# taz.de -- Finanzhilfen in der Corona-Krise: Betrug und Irrtum | |
> Behörden gehen tausenden Verdachtsfällen auf Subventionsbetrug nach. | |
> Nicht in jedem Fall scheint der Vorwurf gerechtfertigt. | |
Bild: Die IBB gen Feierabend – 246.000 Anträge von Soloselbstständigen und … | |
BERLIN taz | Nachdem in der [1][Coronakrise] Hilfen für Selbstständige und | |
kleine Firmen ausgezahlt wurden, beginnen die Behörden nun zu überprüfen, | |
ob es dabei immer mit rechten Dingen zuging. Der Berliner Rechtsanwalt | |
Benedikt Mick vertritt einige Mandant*innen, die erst Zuschüsse von der | |
öffentlichen Investitionsbank Berlin (IBB) erhielten – und kürzlich | |
Schreiben von der Staatsanwaltschaft. Deren Vermutung: möglicher Betrug. | |
„Die Leute geraten in Verdacht, obwohl sie die Hilfen guten Gewissens | |
beantragt haben“, sagte Mick. „Sie hatten beispielsweise befürchtetet, dass | |
ihr Umsatz komplett wegbrechen würde – was dann eben teilweise nicht der | |
Fall war.“ Ein Betrugsvorsatz liege dabei nicht vor. „Sie werden unnötig | |
kriminalisiert“, so Mick. | |
Viele der weniger dramatischen Fälle können wohl abseits der Justiz geklärt | |
werden. So haben die Förderbanken die Empfänger*innen der Zuschüsse | |
gebeten, selbst zu überprüfen, [2][ob sie das Geld tatsächlich brauchten.] | |
Wenn nicht, sollten die Betroffenen das Geld einfach zurückzuschicken. Fast | |
16.000 Rücküberweisungen über insgesamt 105 Millionen Euro seien bei der | |
IBB schon eingegangen, sagte deren Sprecher Uwe Sachs unlängst. | |
Die Rückforderungen richten sich unter anderem an Betriebe, deren Geschäft | |
trotz Corona auf niedrigerem Niveau weiterlief – entgegen den Befürchtungen | |
vom März. Oder an solche Firmen, die einen Teil des Geldes | |
irrtümlicherweise für den persönlichen Lebensunterhalt der Chef*innen | |
verwendeten, anstatt nur für die Betriebsausgaben. Solche Konstellationen | |
würden eher nicht zu Strafverfahren führen, heißt es bei der | |
Generalstaatsanwaltschaft Berlin. | |
In nordrhein-Westfalen haben sich hunderte Unternehmer*innen in sozialen | |
Netzwerken organisiert, um gegen die Rückforderung der Zuschüsse durch die | |
Landesbehörden zu protestieren. Zumindest einen Teil der Hilfen hätten sie | |
zu Recht bekommen, meinen die Betroffenen. | |
## Täglich mehr als zehn neue Verfahren | |
Vieles dürfte sich auch klären, wenn die Firmen nächstes Jahr ihre | |
Steuererklärung für 2020 abgeben. Dann werden die Finanzämter | |
ungerechtfertigte Zuschüsse zurückfordern. | |
Die Fälle, in denen Kleinunternehmen und Selbstständige unbeabsichtigt zu | |
viel Geld empfingen, sind aber nur eine Seite des Spektrums. | |
Auf der anderen Seite stehen Fälle wie dieser: Ein selbstständiger | |
Gebäudereiniger wurde gerade in Berlin zu einem Jahr und sieben Monate Haft | |
auf Bewährung verurteilt, weil er bei der IBB Zuschüsse für fünf nicht | |
existierende Betriebe beantragt hatte. 21.500 Euro gingen auf seinen Konten | |
ein. Subventionsbetrug. | |
Bundesweit werden solche Fälle derzeit überprüft. Es geht um mehrere | |
tausend Fälle und potenzielle Schäden in Höhe von dutzenden Millionen Euro. | |
Die Staatsanwält*innen der Hauptstadt betrieben schon Anfang Juli 720 | |
Verfahren. „Täglich kommen über zehn neue hinzu“, sagte Sprecher Martin | |
Steltner. Bisher belaufe sich der bekannte Schaden auf etwa 5,6 Millionen | |
Euro. | |
## Erfundene Firmen | |
Manche der Beschuldigten erfanden wohl Betriebe, die es nicht gab. Andere | |
sollen Hilfsgelder für Karteileichen ohne Geschäftstätigkeit beantragt | |
haben. Eine weitere Masche bestand darin, in mehreren Bundesländern | |
Zuschüsse für Niederlassungen derselben Firma zu ergattern. | |
Die Förderbanken, Landeskriminalämter und Staatsanwaltschaften kommen den | |
Missetätern nun auf die Spur, weil sie etwa Hinweise von den Hausbanken der | |
Betriebe erhalten. Verdächtig erscheinen den Banken etwa tote Konten ohne | |
Zahlungsverkehr, auf denen plötzlich der Corona-Zuschuss einging. | |
Die IBB erklärte kürzlich, sie habe für die rund 246.000 Anträge von | |
Soloselbstständigen und Kleinfirmen inzwischen einen kompletten | |
Datenabgleich mit den Berliner Finanzämtern durchgeführt. Danach | |
„verbleiben etwa 1.400 Anträge mit Auffälligkeiten, die die IBB einer | |
individuellen Prüfung unterziehen wird.“ Bisher hat die Förderbank rund 50 | |
Strafanzeigen erstattet. | |
22 Jul 2020 | |
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## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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