Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Corona in Turkmenistan: Das unsichtbare Virus
> In der zentralasiatischen Republik gibt es offiziell keinen Pandemiefall.
> Jetzt ist ein WHO-Team angerückt, um sich ein Bild von der Lage zu
> machen.
Bild: In Turkmenistan gibt es offiziell kein Corona – aber einen Präsidenten…
Berlin taz | Es bedurfte eines zweimonatigen Kampfes, doch am Montag dieser
Woche war es soweit: Ein fünfköpfiges Expert*innenteam der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) landete in der zentralasiatischen
Republik [1][Turkmenistan]. Sie wollen sich während ihres zehntägigen
Aufenthaltes ein Bild von der Lage in Sachen Coronapandemie machen. Doch
laut Regierung gibt es in Turkmenistan gar nichts zu sehen. Sie behauptet,
dass bisher kein einziger Fall registriert worden sei.
Die angebliche Virusfreiheit ist nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal
Turkmenistans. Der Staat mit sechs Millionen Einwohner*innen und
bedeutenden Erdgasvorkommen, gehört zu den abgeschottesten und
repressivsten Ländern weltweit. Menschenrechte existieren in der Praxis
genauso wenig wie eine Opposition oder unabhängige Medien. Wer sich doch
einmal aus der Deckung wagt und Kritik äußert, verschwindet nicht selten in
Gefängnissen an unbekannten Orten.
Nicht minder bizarr ist der „weise Führer“ aller Turkmen*innen,
[2][Staatspräsident Gurbanguly Berdymukhammedow]. Der 63-Jährige, den die
staatlichen Medien mit den immer gleichen jugendlich Bildern in einer
Dauerschleife abfeiern, ist seit 2007 an der Macht.
Gerne präsentiert sich der gelernte Dentist seinem Volk als Mann mit vielen
Talenten – sei es als Verfasser literarischer Werke, Musiker oder bei
körperlicher Ertüchtigung. Unlängst berichtete die staatliche Webseite
Goldenes Zeitalter, dass sich der Präsident im Urlaub befinde. Dort
verbringe er Zeit mit seinen Enkelkindern, fahre Fahrrad und halte mit
seinen Lieblingspferden Zwiesprache.
## Unmut gegen den Übervater
Doch mittlerweile regt sich in der Bevölkerung Unmut gegen ihren Übervater.
Denn die wirtschaftliche Lage ist desaströs – nicht zuletzt, weil die
Preise für Erdgas eingebrochen sind. Es mangelt an Grundnahrungsmitteln wie
Mehl, Speiseöl und Zucker.
Bargeld ist rar geworden. Auf den Märkten haben sich die Preise in den
vergangenen Jahren verdoppelt oder verdreifacht. In der Hauptstadt
Aschgabat starb ein Mann, als sich mehrere Personen um Abfälle prügelten.
Auch die Leugnung von Coronafällen kaufen viele der Regierung nicht mehr
ab. Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass es eine wachsende Anzahl
von Erkrankungen der Atemwege gibt und medizinische Einrichtungen unter
Quarantäne gestellt wurden.
Am Donnerstag berichtete der türkische Fernsehsender TRT Avaz vom Ableben
eines Angehörigen der türkischen Botschaft in Aschgabat. Der Berater für
religiöse Angelegenheiten sei mit Lungenproblemen, einer schweren Erkältung
und Fieber in ein Krankenhaus eingeliefert worden und dort in der Nacht zu
Mittwoch gestorben.
## Flugblätter verteilt
Ende Juni veröffentlichte das in den Niederlanden ansässige unabhängige
Nachrichtenportal Turkmen.news Fotos von Turkmen*innen, die in Aschgabat
und anderen Städten Flugblätter mit dem Konterfei des Präsidenten
verteilen. „Hau ab!“ und „Dieb!“ stand darauf.
Das ebenfalls unabhängige Webportal Fergana.ru berichtete von der Gründung
einer oppositionellen Bewegung „Demokratische Wahl Turkmenistan“, die
angeblich Unterstützer*innen in allen Landesteilen hat. Das Ziel ist mehr
als ambitioniert: „Turkmenistan von der Diktatur Berdymukhammedow zu
befreien.“
9 Jul 2020
## LINKS
[1] /Corona-in-der-Ex-Sowjetunion/!5672999
[2] /Turkmenistan-verbietet-Corona/!5673748
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Turkmenistan
WHO
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Turkmenistan
Schwerpunkt Coronavirus
Turkmenistan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Corona in Turkmenistan: Mehr Tote als Leichensäcke
Die Regierung in Turkmenistan weiß nichts von Pandemiefällen. Doch in
überfüllten Kliniken sind täglich Opfer zu beklagen.
Turkmenistan verbietet Corona: Aus den Augen …
Der Präsident von Turkmenistan begegnet dem Virus auf seine Weise: Medien
sollen das Wort „Corona“ einfach nicht mehr erwähnen.
Corona in der Ex-Sowjetunion: Wunderkraut und Sauna
In Turkmenistan soll eine Wunderpflanze das Virus killen. Weißrusslands
Präsident Lukaschenko empfiehlt Treckerfahren und Saunagänge.
Adipositas in Turkmenistan: Den Gürtel enger schnallen
Turkmenische Polizisten sollen bis Weihnachten abspecken. Sonst droht der
Rausschmiss. Dabei sollte man sich besser mit Schmiergeldern beschäftigen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.