Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Edén Pastora an Covid-19 gestorben: Nicaraguas Comandante Cero ist…
> Die Besetzung des Nationalpalasts in Managua 1978 machte Edén Pastora
> berühmt. Nun ist der kritische Politiker gestorben.
Bild: El comandante Cero, der Kommandant Null: Edén Pastora Gómez, hier im Ma…
Wien taz | Edén Pastoras Ruhm begann mit einer gefallenen Maske. Eine
Gruppe vermummter Guerilleros [1][nahm am 22. August 1978 den
Nationalpalast in Nicaraguas Hauptstadt Managua ein] und die dort tagenden
Abgeordneten als Geiseln. Diktator Anastasio Somoza musste eine halbe
Million Dollar Lösegeld zahlen und 80 politische Gefangene freilassen,
darunter den späteren Innenminister Tomás Borge.
Das Kommando hatte ein Haudegen, der sich in der sandinistischen Tradition
Comandante Cero – Kommandant Null – nannte. An seiner Seite Comandante Uno
und Comandante Dos. Als die erfolgreichen Geiselnehmer mit den
Freigelassenen das Flugzeug nach Panama bestiegen, lüftete Pastora als
Einziger die Maske und hob sein Sturmgewehr zur triumphalen Geste. Die
schwarze Baskenmütze und zwei Handgranaten am Revers komplettierten die
fotogene Erscheinung. Ein Mythos war geboren. Spötter mokierten sich über
„Comandante Kodak“.
Edén Atanacio Pastora Gómez war am 22. Januar 1937 in der nicaraguanischen
Kleinstadt Ciudad Darío zur Welt gekommen, vielleicht auch schon am 15.
November 1936. Somozas Nationalgarde tötete seinen Vater, als das Kind
zarte sieben Jahre zählte. Die Mutter musste Land verkaufen, um den Sohn in
die Schule schicken zu können.
Für den Heranwachsenden reifte der Kampf gegen die Diktatur zur fixen Idee.
Er schmiss eine medizinische Ausbildung in Mexiko und schloss sich 1962 der
eben gegründeten Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) an. Dreimal landete
er in Somozas Kerkern, bevor er sich zum Haifischfang ins benachbarte Costa
Rica zurückzog.
## Vom Guerillero zum Contra
Die Spaltung der FSLN in drei rivalisierende Tendenzen hatte ihn
desillusioniert. Das Studium marxistischer Texte und Debatten über
ideologische Spitzfindigkeiten waren nicht Pastoras Sache. Er war ein Mann
der Tat und als solchen holten ihn die alten Kameraden zurück, als sie den
Coup mit der Einnahme des Nationalpalastes planten.
Die erfolgreiche Operation beschleunigte den Volksaufstand gegen Somoza.
Keine elf Monate später übernahm eine revolutionäre Junta unter Daniel
Ortega die Macht. Der populäre Pastora wurde mit dem bedeutungslosen Posten
des Vizeverteidigungsministers abgefunden.
Schon 1981, als die Revolution noch Schwung hatte und sich großen Rückhalts
in der Bevölkerung erfreute, wetterte Pastora über die Privilegien der
Comandantes und den wachsenden kubanischen Einfluss. Er zog sich einmal
mehr nach Costa Rica zurück und trat ein Jahr später mit einer kleinen
Partisanengruppe den bewaffneten Kampf gegen die Sandinisten an.
1984 überlebte er ein Attentat während einer Pressekonferenz im Urwaldnest
La Penca am Grenzfluss Río San Juan. Sieben Personen, darunter drei
Journalisten, wurden von einer Bombe zerrissen. Bis zuletzt machte Pastora
den US-Geheimdienst CIA verantwortlich, der damals versuchte, den populären
Rebellen in eine Allianz mit rechtsextremen Konterrevolutionären zu
zwingen. Alle [2][Indizien] sprechen aber dafür, dass der damalige
Innenminister Tomás Borge und der kubanische Geheimdienst den Anschlag in
Auftrag gegeben hatten. Pastora gab den bewaffneten Kampf auf und gründete
eine Fischereigenossenschaft in Costa Rica.
## Versöhnung mit Daniel Ortega
Nach der Wahlschlappe der Sandinisten 1990 versuchte Pastora mehrmals das
politische Comeback, scheiterte aber zweimal kläglich bei
Präsidentschaftswahlen. Als Daniel Ortega 2007 die Wahlen gewann, kam es
zur Versöhnung, bei der wohl auch die wirtschaftlich prekäre Lage des alten
Opportunisten Pate stand. Für Pastora wurde ein Posten als
Generalbevollmächtigter der Region am Río San Juan geschaffen, die dessen
ökonomische Flaute beendete.
Sein Haus in Managua konnte man an der Yacht erkennen, die auf einem
Anhänger saß. Ortega beauftragte ihn mit Drainagearbeiten an der
Flussmündung, die zu einem [3][Grenzkonflikt mit Costa Rica] führten. Der
Internationale Gerichtshof entschied zugunsten Costa Ricas.
In den letzten Jahren wurde es still um den Veteranen, dessen schlohweißes
Haar immer sorgfältig geföhnt wirkte. Obwohl er für sich herausnahm, auch
offen Kritik am Regime üben zu dürfen, verteidigte er vor zwei Jahren die
blutige Niederschlagung eines von Studenten ausgelösten Aufstandes. „In
Nicaragua darf man alles, außer Chaos erzeugen“, sagte er damals in einem
Interview. Das gewaltsame Durchgreifen der Polizei sei gerechtfertigt.
„Die Legende wächst und Edén Pastora ist heute im ewigen Heldenhimmel
wiedergeboren“, verkündete Vizepräsidentin Rosario Murillo mit gewohntem
Pathos am Dienstag, als Pastoras Tod in einem Krankenhaus in Managua
bekannt gegeben wurde. In einem Land, wo das Regime die Corona-Pandemie
leugnet, trug das Militärspital von Managua als Todesursache akutes
„Lungenversagen“ ein.
17 Jun 2020
## LINKS
[1] /!200709
[2] /!1602802
[3] /!5129019
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Nicaragua
Sandinisten
Asylsuchende
Nicaragua
## ARTIKEL ZUM THEMA
Schwierige Solidarität mit Nicaragua: Gegen die Wand reden
Die umgestülpte Geschichte: Geflohene Nicaraguaner bekommen Hilfe von
Gruppen, die einst die Revolution des heutigen Diktators unterstützten.
Gesetz gegen Opposition in Nicaragua: Alles Vaterlandsverräter
Mit einem neuen Gesetz stellt Nicaraguas autoritärer Machthaber Daniel
Ortega de facto jede Opposition unter Strafe – und gängelt die
Zivilgesellschaft.
Flusstourismus in Nicaragua: Fluss der Hoffnung
Konquistadoren, Goldsucher, Revolutionäre schipperten einst den Río San
Juan herunter. Heute befahren Touristen den Fluss zwischen Nicaragua und
dem reicheren Costa Rica.
Grenzstreit in Zentralamerika: Alarm wegen 2,7 Quadratkilometern
Nicaragua und Costa Rica nutzen einen absurden Grenzstreit für andere
Ziele: als Hintergrundmusik für den Wahlkampf und für die Aufrüstung eines
entmilitarisierten Staats.
Aus Le Monde diplomatique: Es war einmal in Nicaragua
Am 19. Juli 1979 endete in Nicaragua die Diktatur der Familiendynastie
Somoza, die über 40 Jahre das Land beherrscht hatte. Die Aufständischen
unter Daniel Ortega übernahmen die Macht. Ein Bericht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.