| # taz.de -- Umstrittener Staudamm in Hasankeyf: Türkei ignoriert kulturelles E… | |
| > Wegen eines Staudamms im kurdischen Hasankeyf mussten 100.000 Menschen | |
| > umsiedeln. Baudenkmäler wurden versenkt – trotz internationaler Kritik. | |
| Bild: Nur wenige Denkmäler wurden vor der Flutung gerettet: etwa dieses jahrta… | |
| Hasankeyf ist eine der ältesten dauerhaft besiedelten Städte der Welt. | |
| Assyrer, Perser, Griechen, Römer, Abbasiden, Byzantiner, Seldschuken, | |
| Ayyubiden, Artukiden, Ummayaden, Osmanen und Marwaniden haben ihre Spuren | |
| in Hasankeyf hinterlassen. | |
| Etwa [1][12.000 Jahre alt ist Hasankeyf] und nicht annähernd erforscht. | |
| Hasankeyf liegt am Tigris, an der Seidenstraße und mitten in Kurdistan. Ein | |
| Antrag bei der Unesco auf Weltkulturerbestatus hat die Türkei nie | |
| eingereicht. | |
| Stattdessen hat die Türkei einen Staudamm bauen lassen, die | |
| Felsenwohnungen, in denen seit Tausenden von Jahren Menschen leben, | |
| gesprengt, ein paar wenige Baudenkmäler versetzt und die Stadt überflutet. | |
| Dabei weiß man von anderen Mega-Staudamm-Projekten, dass sie oft ökologisch | |
| (Erdrutsche, Erosion der Böden) und wirtschaftlich (hohe Kosten, | |
| Folgeschäden) ein Desaster sind. | |
| Bis zu 100.000 Menschen verloren durch den Staudamm ihre Heimat, ihre Jobs | |
| und wurden zum Teil zwangsumgesiedelt. Zwar bekamen sie eine Entschädigung | |
| – um ein Haus im von der staatlichen Wohnungsbaubehörde errichteten | |
| „Neu-Hasankeyf“ zu kaufen, reicht die jedoch nicht. Die Häuser dort sind | |
| betongrau, klotzig – hässlich. | |
| Den internationalen Protest gegen den Staudamm hat die Türkei ignoriert, | |
| den Protest der kurdischen Bevölkerung vor Ort kriminalisiert. Womöglich | |
| ist ihrer Ansicht nach der Protest gegen einen Staudamm nichts anderes als | |
| PKK-Terrorismus. Die Protestierenden argumentierten, im historischen | |
| Hasankeyf könne man höhere Gewinne durch Tourismus erzielen, als durch den | |
| vom Staudamm erzeugten Strom. | |
| ## Gezielte Zerstörung | |
| Warum der Staudamm trotzdem kam, liegt auch daran, dass sich Hasankeyf in | |
| Kurdistan befindet und die Türkei ihre Interessen oft über die der | |
| kurdischen Bevölkerung stellte. Hasankeyf ist dabei nicht nur kurdisches | |
| Wahrzeichen, sondern zeugt auch von vorislamischen Kulturen, von | |
| Armenier*innen und Assyrer*innen, die dort lebten und 1915 [2][während des | |
| Genozides] ermordet und vertrieben wurden. Die Zerstörung ist gezielt. | |
| Außerdem kann die Türkei mit dem Staudamm die Wasserzufuhr nach Irak und | |
| Syrien kontrollieren. Davon sind auch die kurdischen Siedlungsgebiete, wie | |
| das Unesco-Weltkulturerbe Mesopotamische Sümpfe betroffen. Krieg mit dem | |
| Wasser führt die Türkei bereits in Nordostsyrien und dreht der dortigen | |
| Bevölkerung immer wieder das Wasser ab. | |
| Jüngst startete die Türkei eine Tourismuskampagne unter dem Hashtag | |
| #SaveTourismTurkey, während gleichzeitig verkündet wurde, dass die ehemals | |
| byzantinische Kirche Hagia Sophia in Istanbul nun nicht mehr als Museum, | |
| sondern als Moschee dienen soll, in einem Land, das einen Genozid an seiner | |
| christlichen Bevölkerung verübt hat. | |
| Abgesehen davon, dass es bessere Urlaubsziele gibt, als ein Land, dass auf | |
| der Auslöschung und Diskriminierung von Minderheiten gründet und diese | |
| Tradition fleißig weiter pflegt, als islamofaschistischer Staat mit einem | |
| [3][Wannabe-Sultan an der Spitze], der völkerrechtswidrig in seine | |
| Nachbarländer einmarschiert, ist es für Tourismus nicht gerade förderlich, | |
| Kulturdenkmäler zu zerstören. | |
| 14 Jul 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Serie-Was-von-2019-bleibt/!5653166 | |
| [2] /Jahrestag-Genozid-an-Armenierinnen/!5677244 | |
| [3] /Umwidmung-der-Hagia-Sophia/!5694696 | |
| ## AUTOREN | |
| Ronya Othmann | |
| ## TAGS | |
| Kolumne Orient Express | |
| Türkei | |
| Kurdistan | |
| Genozid | |
| Unesco-Kulturerbe | |
| Staudamm | |
| Tourismus | |
| Kolumne Orient Express | |
| Kolumne Orient Express | |
| Kolumne Orient Express | |
| taz.gazete | |
| Irak | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Genozid an Jesiden: Niemals Normalität | |
| Die Bedrohung gegen die jesidische Gemeinschaft dauert an. Auch wenn die | |
| Aufarbeitung sechs Jahre nach Shingal endlich begonnen hat. | |
| Personalie im Außenministerium: Über den Gartenzaun hinaus | |
| Der Blick in die Vergangenheit hilft. So passieren bestimmte Fehler nicht, | |
| wie die Berufung einer fragwürdigen Mitarbeiterin ins Außenministerium. | |
| Falsche Solidarität in der Türkei: Nicht nur in den USA | |
| Der türkische Präsident verurteilt die rassistische Tat von Minneapolis. | |
| Wäre sein Antirassismus ernst gemeint, würde er im eigenen Land aufräumen. | |
| Serie: Was von 2019 bleibt: Der Untergang von Hasankeyf | |
| Die antike Siedlung Hasankeyf ist 12.000 Jahre alt. Weil die AKP dort einen | |
| Staudamm gebaut hat, versinkt sie bald in den Gewässern des Tigris. | |
| Abstimmung über Unabhängigkeit: Kalter Wind in Kurdistan | |
| Ein eigener Staat für die Kurden? Der Nordirak will über die Unabhängigkeit | |
| abstimmen. Verhindern will das nicht nur die Zentralregierung in Bagdad. |