem die CSU | |
signalisiert hatte, von 2025 an einer Verringerung der Zahl der Wahlkreise | |
zuzustimmen, sei der Gordische Knoten geplatzt, hieß es am Montag aus | |
Kreisen von CDU und CSU. Eine Verringerung der Zahl der Wahlkreise hatte | |
die CSU bisher kategorisch abgelehnt. | |
Das von Brinkhaus eingebrachte Modell eines Notfallmechanismus für die | |
Bundestagswahl 2021 sieht ab einer Zahl von 750 Abgeordneten eine Kappung | |
vor. Danach soll im Wechsel je ein Überhangmandat nicht durch | |
Ausgleichsmandate kompensiert und ein Direktmandat gestrichen werden – bis | |
man bei der Höchstzahl von 750 Sitzen angelangt ist. Von 2025 an sieht | |
dieses Modell eine Reduzierung der Wahlkreise von jetzt 299 auf 280 vor, | |
sieben Überhangmandate sollen ausgleichslos bleiben. | |
## „Der denkbar schlechteste Vorschlag“ | |
Gegen diesen Vorschlag wächst aber offenbar der Widerstand in der | |
Unionsfraktion. „Dieser Vorschlag stellt aus unserer Sicht keine geeignete | |
Grundlage für eine verfassungskonforme und sinnvolle Wahlrechtsänderung | |
dar“, heißt es nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung in einem Brief, der | |
von mindestens 39 Mitgliedern der Fraktion unterzeichnet worden sei. „Es | |
ist leider der denkbar schlechteste Vorschlag aller bisherigen Vorschläge“, | |
schreiben die Abgeordneten demnach weiter. | |
Das zweite Modell sieht ein Vorziehen der Reduzierung der Zahl der | |
Wahlkreise auf 280 schon für 2021 vor, der Notfallmechanismus würde | |
entfallen. In Unionskreisen hieß es, dieses Modell sei technisch schwierig | |
umzusetzen, aber möglich. | |
Das dritte Modell entspricht dem CSU-Vorschlag vom Montag: Es beinhaltet | |
die einmalige Anwendung einer Höchstgrenze für 2021 von 699 Abgeordneten – | |
299 Wahlkreiskandidaten und maximal 400 Listenmandate. Bei einem | |
Überschreiten der Höchstgrenze solle die Zahl der Abgeordneten im | |
Verhältnis der Fraktionen reduziert werden. Ab 2025 würde die Größe des | |
Bundestages durch eine Kombination von ausgleichslosen Überhangmandaten und | |
einer Reduzierung der Zahl der Wahlkreise begrenzt. | |
Grüne und FDP hatten den CSU-Vorschlag allerdings am Montag umgehend als | |
verfassungswidrig zurückgewiesen. Einer der prominentesten Sozialdemokraten | |
im Bundestag, dessen Vizepräsident Thomas Oppermann, drohte damit, für den | |
Gesetzentwurf von FDP, Grünen und Linken zu stimmen, wenn die Koalition | |
sich nicht einigen könne. | |
## Kritik vom Bund der Steuerzahler | |
Die Fraktionen hatten sich schon in der vergangenen Wahlperiode nicht auf | |
eine Reform einigen können. In der Folge wurde das Parlament bei der Wahl | |
2017 mit 709 Abgeordneten so groß wie nie zuvor. Die Sollgröße des | |
Parlaments beträgt 598 Sitze. Für die Bundestagswahl 2021 wird ohne | |
Wahlrechtsänderung ein Anwachsen auf 800 oder noch mehr Abgeordnete | |
befürchtet. | |
Bislang liegt dem Bundestag nur ein einziger Gesetzentwurf vor, der dies | |
verhindern will. Ihn haben FDP, Grüne und Linke gemeinsam eingebracht. Er | |
sieht auch eine Verringerung der Zahl der Wahlkreise von 299 auf 250 vor. | |
Die drei Oppositionsfraktionen bestehen darauf, dass der Entwurf am | |
kommenden Freitag, dem letzten Sitzungstag vor der parlamentarischen | |
Sommerpause, [2][abschließend beraten und zur Abstimmung gestellt wird.] | |
Der Bund der Steuerzahler übte scharfe Kritik wegen der Verzögerung der | |
Wahlrechtsreform. „Ich halte es für unsäglich, dass die Fraktionen eine | |
dringend nötige Reform des komplizierten Wahlrechts mit seinen Überhang- | |
und Ausgleichsmandaten verschleppen – das Nachsehen haben die Wähler und | |
Steuerzahler“, sagte der Präsident der Interessenvereinigung, Reiner | |
Holznagel, der „Welt“. | |
30 Jun 2020 | |
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