# taz.de -- Journalistische Angebote für junge Leute: Keine Zeit für Experime… | |
> Vor knapp fünf Jahren gingen Formate wie „Bento“ und „Ze.tt“ an den | |
> Start. Jetzt naht bei vielen das Ende. Ist allein Corona daran schuld? | |
Bild: Jahrelang arbeitete die „Bento“-Redaktion im Erdgeschoss des „Spieg… | |
HAMBURG taz | „Zeit für etwas Frisches“ – mit diesen Worten gab der | |
damalige Spiegel-Online-Chefredakteur Florian Harms 2015 den Startschuss | |
für „das neue Angebot für junge Leute“ aus seinem Haus: Bento war geboren. | |
Die Neuen bezogen einen eigenen Newsroom, maximal getrennt von ihren | |
älteren Kolleginnen und Kollegen.Die einen pflasterten vom Dachgeschoss aus | |
das Internet zu, die anderen begannen, sich im Erdgeschoss auszutoben. | |
Es war die Zeit, in der Verlage viel probierten, um weiteres Publikum für | |
sich und vor allem auch für die eigenen Werbekunden zu gewinnen. Bei dem | |
Aufbruch ging es nicht zuletzt darum, die nächste Generation an etablierte | |
Häuser zu binden. | |
Wenige Monate vor Bento [1][hatte bereits Zeit Online einen Ableger | |
gestartet]. „Es ist ein Ze.tt“, bloggte Jochen Wegner, der Chefredakteur | |
von Zeit Online. Das neue Team, sagte er damals im Interview, solle „ein | |
bisschen rumspielen, uns auch ärgern“. Der Verlag spendierte Ze.tt sogar | |
eigene Räume mehrere U-Bahn-Stationen entfernt, um möglichst unabhängig | |
wirken zu können. | |
Der Start dieser Portale war auch eine Reaktion auf einen Eindringling im | |
hiesigen Medienmarkt. Schon 2014 legte die deutsche Version von Buzzfeed | |
los, das konsequent – wie kein Portal hierzulande – auch für Spaß sorgte. | |
Die eigene Homepage war von Beginn an ein beiläufiges Produkt. Kern der | |
Sache sollte vielmehr sein, Menschen über soziale Netzwerke zu erreichen. | |
Damals war dieser Schwerpunkt originell. | |
Das Coronavirus, das auch eine Wirtschaftskrise ausgelöst hat, bringt nun | |
die Projekte ins Wanken. Die Redaktion von Buzzfeed ist größtenteils in | |
Kurzarbeit, arbeitet nur einen Tag pro Woche. Die Zentrale in den USA | |
versucht, [2][die deutsche Redaktion zu verkaufen]. Ze.tt schlüpft bei Zeit | |
Online als Ressort unter. [3][Bento verschwindet ganz.] | |
## Die Anzeigen-Krise | |
Den kleinen und großen Nachrichtenmarken, Zeitungshäuser wie Onlineportale, | |
sind die Werbeeinnahmen weggebrochen. Bei Tageszeitungen haben auch | |
Stammkunden ihre Abos gekündigt. Vor allem Unternehmen versuchen, das Geld | |
zusammenzuhalten. Das alles trifft viele Häuser schwer, die nicht das | |
Privileg der Beitragsfinanzierung haben oder wie die taz von einer | |
Genossenschaft getragen werden, die wie ein Schutzschirm wirkt. | |
Andererseits melden erste Medienhäuser auch Zuversicht. Der Zeit-Verlag | |
berichtet etwa von „ordentlichen Zuwächsen“ bei Abos, in der Auflage und | |
auch der Reichweite im ersten halben Jahr. Im Anzeigengeschäft habe es zwar | |
„coronabedingt deutliche Einbußen“ gegeben. Für die nächsten Monate sei … | |
aber wieder „vorsichtig optimistisch“. | |
Während der Verlag nicht nur im Vertrieb, in der Anzeigenakquise und in der | |
Organisation von Konferenzen, die vor Corona in vielen Häusern als | |
vermeintlicher Zukunftsmarkt ausgebaut wurden, auch in der Printredaktion | |
„in geringem Maße“ Kurzarbeit eingeführt habe, sei zumindest die | |
Printredaktion wieder bei „100 Prozent“. Trotzdem fallen beim Zeit-Magazin | |
fast alle Regionalausgaben weg. Andere Ableger verschieben sich: das | |
Magazin speziell für Männer, die internationale Ausgabe und der noch neue | |
Ableger, der sich an Menschen im Ausland richtet, die mit dem Gedanken | |
spielen, in Deutschland zu studieren. | |
Das eigene Geschäft beschnitten hatte mit dem Aufkommen der Coronakrise | |
auch die FAZ. Ende Juni erschien das letzte Mal die Frankfurter Allgemeine | |
Woche, nach insgesamt vier Jahren. „Das Magazin hat viele Leser gefunden | |
und eine jüngere Zielgruppe an die FAZ herangeführt“, heißt es am Main. Die | |
Abo-Zahlen seien aber zu schlecht gewesen. Letztlich habe dann noch „die | |
Coronakrise die Lage am Anzeigenmarkt und im Verlagsgeschäft weiter | |
verschärft“. Corona, zeigt sich hier, ist mancherorts auch ein Anlass zum | |
Aufräumen. Immerhin: Eine Sprecherin bestätigt, dass tatsächlich alle | |
Mitarbeitenden der Woche Anfang Juli anderweitig im Haus untergekommen | |
sind. Auch sei bislang keine Kurzarbeit nötig gewesen. „Der Verlauf der | |
nächsten Wochen ist jedoch nicht absehbar.“ | |
## Eine ungewisse Lage | |
Wie alle größeren Portale spürt die FAZ seit Corona deutlich stärkere | |
Zugriffe auf das eigene Portal im Netz und verkauft dafür auch zunehmend | |
Digitalabos. Das hat, wie so oft, auch mit einer Aktion zu tun: Die | |
Zeitung senkte den Preis für ihr Bezahlangebot F+ auf monatlich einen | |
symbolischen Euro. Das brachte ihr gut 22.000 neue Abonnentinnen und | |
Abonnenten. Ob dieser Aufschwung nachhaltig ist, ist aber unklar: Der | |
Niedrigpreis gilt für vier Monate. Frühestens im August wird die Zeitung | |
wissen, ob viele auch zum regulären Preis bleiben. | |
Interviews ermöglichte für diesen Text keine Geschäftsführung. Die Lage | |
scheint noch viel zu ungewiss, Entscheidungen bisweilen auch unangenehm. | |
Bekannt vom Spiegel ist, dass er ein weiteres Sparprogramm aufgelegt hat. | |
Auch wenn es beim Spiegel noch lange nicht an die Substanz geht, sollen in | |
den nächsten Jahren 10 Millionen Euro eingespart werden. Mit dem Aus von | |
Bento werden nicht alle Mitarbeitenden im Haus bleiben, ebenso wie auch der | |
Zeit-Verlag nicht allen Ze.tt-Mitarbeitenden Angebote für eine gemeinsame | |
Zukunft macht. | |
Bento soll sich einige Jahre selbst getragen haben. [4][Der Versuch, das | |
Angebot in eine nächste Phase zu entwickeln] und dafür zu entschleunigen – | |
mehr Eigenrecherchen zu bieten, statt bloß eines von mehreren jungen | |
News-Portale zu sein – sei aber schiefgegangen. Die Marke habe sich nicht | |
„drehen“ lassen, heißt es. Dann sei eben auch noch der Werbe-Killer Corona | |
eingeschlagen. Und für ein junges Portal statt Werbung Abos zu verkaufen, | |
sei aussichtslos. | |
Der Spiegel arbeitet nun an einem neuen Angebot für die junge Zielgruppe, | |
wenn Bento im Herbst wegfällt. Spiegel Start soll jungen Leuten Lebenshilfe | |
bieten, etwa zur Karriere und Orientierung bei Verbraucherthemen. Gerade | |
das zuletzt aufgebaute Digitalressort Leben steht dem Vernehmen nach vor | |
der Aufgabe, künftig stärker auch die „U30“ anzusprechen. | |
Die Zeit und der Spiegel hatten ihre jungen Ableger auch gegründet, um – | |
wie Buzzfeed – mit neuen Werbeformen zu experimentieren: dem „Native | |
Advertising“, bei dem die Grenzen von Werbung und Journalismus | |
verschwimmen, Werbetreibende Geschichten „sponsern“. Bento setzte dafür | |
sogar einen Experten mit an den Newsdesk und hatte „mehr Freiraum sowohl | |
für inhaltliche Experimente als auch neue Wege in der Vermarktung“, als das | |
unter der Marke Spiegel möglich wäre, hieß es noch vor einigen Jahren | |
offiziell, während es im gedruckten Spiegel unter der Überschrift | |
„Seelen-Verkäufer“ über andere Medienhäuser hieß: „Werbung, die aussi… | |
wie ein Text der Redaktion, wird es nicht geben.“ | |
Nun hat diese Werbeform in Deutschland allerdings auch nie so gezündet wie | |
etwa in den USA. Außerdem sind auch einige etablierte Portale flexibler | |
geworden, wenn es darum geht, Werbung nicht allzu platt als solche auf die | |
Seiten zu stellen. Die Zeit der Experimente ist heute ein Stück weit | |
vorbei. Ob das alles mit oder wegen Corona passiert? Auch da scheinen die | |
Grenzen fließend. Erkennbar ist allerdings: Ob Spiegel, Zeit oder auch | |
Tageszeitungen wie die FAZ: Verlage konzentrieren sich in der Krise wieder | |
stärker auf ihre Kernprodukte. | |
10 Jul 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Zeit-Experiment-Zett/!5217329 | |
[2] /Buzzfeed-Deutschland/!5677522 | |
[3] /Aus-fuer-Spiegel-Jugendmedium/!5692071 | |
[4] /Neues-Bento-geht-online/!5634224 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
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