# taz.de -- Queere Initiative für Geflüchtete: Gegen den Homonationalismus | |
> Zigtausend Geflüchtete sitzen auf den griechischen Inseln fest. Ein neues | |
> Bündnis queerer Aktivist*innen fordert, die Lager zu evakuieren. | |
Bild: Deutschland sollte helfen: Menschen aus dem Lager Moria auf Lesbos verlas… | |
BERLIN taz | Es scheint, als müsse immer und immer wieder neu daran | |
erinnert werden: An den europäischen Außengrenzen ereignet sich derzeit | |
eine humanitäre Katastrophe, die sich durch Covid19 noch einmal verschärft | |
hat. Bis heute hat Deutschland [1][nur 47 geflüchtete Kinder] von den mehr | |
als 15.000 im Lager Moria auf Lesbos lebenden Menschen aufgenommen. Ein | |
[2][offener Brief des neu formierten Bündnisses Queers4evacuation] macht | |
nun genau darauf aufmerksam. Gefordert wird die sofortige Evakuierung der | |
griechischen Geflüchtetenlager und die dezentrale Unterbringung von | |
geflüchteten Menschen in Deutschland. | |
Mika Ashton ist einer der Initiatoren von Queers4evacuation. Mit einer | |
Gruppe Leipziger Aktivist*innen hat er den offenen Brief an die | |
queerpolitischen Sprecher*innen der Bundestagsfraktionen formuliert. | |
Unterstützt wird das Schreiben von einem breiten Spektrum aus über 200 | |
queeren Organisationen, Musik- und Kunstkollektiven, Zeitungen, | |
Sportvereinen und Personen des öffentlichen Lebens. | |
Im Brief heißt es: „Gerade weil viele von uns (...) Erfahrungen von Gewalt | |
und Diskriminierung machen mussten und weil wir wissen, wie schwer es ist | |
die eigenen Rechte erkämpfen zu müssen, stehen wir an dieser Stelle für | |
Solidarität ein.“ | |
Die breitflächige Unterstützung in der queeren Szene erklärt sich Ashton, | |
auch durch die politische Brisanz des Themas. In sogenannten | |
homonationalistischen Diskursen versuchen rechte Akteure immer wieder, sich | |
als Beschützer sexueller Minderheiten zu inszenieren. Ein plumper Versuch, | |
islamfeindliche Hetze mit einem Regenbogengewand zu verschleiern – etwa, | |
wenn die AfD auf einem Wahlplakat ein schwules Pärchen zeigt, das „keinen | |
Wert auf Bekanntschaft mit muslimischen Einwanderern“ lege. | |
## Lösung laut FDP-Sprecher: Mehr sichere Herkunftsländer | |
Die Initiative will insofern auch klarstellen, dass man sich nicht | |
gegeneinander ausspielen lässt. Ashton sagt: „Der offene Brief ist nur ein | |
Anstoß für weitere konkrete Handlungen.“ | |
Die Reaktionen der adressierten queerpolitischen Sprecher*innen der | |
Bundestagsfraktionen ließen zunächst auf sich warten – fielen dann aber | |
ausführlich aus. | |
So schrieb etwa Jens Brandenburg von der FPD, er sehe die Bundesregierung | |
in der Pflicht, die Lebenssituation der Schutzsuchenden auf den | |
griechischen Inseln verbessern. Zudem solle die EU-Kommission prüfen, wie | |
die Lager in den kommenden Wochen aufgelöst und Migrant*innen auf das | |
griechische Festland gebracht werden können, um dort „reguläre Verfahren zu | |
durchlaufen“. | |
Verbesserungen seien laut Brandenburg aber vor allem dadurch möglich, dass | |
weitere Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt würden. Dies entlaste | |
die Behörden „von großteils aussichtslosen Anträgen, ohne das Asylrecht der | |
tatsächlich Verfolgten einzuschränken“, schreibt er. Tatsächlich Verfolgte, | |
das seien insbesondere Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung | |
oder geschlechtlichen Identität verfolgt werden, so Brandenburg. | |
## Kein Statement der Lesben und Schwulen in der Union | |
Doris Achelwilm (Die Linke) unterstützt Queers4evacuation, stellt aber ganz | |
andere Forderungen als ihr Kollege von der FDP. Anfang Juni hat die Linke | |
[3][die Bundesregierung aufgefordert], die „menschenunwürdigen Hotspots“ | |
auf den griechischen Inseln zu evakuieren und ein Bundesprogramm für | |
mindestens 10.000 Geflüchtete aufzulegen. | |
Es gebe über 150 Kommunen, die aufnahmebereit seien, so Achelwilm, aber das | |
Bundesinnenministerium würde blockieren. Queere Geflüchtete seien häufig | |
trans- oder homofeindlichen Übergriffen ausgesetzt – spezifische | |
Unterkünfte für sie anzubieten und Amtsmitarbeiter*innen | |
diskriminierungssensibel zu schulen, sei daher dringend nötig. | |
Karl-Heinz Brunner von der SPD findet, die Garantie für menschenwürdige | |
Lebensverhältnisse müsse über ein allgemeines Anti-Diskriminierungsgesetz | |
geregelt werden. Unabhängig der sexuellen Orientierung sollten alle | |
geflüchteten Menschen die Möglichkeit bekommen, im Rahmen von Kontingenten | |
nach Europa zu gelangen. | |
Das fordern auch Ulle Schauws und Sven Lehmann (Grüne): „Wir haben die | |
Bundesregierung mehrfach aufgefordert, über das angekündigte | |
Aufnahmekontingent hinaus besonders schutzbedürftige Geflüchtete -darunter | |
auch LSTBI -von den griechischen Inseln zeitnah aufzunehmen.“ | |
Alexander Vogt, Vorsitzender des Bundesverbandes der Lesben und Schwulen in | |
der Union, wirkte zunächst überrascht, von der Initiative mitadressiert | |
worden zu sein. Schließlich habe er gar kein Bundestagsmandat. Er werde | |
„ad-hoc kein Statement dazu abgeben“ sagte er sechs Tage nach | |
Veröffentlichung des Briefes. Er habe das schreiben aber an Stefan Kaufmann | |
von den „Wilden 13“ weitergeleitet, einer Gruppe tendenziell progressiver | |
Parlamentarier der CDU. Deren Reaktion steht noch aus. | |
29 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Fluechtlingslager-in-Griechenland/!5681845 | |
[2] http://xn--offener%20Brief%20des%20neu%20formierten%20Bndnisses%20Queers4ev… | |
[3] /Migrations-Papier-der-Linkspartei/!5689698 | |
## AUTOREN | |
Elias Dehnen | |
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