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# taz.de -- Wer stand hinter dem Attentat auf Pastora?
> 1984 bewegte ein Attentat in Nicaragua die Welt. Die CIA schien
> beteiligt. Die Wahrheit ist anders.  ■ Von Bernd Pickert
Am 30. Mai 1984 fand im Urwald Mittelamerikas, im unwegsamen Grenzgebiet
zwischen Nicaragua und Costa Rica, eine Pressekonferenz statt. Eingeladen
hatte der legendäre „Comandante Zero“, der Guerilla-Kämpfer Edén Pastora.
In den siebziger Jahren hatte er als Mitglied der Sandinistischen
Befreiungsfront (FSLN) zu den Anführern des nicaraguanischen
Volksaufstandes gehört, war ein Jahr lang stellvertretender
Verteidigungsminister gewesen und hatte sich dann von seinen alten Genossen
losgesagt und den bewaffneten Kampf gegen die sandinistische Regierung
aufgenommen.
Pastoras Contra-Organisation „Arde“ operierte von Costa Rica aus und
durchlebte in jenen Tagen des Jahres 1984 stürmische Zeiten. Ebenso wie die
im Norden von Honduras aus gegen das sandinistische Nicaragua kämpfende
FDN- Contra wurde Arde von der US- amerikanischen CIA finanziert. Während
jedoch die FDN überwiegend von alten Offizieren aus der zerschlagenen
Nationalgarde des nicaraguanischen Diktators Somoza geführt wurde, für die
Reagan-Administration zuverlässige Bündnispartner, galt Pastora als
Querkopf. Die CIA stellte Pastora ein Ultimatum: Entweder vereinige sich
die Arde mit der FDN, oder die Zahlungen würden eingestellt. Pastora wollte
davon nichts wissen.
Am Abend des 30.Mai trafen etwa zwei Dutzend Journalisten nach einer
beschwerlichen Reise per Jeep und Boot unter Führung von Arde-Leuten in
Pastoras Guerilla-Lager La Penca ein, darunter viele ausländische Reporter
aus Europa und den Vereinigten Staaten. Unter ihnen auch einer, der sich
als Per Anker Hansen vorstellte und vorgab, dänischer Fotograf zu sein.
Um 19.20Uhr explodierte in der kleinen Hütte des Lagers, wo Pastora auf die
Fragen der Journalisten antwortete, eine Bombe. Pastora und mehr als ein
Dutzend Journalisten wurden verletzt, drei Journalisten und zwei
Arde-Kämpfer starben. Unter den Verletzten war auch der US-amerikanische
Journalist Tony Avirgan, der seinerzeit für den Fernsehkanal ABC arbeitete.
Avirgan und seine Frau Martha Honey recherchierten neun Jahre lang, um die
Hintergründe des Attentats aufzuklären. Bereits 1986, nach eineinhalb
Jahren Spurensuche, veröffentlichten sie ein Buch. Ihr Ergebnis damals: Die
Bombe war vom angeblichen „Per Anker Hansen“ in einem mit Doppelboden
ausgestatteten metallenen Kamerakoffer ins Lager gebracht worden. „Hansen“
hatte sich kurz aus der Hütte entfernt – angeblich, weil er Probleme mit
seiner Kamera hatte – und die Bombe von draußen ferngezündet.
Avirgan/Honey ermittelten damals die Identität des „Hansen“ als die eines
gewissen „Amac Galil“, eines rechtsextremen Libanesen. Die Auftraggeber und
Hintermänner konnten die Journalisten nicht zweifelsfrei feststellen.
Feinde hatte Pastora überall – innerhalb der Linken wie der Rechten. Die
Sandinisten erklärten, sie hätten mit dem Attentat nichts zu tun; hätten
sie Pastora umbringen wollen, wäre das sauber und ohne verletzte
Journalisten abgegangen.
Als Avirgan und Honey dann bei ihren Recherchen immer wieder auf neue
Schwierigkeiten stießen und dabei auch aufdeckten, daß sowohl die
costaricanischen als auch die US-amerikanischen Behörden, die CIA wie die
Contra- Offiziellen alles getan hatten, um Falschinformationen an die
Öffentlichkeit gelangen zu lassen, Beweise zu fälschen und Spuren zu
vertuschen, war ihre Schlußfolgerung eindeutig: „Das Attentat wurde von
rechten Kreisen mit dem Ziel geplant, den Verdacht auf die Sandinisten zu
lenken.“
Alle Spuren wiesen nach Washington, zumal Iran-Contra- Skandalist Oliver
North nur wenige Tage vor dem Attentat zu geheimen Sitzungen nach Costa
Rica geflogen war. Auch Edén Pastora selbst sah die CIA als Auftraggeberin
des Mordanschlages. Alles schien darauf hinzudeuten, daß der Quertreiber
Pastora hatte aus dem Weg geräumt werden sollen. – Tony Avirgan und Martha
Honey recherchierten weiter. Vor einigen Tagen nun gaben sie ihre neuesten
Erkenntnisse bekannt, die die US- amerikanische Solidaritätsszene in helle
Aufregung versetzte: Der Attentäter war zweifelsfrei jener „Hansen“ alias
„Amac Galil“. Sein wahrer Name jedoch ist Vital Roberto Gaguine, Mitglied
des argentinischen „Revolutionären Volksheeres“ (ERP). Diese militante
trotzkistische Gruppe hatte in Nicaragua eine kleine Zelle, die von der
sandinistischen Regierung geduldet war und dort militärische Ausbildung
erhielt.
Spuren zu den Sandinisten gibt es mehr als nur die Anwesenheit „Hansens“ in
Nicaragua. Der schwedische Fernseh-Journalist Peter Torbiornsson, der
ebenfalls verletzt worden war, hatte seinerzeit dem angeblichen Fotografen
„Hansen“ die Mitreise zur Pressekonferenz ermöglicht. Jahrelang hatte
Torbiornsson behauptet, er habe „Hansen“ erst wenige Tage zuvor in San José
kennengelernt. Erst vor einigen Monaten gab Torbiornsson zu, „Hansen“ schon
lange vorher in Managua gesehen zu haben, delikaterweise bei einer Party,
an der auch hohe Offiziere der nicaraguanischen Staatssicherheit
teilnahmen.
FSLN-Sympathisant Torbiornsson hatte schon eine Zeitlang Filmaufnahmen aus
Contra-Lagern an das nicaraguanische Innenministerium weitergeleitet. Als
„Hansen“ ihn nun in San José auf die Möglichkeit zur Mitreise nach La Pen…
ansprach, hielt Torbiornsson das für eine Operation des nicaraguanischen
Geheimdienstes und willigte gerne ein.
Es gibt also, soviel ist eindeutig, Verbindungen des Attentäters von La
Penca zu den Sandinisten – was diese stets bestritten hatten. Ob er in
sandinistischem Auftrag handelte, dazu kann Gaguine – „Hansen“ – selbst
nichts mehr sagen. Er kam im Januar 1989 ums Leben, als ERP-Mitglieder
einen Angriff auf die Militärkaserne von La Tablada in der Nähe der
argentinischen Hauptstadt Buenos Aires durchführten.
Vielleicht hatte Edén Pastora doch recht, als er noch am Krankenbett nach
dem Attentat Pressefotos von „Hansen“ sah: „Ich glaube, ich kenne diesen
Mann. Er könnte zur Angriffsgruppe gegen Somoza gehört haben.“ Eine gruppe
linker Argentinier hatte den vertriebenen Diktator Somoza 1980 im Exil in
Paraguay ermordet – vermutlich mit Unterstützung des sandinistischen
Verteidigungsministeriums, dem Pastora damals noch angehörte.
Mittlerweile blühen die Spekulationen fast wie nach dem Kennedy-Mord. Viele
neue Theorien versuchen, Gaguine doch als CIA- Agenten zu entlarven, andere
sehen ihn als Spitzel der argentinischen Militärs. Nach Recherchen Avirgans
hat sich zudem die Gruppe um Gaguine schon seit 1980 für Attentate anheuern
lassen, um Geld für ihre eigenen Aktivitäten aufzutreiben. Von wem also
hatte Gaguine den Auftrag erhalten?
„Wie auch immer“, schreibt Tony Avirgan in seinem kürzlich in den USA
veröffentlichten Artikel, „wirft die Kenntnis um die Identität des
Attentäters mehr Fragen auf als sie beantwortet.“ So ist nunmehr die
sandinistische Führung gefordert, offenzulegen, welcher Art der Kontakt zu
Gaguine und seiner terroristischen Zelle war, als diese noch in Nicaragua
ihren Sitz hatte.
Als Avirgan und Honey die Fakten noch vor der Veröffentlichung Daniel
Ortega präsentierten, wurden sie rasch abgewimmelt – entgegen der sonst
entgegengebrachten Bereitschaft zur Mithilfe. Gespräche mit den
Sicherheitsoffizieren, die damals mit Gaguine zusammen gesehen wurden,
kamen nie zustande. Ein von Daniel Ortega versprochener Bericht über die
interne Nachprüfung liegt bis heute nicht vor.
Die Veröffentlichung der neuen Fakten trifft die Sandinisten und die
Regierung Violeta Chamorros in einem kritischen Moment. Erst am 23.Mai war
in Managua wahrscheinlich durch einen Unfall ein geheimes Waffenlager
explodiert. Kontakte zur baskischen ETA wurden vermutet, schließlich gab
eine Fraktion der salvadorianischen FMLN zu, das Depot angelegt zu haben.
Dort waren neben zahlreichen Kriegswaffen auch gefälschte Pässe und eine
„schwarze Liste“ mit möglichen Attentatszielen in ganz Lateinamerika
entdeckt worden.
Die nicaraguanische Regierung geriet unter Druck. Armee und Polizei, nach
wie vor unter sandinistischer Führung, müßten von der Existenz dieses
Depots gewußt haben, so der Vorwurf. Das gab politische Nahrung für die
nicaraguanische Ultra-Rechte und ihre Verbündeten im US-Senat. Die hatten
es bereits im letzten Jahr geschafft, die US-Hilfe für Nicaragua wegen des
„zu großen Einflusses der Sandinisten in der Regierung“ einfrieren zu
lassen. Erst der Regierungswechsel in den USA hatte diesen Stopp
durchbrochen.
Nun aber, wo Nicaragua in den Verdacht geriet, „noch immer als
internationale Terrorzentrale“ (Der Spiegel) zu fungieren, kostete es die
Rechten um Senator Jesse Helms ein Lächeln, die Hilfe prompt erneut
aussetzen zu lassen – eine Katastrophe für das wirtschaftlich am Boden
liegende zentralamerikanische Land und die Regierung von Präsidentin
Violeta Chamorro.
Dem Journalistenehepaar Avirgan und Honey, beide erklärte Sympathisanten
der sandinistischen Revolution, ist nicht wohl bei dem Gedanken, der
Rechten mit ihrer Recherche weitere Munition zu liefern. Tony Avirgan
hofft, daß die FSLN-Führung endlich ihre Rolle in der Geschichte erklärt,
„denn ich möchte mich nicht mit denen streiten, die so hart unter der
US-Aggression gelitten haben“.
Bis heute aber steht eine Erklärung aus. Jene Bombe, die im Jahr 1984 im
nicaraguanisch-costaricanischen Urwald fünf Menschen tötete, ist neun Jahre
später noch sehr scharf.
27 Aug 1993
## AUTOREN
berned pickert
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