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# taz.de -- Ausstellungsempfehlungen für Berlin: Wider die reine Vernunft
> Beate Scheder über Werk und Weisheit der jüngst verstorbenen Künstlerin
> Anna Blume und über zwei Berliner Ausstellungen, die Isolation spiegeln.
Bild: Anna Blume auf der Art Basel 2019 vor einem Teil der Serie „Im Wald (In…
Zum Beispiel die Serie „Im Wald“, wie sie im vergangenen Jahr die Buchmann
Galerie gemeinsam mit Peter Freeman auf der [1][Art Basel Unlimited]
zeigte: Großformatige, schwarz-weiße Aufnahmen, auf denen sich Anna &
Bernhard Blume selbst als brave Bürger präsentierten. Beim Anbeten von
Bäumen, Umarmen von Stämmen und Baumeln von Ästen. Mit zu Fratzen
verzogenen, höchstangestrengten Gesichtern. „Im Wald“ ist eine irrwitzige,
ironische Abarbeitung an der romantischen Verklärung des (deutschen)
Waldes, die gleichzeitig wiederum im scharfen Gegensatz zur Zerstörung der
Umwelt durch den Menschen steht.
Dafür waren die [2][Blumes] bekannt, für ihre stets komplett
selbstproduzierten Serien – inklusiver wilder Stunts –, in denen sie das
kleinbürgerliche Leben, den widersprüchlichen Zeitgeist der Leute von
Nebenan aufs Korn nahmen.
Jetzt ist nach Bernhard Blume im Jahr 2011 auch Anna Blume gestorben. Was
bleibt, ist ihre Kunst. Und Sätze ohne Verfallsdatum wie dieser: „Die reine
Vernunft ist als reine Vernunft ungenießbar“ – aus der Serie „Reine
Vernunft“ (1981). Anzusehen sind Installationsansichten von Arbeiten des
Duos auf der Website der Buchmann Galerie, ab Anfang September außerdem
ganz analog in der Gruppenausstellung [3][„Disturbance: Witch“] in der
Zitadelle Spandau.
## Zustand der Isolation
Für den Moment empfiehlt sich gerade unter anderem ein Besuch im
[4][Tschechischen Zentrum Berlin]. Nicht nur wegen der fantastischen
Brutalismus-Architektur des Baus – entworfen übrigens von Věra und Vladimír
Machonin –, sondern vor allem wegen der Malerei von [5][Manuel Stehli], die
dort bis Mitte September zu sehen ist: große und kleine Leinwände mit
leeren, abstrahierten, pastelligen Landschaften oder Architekturelementen
darauf und solche, die Personen, einzeln oder zu zweit abbilden, die
allesamt merkwürdig abwesend wirken.
Während des Lockdowns war es ja Edward Hoppers Malerei gewesen, in der
viele eine Illustration des aktuellen Lebensgefühls erkannten, in dem von
ihm malerisch festgehaltenen Zustand der inneren wie äußeren Isolation, der
Verlassenheit und Zurückgeworfenheit auf sich selbst.
Bei Stehli lässt sich Ähnliches entdecken, er ist sozusagen Hoppers
zeitgenössisches Pendant, nur tut er das auf andere, gedämpftere, noch
stärker eingekochte, noch unterkühltere Art und Weise. Auch fehlt auf den
Bildern des tschechisch-schweizerischen im Unterschied zu Hopper jeglicher
direkte Ortsbezug. Stehli lässt seine Protagonist*innen quasi im luftleeren
Raum gemeinsam einsam, in vertraut-seltsamen Posen verharrend abhängen.
## Nächtliche Emissionen
Im [6][Pavillon] am Rosa-Luxemburg-Platz hängen indes verschieden große,
leuchtendweiße Steppbettdecken von der Decke. Aude Pariset hat sie dort
aufgehängt und zuvor mit Fotos im Stau stehender Autos bedruckt. Kolonnen
von Autos sind es, auf der Autobahn, vielleicht im Urlaubsverkehr
aufgenommen. Träumt da etwa eine von den Zeiten, als man als Kind in eine
Decke eingehüllt, nächtens von den Eltern durch den Stau an
Sommerferienorte transportiert wurde? Vielleicht nicht nur.
Im Text zur Schau ist für alle, deren Französischkenntnisse ebenso
mangelhaft sind wie die meinigen, zu erfahren, dass der Titel „Émission
nocturnes“ auch eine Bezeichnung für nächtliche Samenergüsse ist. Was dann
vielleicht etwas spätere Sommerferienerinnerungen in den Sinn kommen lässt.
Und überhaupt eine gewisse Wehmut – fährt denn irgendwer überhaupt in die
Ferien in diesem Jahr? Das ist freilich auch eine gute Nachricht, zumindest
wenn man an die Emissionen denkt. Die Luftverunreinigungen, nicht die
menschlichen Ausscheidungen.
24 Jun 2020
## LINKS
[1] https://www.artbasel.com/catalog/artwork/85828/Anna-Bernhard-Blume-Im-Wald-…
[2] https://www.buchmanngalerie.com/artists/anna-&-bernhard-blume/works
[3] https://www.museumsportal-berlin.de/de/ausstellungen/disturbance-witch/
[4] http://berlin.czechcentres.cz/
[5] http://www.manuelstehli.com/
[6] https://www.volksbuehne.berlin/de/programm/10669/
## AUTOREN
Beate Scheder
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