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# taz.de -- Unabhängigkeit des Crossgolfens: Golf goes überall
> Abstand halten durch schwingende Schläger. Beim Crossgolf-Turnier Krosser
> Karl geht es durch Reitanlagen und das Tivoli-Stadion in Aachen.
Bild: Einlochen im bäuerlichen Ambiente: Ein Crossgolfer nimmt einen Traktorre…
Vor dem engen Treppenaufgang ist per Klebeband ein grünes Abschlagkreuz
markiert. Von hier aus, zudem von Beton statt von saftigem Rasen, soll der
Ball ins Innere des Dressurstadions geschlagen werden. Es gelingt
tatsächlich im ersten Versuch. Weiter geht’s über tiefes Sandgeläuf wie in
einem Riesenbunker Richtung linker Stadionecke. Dort ist das Ziel: Der Ball
muss auf ein kleines Podest geschlagen werden und dort liegenbleiben.
Klappt nach ein paar vergeblichen Anläufen irgendwann tatsächlich. Eine 7
wird notiert, immerhin. Nicht eingelocht sondern aufpodestet.
Crossgolf-Turnier Krosser Karl statt Golf bei Olympia. Crossgolf ist
[1][Golf ohne Golfplatz]. Beziehungsweise in einem Terrain, das zeitweilig
als Golfplatz genutzt wird. „We can see golf courses everywhere“, haben
sich The Golf Fellas aus Stuttgart auf ihre schmucken Leibchen drucken
lassen. Golfplatz ist halt überall, wenn man nur will.
Im 14-Loch-Parcours geht es durch Aachens Sportpark Soers, kreuz und quer
über das Pferdegelände des CHIO und ins grellgelbe Tivoli-Stadion der
Alemannia. Die Bälle sind leichter als die üblichen Golfkugeln, weniger
hart und darum weniger zerstörungsfähig. An die hundert Meter fliegen sie
trotzdem. Turnierverpflegung: [2][Belgische Waffeln]; das angemessene Bier:
Karlskrone. Eigene Coronaregeln gibt es an diesem Sommertag nicht: „Wir
setzen auf den natürlichen Abstand eines Golfschlägers beim Schwung, wie
immer“, definiert Sascha Bien, 48, von den Aachener Crossgolfern 2011 e. V.
Man könne von überall weiterspielen, hieß es zum Start noch, mit einer
Ausnahme: „Dächer sind Aus.“
Knapp hundert TeilnehmerInnen sind dabei, auch aus Berlin, den drei
Benelux-Ländern, der Schweiz und viele Großkönner aus Frankreich, die am
Ende auch die drei ersten Plätze belegen sollten. Lange war das Turnier als
2. Weltmeisterschaft geplant (nach Paris 2018), aber die Crosscracks aus
Brasilien und den USA konnten aus Coronagründen halt nicht anreisen.
## Der erhabenste Schlag des Turniers
Der Parcours war ein anderes Wort für große Fantasie. Mal ging es aus einem
Mundloch der Tribünenaufgänge im Dressurstadion in ein geparktes Cabrio.
Oder diagonal über das Dach des langgestreckten Veterinärzentrums vor Stall
5. Durch das Tor in die dunkle Einreithalle, dann durch eine kleine
Nebentür in einer anderen Hallenecke wieder raus. Ziele mal eine Luke in
Augenhöhe, eine Tür und besonders tückisch: den Ball in eine schwankende,
schräg aufgehängte knallrote Mülltonne versenken. Der Boden: mal Schotter,
Kiesel, Sandwüsten oder Steinplatten. Im Tivoli galt es einmal die
Betontreppen hochzuchippen und später, der erhabenste Schlag des Turniers,
von unter dem Tribünendach ganz oben auf den Platz tief unten. Ziel: der
Fünfmeterraum.
Es werden gut vier Stunden große Gaudi mit großer Beweiskraft: Dem Menschen
scheint es tatsächlich wesenseigen, mit unbändiger Lust Bälle per Schläger
Richtung irgendeinem Ziel von sich wegzuschlagen. Die einen brauchen dafür
handelsübliche Golfplätze, diese ungebändigte Spezies hier macht sie sich
nach tagesaktuellem Bedarf.
Sascha Bien erzählt, sie hätten Turniere schon in einem weitläufigen
Schulgelände gespielt, durch Industriebrachen sowieso, in einem
menschenleeren Spaßbad („Das war besonders toll“) oder in Liechtenstein, wo
es einen 2000er hoch ging per Skilift, um dann 18 markierte Bahnen ins Tal
spielen. Bei den Europacup-Wertungen liefern sich Deutsche und Franzosen
immer die wildesten battles.
Golf courses everywhere – nicht nur auf Erden: Erster kosmischer
Crossgolfer war Alan Shepard, der 1971 auf dem Mond spielte („Apollo 13“,
mit Eisen 6, etwa 350 Meter weit) und 2006 angeblich Kosmonaut Michail
Tjurin aus der Internationalen Raumstation ISS: Der Ball machte noch 48
Erdumrundungen, also kam eine Rekordschlagweite von rund 2,5 Millionen
Kilometern Länge zustande.
Bei meiner Erstteilnahme auf Erden bleiben am Ende ein stolzer Platz im
vorderen Mittelfeld und einige Schrammen auf den Schlägerköpfen. Ohne diese
schwankende Mülltonne wäre noch mehr drin gewesen oder ohne diese gemeine
Hecke, die den Ball aufhielt, der nach einem wundervoll gelungenen Abschlag
so majestätisch vom Schrägdach eines Stalles heruntergetanzt kam. Der
Letztplatzierte bekam übrigens einen eigenen Nummernschild-Pokal mit
Aufschrift LA-ST 20 – und den meisten Applaus nach einigen Flaschen Krasser
Karlskrone.
10 Jul 2020
## LINKS
[1] /Vorschau-auf-das-Sportjahr-2020/!5644250
[2] /Der-Obstdoener-von-WonderWaffel/!5660883
## AUTOREN
Bernd Müllender
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Stadion
Aachen
Golf
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