| # taz.de -- Alltagsauffälligkeiten von Golfern: Strafschlag im Sandkasten | |
| > Wer Golf spielt, tickt auch dann merkwürdig, wenn mal etwas hinfällt. | |
| > Oder ein Kino-Ticket gelöst werden soll. Oder wenn Kinder im Sand | |
| > spielen. | |
| Bild: Raus aus dem Sand: Golfprofi Bubba Watson bei den PGA Zurich Classic in L… | |
| Golfer und Golferinnen sind manchmal, ehrlich gesagt: oft, sehr merkwürdige | |
| Wesen. Vergangenen Monat hatten wir hier schon [1][seltsame | |
| Verhaltensweisen] erlebt, wie diese Bällewegschläger ihr Spiel in den | |
| Lebensalltag umdenken: Müllsuche bei Wanderungen, Hüftübungen bei | |
| unpassenden Anlässen, Kuhwiesen-Fantasien, und es gibt noch viel mehr | |
| Seltsamkeiten. | |
| Fällt dem Golfsüchtigen sein Schlüsselbund herunter und droht in einen | |
| Gully zu purzeln, ruft er panisch: [2][„Sit!“] Das machen Golfer auf dem | |
| Platz reflexhaft, Profis wie Hobbyspieler, wenn ihr Ball zu weit zu | |
| springen oder sogar ins Aus zu rollen droht. Nach aller Lebenserfahrung | |
| reagieren indes weder Ball noch Schlüssel auf solche Anweisungen. Das | |
| lernen Golfer nicht. | |
| Steht ein Golfer oder eine Golferin an einem Fluss und jemand fragt, wie | |
| weit es wohl bis zum anderen Ufer sei, antworten sie vielleicht: „Na, ich | |
| würd sagen, Eisen 6 reicht, voller Schwung, gut getroffen.“ Danach wundern | |
| sie sich, dass der andere sich wundert, weil er den Hinweis nicht | |
| verstanden hat (120 bis 150 Meter Entfernung, je nach Spielstärke). | |
| An der Kinokasse wollen Golfer oder Golferin nicht Eintritt zahlen, sondern | |
| überraschen mit der Frage: „Wie viel Greenfee kostet der Film?“ Daheim will | |
| Vati neuerdings dreimal am Tag den Rasen schneiden und ernennt sich zum | |
| häuslichen Headgreenkeeper. Er wird, auch wenn das scheinbar ein | |
| Widerspruch ist, zugleich penibel darauf achten, dass niemand mehr | |
| Wildkraut an den Rändern jätet: Bewuchs herauszureißen sei „unerlaubte | |
| Erleichterung“, so stehe es in den [3][Regeln]. | |
| ## Die Sache mit dem Besenstiel | |
| Später drohen unkontrollierte Ausfälle. Hat ein schwerstabhängiger Golfer | |
| einen Besenstiel, einen Zeigestock oder in diesen Tagen den vor den | |
| Feiertagen geshoppten Weihnachtsbaum in der Hand, ist seine natürliche | |
| Reaktion: schwingen, schwingen, schwingen! Auch Gartenschläuche lösen | |
| sommers diesen Reflex aus, was zu überraschenden Wassergüssen auf | |
| Kuchenbüfett oder Mitmenschen führen kann. | |
| Leicht verständlich, wenn in der nichtgolfenden Familie Unfrieden entsteht. | |
| Kleine Kinder sind besonders betroffen. Tobt ein Junior jubelnd Richtung | |
| Strand oder Sandkasten, ruft der Golfmaniac sofort: „Stop, Vorsicht. Nicht | |
| anfassen.“ So wie es in einem Sandbunker auf dem Golfplatz auch verboten | |
| ist, den Sand, außer mit den Füßen, vor dem Schlag zu berühren. Die Kinder | |
| werden sich zu Recht beschweren: „Papa ist aber komisch. Hat der Angst vor | |
| Sand?“ Und wenn Papa dann noch sagt „Wenn du den Sand anfasst, bekommst du | |
| einen Strafschlag“, werden die Kleinen panisch in Mamas Arme flüchten: | |
| „Papa will mich hauen!“ | |
| Das alles ist nicht eben förderlich für den häuslichen Frieden zwischen | |
| Golfer und dem nichtgolfenden Rest. Unverstanden und ausgegrenzt wird der | |
| Golfer noch häufiger auf den Golfplatz flüchten. Vereinsamung und seelische | |
| Abwärtsspiralen drohen. Wundert es, dass Golfer sozial isolierte Menschen | |
| werden können? | |
| In der dritten und letzten Folge nächsten Monat werden die Auswüchse von | |
| Morbus Golf noch übler; Knast und Klapse drohen. | |
| Aus Golfers Abc der Vorurteile, heute Y wie Yips: „Also, ich zittere | |
| vielleicht, aber ich habe nicht dieses Dings, nein, ich doch nicht …“ Wahr | |
| ist: Den Begriff Yips vermeiden Golfer, als wäre es ansteckender als Covids | |
| Omikron. Yips bezeichnet eine Art Unruhe und Zucken im letzten Moment des | |
| konzentrierten Puttens. Der Schlag misslingt – und der nächste aus lauter | |
| Angst vor Wiederholung noch mehr. Auslöser ist mutmaßlich ein Nervenzucken, | |
| angefeuert danach durch psychische Bängnis, es könne wieder passieren. | |
| Auch Profis können Yips bekommen, es kann über Monate ihr ganzes Spiel | |
| ruinieren, wie vor langer Zeit auch einmal Bernhard Langer. Der ist | |
| mittlerweile im zitterfreien Alter von 64 und lässt dafür andere zittern – | |
| vor ihm: Langer gewann neulich zum 6. Mal die US-Champions Tour („Schwab | |
| Cup“) gegen dieses Jungvolk von Anfang fünfzig. | |
| 1 Jan 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bernd Müllender | |
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