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# taz.de -- Corona in Entwicklungsländern: USA lassen Arme hungern
> Der IWF könnte Entwicklungsländern mit 500 Milliarden Dollar zusätzlich
> durch die Krise helfen. Die US-Regierung blockiert.
Bild: Mitarbeiter*innen einer NGO verteilen in Honduras während der Coronakris…
Die Weltwirtschaft wird wegen der Coronapandemie nicht um 3 Prozent,
sondern um 4,9 Prozent einbrechen – der größte Rückgang seit der
Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren. Das gab der Internationale
Währungsfonds IWF am Mittwoch bekannt. Es wäre nur eine von vielen Zahlen,
die längst Bekanntes bestätigen: Das Virus Sars-Cov-2 ist schlecht für die
Wirtschaft. So weit, so sehr Sichtweise der Industrieländer.
Für viele Entwicklungsländer bedeutet der Wirtschaftseinbruch nicht einfach
höhere Neuverschuldung oder steigende Arbeitslosenzahlen, sondern: Hunger
und Tod. Das [1][schreiben] die Entwicklungsorganisation Oxfam America und
der Thinktank Center for Economic and Policy Research. Sie zitieren
UN-Zahlen, nach denen die Krise eine halbe Milliarde Menschen in die Armut
drängen kann. Das Welternährungsprogramm fürchtet, dass 130 Millionen
Menschen zusätzlich unter akutem Hunger leiden könnten, sprich: nichts zu
essen haben.
Eine Studie der John Hopkins University zeigte im Mai, dass in 118
Entwicklungs- und Schwellenländern bis zu 1,2 Millionen Kinder sterben
könnten, weil wegen der Krise viele Familien kaum Zugang zu
Gesundheitsvorsorge haben. Das sei allerdings keine Vorhersage, schreiben
die Autor*innen. Viele Leben können demnach gerettet werden, wenn
Gesundheitssysteme zugänglich bleiben; allein Zugang zur Geburtsmedizin
könnte Hunderttausende Frauen und Kinder retten.
Der ökonomische Einbruch ist also nicht das einzige Problem, sondern vor
allem die Frage, wie ihn verschiedene Länder managen und ob sie weiterhin
genug Mittel haben, Medizingüter zu kaufen. Und hier kommt wieder der IWF
ins Spiel: Der Fonds sitzt auf rund einer Billion Dollar, die er einsetzen
könnte, aber nur zum Teil einsetzen darf. Derzeit hat er 250 Milliarden
Dollar an Krediten und zum kleinen Teil Schuldenerlassen an ärmere Länder
[2][bewilligt]. Er könnte aber [3][viel mehr tun].
Während die Zentralbanken etwa in den USA oder der EU für Billionen Euro
oder Dollar Staatsanleihen kaufen und damit ihren Ländern helfen, die Krise
zu überwinden, verfügen ärmere Länder nicht über diese Möglichkeit. Sie
sind darauf angewiesen, in Krisenzeiten vom IWF sogenannte
Sonderziehungsrechte zu erhalten.
Dabei handelt es sich um eine Art Weltersatzwährung, die zwar nicht frei
handelbar ist, aber sich in Dollar, Euro oder andere Währungen umtauschen
lässt, mit denen auf den Weltmärkten wichtige Güter bezahlt werden. Güter,
die im Kampf gegen Covid-19 unabdingbar sind. Theoretisch könnte der IWF so
umgerechnet bis zu 500 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen, die nicht
zurückgezahlt werden müssen.
Dem müsste aber eine Mehrheit von 85 Prozent der Länder im
IWF-Steuerungsgremium zustimmen. Die USA haben als einziges Land ein
De-facto-Veto, weil sie als größter Geldgeber über 16,5 Prozent der
Stimmanteile verfügen. Laut mehrerer Berichte blockiert die
Trump-Administration aber diese Entscheidung. Die EU [4][ist dafür],
IWF-Generalsekretärin Kristalina Georgiewa sieht sogar einen Finanzbedarf
von umgerechnet 2,5 Billionen Dollar.
Das Charmante an der Lösung wäre, dass es sich bei den
Sonderziehungsrechten nicht um Steuergeld handelt. Die Sonderziehungsrechte
erhöhen die Geldmenge der Währung. Das könnte zwar zu Problemen wie
Inflation führen, allerdings nur theoretisch: Derzeit leider die Welt unter
einer Deflationsgefahr. Entwicklungsländer hätten also schlicht die
gleichen Möglichkeiten wie Industrieländer: billiges Geld, um zu helfen.
Übrigens würde eine Ausschüttung der Sonderziehungsrechte an alle Länder
gehen, auch an Deutschland. Die Regel könnte zwar geändert werden, aber
auch dafür gibt es offenbar keine Mehrheit: Die USA blockieren.
24 Jun 2020
## LINKS
[1] https://cepr.net/report/the-world-economy-needs-a-stimulus-imf-special-draw…
[2] https://www.imf.org/en/Topics/imf-and-covid19/COVID-Lending-Tracker
[3] /Ecuadors-Gesundheitswesen-am-Limit/!5680517
[4] https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2020/04/15/only-vic…
## AUTOREN
Ingo Arzt
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