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# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Turkmenistan: Dynastischer Wahlsieg
> In Turkmenistan geht die Macht vom Vater Gurbanguly Berdymuchammedow auf
> den Sohn Serdar über. Dies war zu erwarten.
Bild: Eine Dynastie lässt wählen: Vater Gurbanguly Berdymuchammedow und Sohn …
Berlin taz | Die Macht bleibt in der Familie: Bei der vorgezogenen
Präsidentschaftswahl in der zentralasiatischen Republik Turkmenistan am
vergangenen Samstag hat [1][Serdar Berdymuchammedow], Sohn des amtierenden
Staatschefs Gurbanguly Berdymuchammedow, laut Angaben der Zentralen
Wahlkommission 72,97 Prozent der Stimmen erhalten. Die Wahlbeteiligung in
dem Staat mit rund 6 Millionen Einwohnern lag offiziellen Angaben zufolge
bei 97 Prozent.
Außer Berdymukhammedov junior waren noch acht weitere Kandidaten angetreten
– allesamt stramm auf Regierungskurs.
Murad Kurbanow, im französischen Exil lebender Chef der oppositionellen
nicht registrierten Partei „Demokratische Wahl Turkmenistans“ kritisierte,
dass potenzielle Kandidaten nicht genug Zeit gehabt hätten, um ihre
Kandidatur einzureichen, geschweige denn Wahlkampf zu machen. „Das wird
keine Wahl sein, sondern eine Ernennung des Präsidenten“, zitiert ihn der
US-Sender Radio freies Europa.
Turkmenische Staatsangehörige, die im Ausland wohnen, waren von der
Möglichkeit einer Stimmabgabe ausgeschlossen. In einer Erklärung der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) heißt es,
dass den Wahlen wichtige Voraussetzungen für einen wirklich demokratischen
Wahlprozess gefehlt hätten.
## Keine OSZE-Wahlbeobachter*innen
Anders als noch bei der Parlamentswahl 2018 verzichtete die OSZE jetzt auf
die Entsendung von Wahlbeobachter*innen. Seit der Unabhängigkeit
Turkmenistans 1991, das eines der abgeschottesten Länder der Welt ist, war
keine Wahl frei und fair.
Das dürfte dieses Mal nicht anders gewesen sein. Laut Berichten von Radio
Freies Europa hätten Behördenmitarbeiter*innen direkt vor der Wahl
Hausbesuche gemacht und sogenannte Wahleinladungen verteilt – nebst
entsprechender Empfehlung, wo das Kreuz zu machen sei.
Die Arbeiter*innen in staatlichen Betrieben seien angewiesen worden,
zur Wahl zu gehen und ihre Verwandten mitzubringen. Andernfalls drohe der
Verlust des Arbeitsplatzes.
Am 11. Februar hatte Gurbanguly Berdymuchammedow nach 15-jähriger Amtszeit
angekündigt, seinen Posten räumen und die Macht an jüngere Führungskräfte
übergeben zu wollen. Schon seit Längerem hatte es Gerüchte gegeben,
Berdymuchammedow plane, seinen Sohn Serdar zu seinem Nachfolger zu machen.
Der 40-Jährige bekleidete seit 2019 wichtige Regierungsposten. Zunächst
wurde er Vize-Außenminister, dann Gouverneur seiner Heimatprovinz Ahal.
Nach einem kurzen Intermezzo als Industrie-Minister wurde er 2021
stellvertretender Regierungschef. Das Amt des Ministerpräsidenten gibt es
formal gar nicht. Diesen Posten hat derzeit Berdymuchammedow senior inne.
Der hinterlässt seinem Spross vor allem ökonomisch ein desaströses Erbe.
Obwohl Turkmenistan weltweit über die viertgrößten Vorkommen an Gas
verfügt, sinkt der Lebensstandard der Bevölkerung seit Jahren.
Kennzeichnend für diese Entwicklung sind neben grassierender Korruption
eine explodierende Inflation, Lebensmittelknappheit sowie eine hohe
Arbeitslosigkeit, die unter jungen Leuten auf bis zu 60 Prozent geschätzt
wird. Mit ein Grund dafür ist Turkmenistans wachsende Abhängigkeit von
China, Nach der Eröffnung der China-Zentralasien-Pipeline 2009 ist die
Volksrepublik mittlerweile Hauptabnehmer von turkmenischem Gas.
Doch die Liefermengen haben wegen voll ausgelasteter Transportkapazitäten
ihr Limit erreicht. Auch der Schuldendienst aus dem Pipelinebau schmälert
Turkmenistans Einnahmen aus dem Gasgeschäft.
Offensichtlich macht dem Land auch die Coronapandemie zu schaffen. Dabei
wurde [2][offiziellen Angaben zufolge kein einziger Covid-Fall
registriert]. Doch hatten bisher Ärzte hinter vorgehaltener Hand immer
wieder von überfüllten Krankenhäusern und mehreren Infektionswellen
berichtet. Der sollen zahlreiche Menschen zum Opfer gefallen sein.
## Scheidender Prasident will nicht ganz abtreten
Ob Serdar Berdymuchammedow dringend notwendige Reformen wie eine
Diversifizierung der Wirtschaft in Angriff nimmt, ist eher
unwahrscheinlich. Dabei dürfte auch von Bedeutung sein, welche politische
Rolle sein Vater künftig zu spielen gedenkt. Der will sich offensichtlich
noch nicht zur Ruhe setzen, sondern den Vorsitz der Halk Maslahati, das
Oberhaus des Parlaments, übernehmen.
„Klar ist, dass im Spiel der Berdymuchammedows die turkmenische Bevölkerung
den Kürzeren zieht“, schreibt das US-Magazin Foreign Affairs. „Die
Familiennachfolge deutet auf keine unmittelbare Änderung der
Regierungsmethoden hin. Gewöhnliche Turkmen*innen werden noch einige
Jahrzehnte eine schlechte Regierungsführung, Unterdrückung und eine
finstere Wirtschaft erdulden müssen.“
15 Mar 2022
## LINKS
[1] /Praesidentschaftswahl-in-Turkmenistan/!5831559
[2] /Corona-in-Turkmenistan/!5703730
## AUTOREN
Barbara Oertel
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