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# taz.de -- Streit um Gedenken an Ex-OB: Wer war Arthur Menge?
> Hannovers Oberbürgermeister Arthur Menge kollaborierte mit den Nazis.
> Später schloss er sich dem Widerstand an. Jetzt gibt es Streit um sein
> Grab.
Bild: Mit dem Straßennamen hat bisher niemand ein Problem, mit den Kosten für…
Hannover taz | Als Arthur Menge vor genau 76 Jahren, am 21. Juli 1944, in
Bad Kissingen verhaftet wurde, war er schon nicht mehr Oberbürgermeister
von Hannover, sondern bei einer Versicherungsgesellschaft untergeschlüpft.
Doch die Widerständler um Stauffenberg hatten ihn für einen höheren
Verwaltungsposten auserkoren. Zu drei Jahren Zuchthaus in Berlin-Moabit
verurteilte ihn der berüchtigte Volksgerichtshof deswegen.
Doch für eine ungebrochene Heldengeschichte taugt Arthur Menge – [1][wie
andere Widerständler des 20. Juli] – nicht. Deshalb ringen in Hannover
Politik und Verwaltung darum, wie man mit dem Gedenken an Menge umgeht.
Soll die Stadt seine Grabstätte auf dem Engesohder Friedhof zur
„bedeutenden Grabstätte“ erklären oder nicht?
Menge war schon im Amt, als die Nazis an die Macht kamen und setzte alles
daran, es zu bleiben. Die Verbannung jüdischer Autoren aus den
Bibliotheken, der Vergabestopp für städtische Aufträge, die Entfernung
jüdischer Mitarbeiter aus der Stadtverwaltung – all dies wurde unter Menge
zügig und gründlich umgesetzt.
Gleichzeitig soll es einzelne Juden gegeben haben, über die er die Hand
hielt, schreibt der Historiker Waldemar Röhrbein. Den Nazis soll er auch
aus anderen Gründen suspekt gewesen sein: zu bürgerlich, zu liberal, zu
gern in Gehrock und Zylinder unterwegs statt in Uniform.
## Eine ambivalente Figur
Auf der anderen Seite wird Menge als förderndes Mitglied der SS geführt.
Dazu brauchte es allerdings nicht viel, erläuterte Karljosef Kreter, der
Leiter des städtischen Teams Erinnerungskultur der Hannoverschen
Allgemeinen (HAZ), [2][die den Fall gründlich aufgearbeitet hat.]
Möglicherweise hat er hier eine kleine Spende getätigt, um so die mangelnde
Parteimitgliedschaft in der NSDAP zu kompensieren. Menge gehörte zu den
Nationalkonservativen und war für die Deutsch-Hannoversche Partei (DHP)
angetreten.
Das Team Erinnerungskultur unterstützt den Antrag der Stadtverwaltung auf
eine Anerkennung als „bedeutende Grabstätte“ – wobei dies nicht zu
verwechseln ist mit einem städtischen Ehrengrab. Ein solches hatten wohl
die Nachkommen Menges beantragt, aber aufgrund der NS-Verstrickungen ist
dies praktisch ausgeschlossen.
Die Anerkennung als „bedeutende Grabstätte“ ist sozusagen eine Stufe
drunter: Hier übernimmt die Stadt den Erhalt und die Pflege der Grabstätte,
damit sie als Zeitzeugnis nicht verloren geht oder gar eingeebnet wird.
Aber im Gegensatz zum Ehrengrab wird sie nicht mit neuen Blumen bepflanzt
oder Ehrungen bedacht.
Das ist eine Konstruktion, die man 2015 ersonnen hat, um eine ähnliche
Debatte zu beenden. Damals ging es um den ehemaligen Ministerpräsidenten
Hinrich Wilhelm Kopf, dessen Grabstätte per Ratsbeschluss „herabgestuft“
wurde. Dazu schuf der Rat eine eigene Satzung für die rund 70 Ehrengräber.
Kopf hatte sich in der NS-Zeit als Vermögensverwalter im besetzten Polen
bereichert. Auch den Platz vor dem Landtag benannte der Rat damals lieber
in Hannah-Arendt-Platz um.
Über eine Umbenennung des Arthur-Menge-Ufers an der Nordseite des Maschsees
wird nicht diskutiert. Dabei werden solche Debatten in Hannover in
regelmäßigen Abständen geführt. Ein städtischer Beirat hat sich ab 2014
über mehrere Jahre hinweg mit der Überprüfung von 600 Straßennamen,
Ehrenbürgerschaften und Ehrengräbern befasst.
## Entscheidung nach der Sommerpause
In diesem Fall geht es erst einmal nur um die Grabstätte. 300 Euro pro Jahr
soll der Erhalt kosten. Befürworter verweisen auf die Verdienste Menges für
die Stadt: In seine Amtszeit fielen der Bau des Maschsees und des
Lönsparks, sowie die Rekommunalisierung der Herrenhäuser Gärten – von
Orten, die die Stadt bis heute prägen.
Für eine differenzierte Auseinandersetzung könnte ja eine entsprechende
Tafel an der Grabstätte sorgen, argumentieren die Befürworter der
städtischen Grabpflege. Andere – die HAZ zitiert unter anderem den ersten
Stellvertreter des Oberbürgermeisters, Bürgermeister Thomas Hermann (SPD) –
finden eine solche Kostenübernahme [3][gerade jetzt instinkt- und
geschmacklos].
Der zuständige Bezirksrat Südstadt-Bult, in dessen Gebiet der mehr als 150
Jahre alte Stadtfriedhof liegt, votierte gegen die Aufwertung der
Grabstätte. Entscheiden muss aber letztlich der Rat der Stadt. Dessen
Umweltausschuss verwies die Angelegenheit schon einmal gleich an den
Kulturausschuss. Eine Entscheidung wird es erst nach der Sommerpause geben.
26 Jul 2020
## LINKS
[1] /75-Jahre-Attentat-auf-Adolf-Hitler/!5607271/
[2] https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Hannover-Streit-um-Grab-von-Ex-OB…
[3] /Debatte-um-Zeugnisse-des-Kolonialismus/!5695337/
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
NS-Gedenken
Adolf Hitler
Hannover
Schwerpunkt Nationalsozialismus
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Gedenken
Kolumne Der rote Faden
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
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