Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Corona in Turkmenistan: Mehr Tote als Leichensäcke
> Die Regierung in Turkmenistan weiß nichts von Pandemiefällen. Doch in
> überfüllten Kliniken sind täglich Opfer zu beklagen.
Bild: Angeblich noch immer kein Corona-Fall: Frauen mit Mund-und Nasenschutz in…
Berlin taz | Die Staatsführung der zentralasiatischen Republik Turkmenistan
ist resistent: Noch immer behauptet sie steif und fest, in dem Land mit
knapp sechs Millionen Einwohnern gebe es bis jetzt keinen einzigen
Corona-Fall. [1][Unabhängige Medien], die wegen massiver Repressionen
meistens im Ausland angesiedelt sind, zeichnen jedoch ein ganz anderes
Bild.
So berichtet der turkmenische Dienst von Radio Freies Europa (Radio
Azatlyk), dass auf der Intensivstation einer Klinik in der Hauptstadt
Aschgabat täglich rund 50 Menschen stürben. Ständig müsse die Klinik neue
Erkrankte aufnehmen. Da alle Betten belegt seien, müssten Neuzugänge auch
in einem Kinderkrankenhaus behandelt werden. Alle Patienten erhielten die
Diagnose Lungenentzündung.
Bereits Mitte Juli hätten Ärzte davor gewarnt, dass es nicht ausreichend
Leichensäcke gebe. Deshalb würden die Toten jetzt in Kleidungsstücke
eingewickelt, die vorher mit Chlor behandelt worden seien.
In der Stadt Turkmenabat, Verwaltungszentrum der Provinz Lebap, herrschen
ähnliche Zustände. Am 20. Juli berichtete Turmen.news vom Ableben des
örtlichen Distriktchefs Hasan Metkuliew nach einer Lungenentzündung. Nur
wenige Tage zuvor war er noch öffentlich aufgetreten – und angeblich bei
bester Gesundheit. Als der Familie die sterblichen Überreste in einem
Leichensack übergeben wurden, erging die Aufforderung an die Angehörigen,
den Toten sofort zu bestatten.
## Handys überprüft
Zwar versucht die Regierung, solche Informationen mit aller Macht zu
unterdrücken. So wurden in einer Provinz Handy von Polizisten überprüft, da
sie angeblich Fotos und Videos ins Ausland geschickt haben sollen. Doch es
sind nicht allein Medienberichte, die in der Bevölkerung für wachsende
Panik sorgen und immer mehr Menschen an der Version der Regierung zweifeln
lassen.
So müssen die Menschen auf der Straße Masken tragen und Hygieneregeln
streng einhalten. Öffentliche Parks, Festplätze, Museen, Schönheitssalons,
Schwimmbäder und Sportstätten bleiben mindesten bis zum 1. August
geschlossen. Märkte sind seit der vergangenen Woche dicht.
Wenig Erhellendes zur aktuellen Lage beizutragen hatte auch ein Team der
[2][WHO], dessen Anreise die turkmenische Regierung zwei Monate erfolgreich
heraus gezögert hatte. Bei einer Abschlusspressekonferenz am 15. Juli
erging sich Missionschefin Catherine Smallwood in Allgemeinplätzen.
Wegen Corona müssten auch in Turkmenistan entsprechende Maßnahmen ergriffen
werden, sagte sie und verwies auf Berichte über eine wachsende Anzahl von
Atemwegserkrankungen und Lungenentzündungen unbekannter Herkunft. Das
Regierungsblatt „Neutrales Turkmenistan“ machte daraus auf seiner ersten
Seite die Schlagzeile: „WHO: Turkmenistan hat viele Anstrengungen
unternommnen, um das Eindringen des Virus in das Land zu verhindern. Diese
Maßnahmen waren erfolgreich.“
## Legeres Militäroutfit
Gewohnt erfolgreich und umtriebig präsentierte sich unlängst auch
Turkmenistans so autokratischer wie bizarrer Staatschef Gurbanguly
Berdymukhammedow dem Volk – diesmal aus seinem Urlaubsort. Bilder des
Staatsfernsehens zeigen ihn, in legerer Militärkleidung samt Handschuhen
sowie Mund- und Nasenschutz, beim Angeln.
Die reiche Ausbeute landet in einem Sommerlager, unter frenetischem Applaus
der kleinen Feriengäste. In einer Sequenz drängen sie sich dicht an dicht
um einen Kochtop mit Fischsuppe. Schöne heile Welt.
Doch die Welt ist für einen Großteil der Turkmen*innen alles andere als
heil. Am 10. Juli postete das alternative Nachrichtenportal Turkmen.news
ein Video. Darauf ist ist eine Frau zu sehen, die auf einer Straße kauert
und ihre Wut heraus schreit. „Ich bin so müde, ich habe genug. Du suchst
Arbeit, aber sie geben dir keine. Du bittest um eine Unterkunft, aber es
gibt keine. Die Menschen müssen bei der Regierung um jeden Manat, (Währung
in Turkmenistan, Anm. d. Red.), um ein Stück Brot kämpfen. Das ist die
Realität im heutigen Turkmenistan!“
Ende April waren zahlreiche Häuser bei Wirbelstürmen in zwei Regionen
schwer beschädigt worden, doch eine Instandssetzung ist unmöglich. Denn es
mangelt an Baumaterial. Zwar hat die Regierung versprochen, die heimischen
Produktionskapazitäten zu erhöhen. Doch bei dieser großspurigen Ankündigung
ist es bislang geblieben.
25 Jul 2020
## LINKS
[1] /Turkmenistan-verbietet-Corona/!5673748
[2] /Corona-in-Turkmenistan/!5694355
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Gurbanguly Berdymukhammedow
Turkmenistan
Turkmenistan
Turkmenistan
Turkmenistan
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Präsidentschaftswahl in Turkmenistan: Dynastischer Wahlsieg
In Turkmenistan geht die Macht vom Vater Gurbanguly Berdymuchammedow auf
den Sohn Serdar über. Dies war zu erwarten.
Corona in Turkmenistan: Das unsichtbare Virus
In der zentralasiatischen Republik gibt es offiziell keinen Pandemiefall.
Jetzt ist ein WHO-Team angerückt, um sich ein Bild von der Lage zu machen.
Turkmenistan verbietet Corona: Aus den Augen …
Der Präsident von Turkmenistan begegnet dem Virus auf seine Weise: Medien
sollen das Wort „Corona“ einfach nicht mehr erwähnen.
Corona in der Ex-Sowjetunion: Wunderkraut und Sauna
In Turkmenistan soll eine Wunderpflanze das Virus killen. Weißrusslands
Präsident Lukaschenko empfiehlt Treckerfahren und Saunagänge.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.