Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Betrug und Selbstbetrug beim Golfen: Kreatives Zählen
> Beim Golf ist jeder Täter und Ermittler zugleich. Mogeln ist dennoch ein
> Tabuthema. Komisch nur, dass auf dem Platz seltsame Dinge geschehen.
Bild: Der bekannteste Golfer der Welt: Tiger Woods
„Eine Bahn mit 8 Schlägen spielen, 7 glauben, 6 sagen, 5 aufschreiben“
(Golfers Mogelarithmetik).
Nur im Golf ist jeder sein eigener Schiedsrichter. Die
Selbstbeaufsichtigung entspringt der alten Idee des real gentlemen’s sport.
Präambel: Always do what is fair.
Jeder ist Täter und Ermittler zugleich. Beispiel: Hat sich mein Ball beim
Ausholen bewegt? Jetzt bin ich mein eigener Advokat: Könnte nicht auch ein
Windstoß …? Als Ankläger weiß ich: Nein, keine Ausnahmeregel für einen
Straferlass zu finden. Und ich bin Richter: Schuldig im Namen des
Golfspiels – ich verurteile mich zu einem Strafschlag. Berufung
ausgeschlossen.
## Tabuthema Mogeln
Edel ist die Theorie. Dann geht’s auf den Platz, und – hüstel – da wird
geschummelt, dass die Grüns rot werden müssten vor Scham. Und jedeR wird
schon kleine Regelbeugungen empört von sich weisen.
Ein Tabuthema. Mogeln alle ab und zu? Wenige häufig? Gleicht sich alles
aus? Niemand weiß das. Ein Verbands-Regelwart erzählte mir mal, angezeigte
Vergehen nähmen seit Jahren zu. Und da seien besonders die Rechtsanwälte
auffällig, also: unter den Tätern.
[1][Die golferischen Kleinkriminellen] verheddern sich im Labyrinth ihres
Seelenlebens – zwischen Ehrgeiz, Versuchung, Vergehen und Gewissenspein.
Ein toller Schlag, der im einzigen Grasbüschel im weitem Umkreis versinkt –
das empfindet man als große Ungerechtigkeit: „Wie gemein, immer bei mir.“
Oder gleich als narzisstische Kränkung: „Der Platz liebt mich nicht.“
Schuldzuweisung obendrauf: „Wo hat der verdammte Platzwart das Mähen
gelernt?“
Zum Ausgleich wird bald bockig ein Branchenscherz wie dieser in die Tat
umgesetzt: „Ruft ein Golfer seinem Mitspieler zu, der im seitlichen Gehölz
sucht: ‚Ball gefunden?‘ – ‚Ja.‘ – ‚Und, ist er spielbar?‘ – �…
Heißt: Man fummelt ihn schnellfingrig etwas besser hin. Andere lassen
unbemerkt einen Ball (Vorbereitung! Vorsatz!) aus der Hosentasche plumpsen:
„Da ist er ja, so ein Glück...“
## Spiegel des Charakters
Manche zählen, als hätten sie die erste Grundschulklasse übersprungen: „5
für mich“, sagt der Mitspieler. – „Sicher?“ – „Ja: Abschlag, Fairw…
Pitch zum Grün, zwei Putts. 5.“ Vergessen der Chip aufs Grün. Und dass der
zweite Putt knapp neben dem Loch endete statt drin. „Sorry, also 6.“ – �…
komme auf 7!“ – „Ach ja.“ Niemals in der Golfgeschichte hat jemand
versehentlich einen Schlag zu viel gezählt.
Besonders fiese Mitspieler kümmern sich um des Gegners Ball. Schwups,
finden sie ihn im hohen Gras („hab ihn“), versenken ihn mit kurzem Tritt,
zitieren scheinmitleidig des Golfs Grundregel: „Tja, spielen, wie er
liegt.“ Fortgeschrittene Täuschungskünstler lassen den Fuß stehen und
sagen: „Ich hab schon überall geguckt, nichts zu sehen…“ – und stecken…
Ball nachher ein. Wenn man selbst den Ball nur mühsam kurz aus abseitigem
Terrain herausgewuchtet bekommt, sagt man gern: „Der lag aber auch richtig
fies.“ Botschaft 1: Bitte Mitgefühl; 2: Ich schummle nicht.
Manche haben es auch eilig, vor dem anderen am Grün zu sein: Zack, ein
zarter Schubs, unbeobachtet, schon kullert dessen Ball in den tiefen
Sandbunker: „Ooch, das ist aber Pech.“ Vom Golfer Donald Trump sind solche
Eingriffe hinlänglich dokumentiert. Ein Beweis für Golf als Spiegel des
Charakters.
In seinem Buch „Commander in Cheat: How Golf Explains Trump“ hat [2][Autor
Rick Reilly viele solcher Vorfälle beschrieben.] Nur: Wie hat sich Trump
zeitweilig das tolle Handicap von 2,8 zusammengelogen? Reilly wusste nur:
„Wenn Trump 2,8 hat, ist Königin Elisabeth eine Stabhochspringerin.“
Aus dem Abc der Vorurteile heute L wie Lügen: „Also, in solch bigotten
Schummlerzirkeln möchte ich nicht mitmachen. Diese Golfer aber auch!“ Wahr
ist: Golf ist wie das Leben – oft edel und ehrlich, manchmal wie eine
kreative Steuererklärung. Und wie oft hat der Autor dieser Zeilen mal eine
Regel verletzt, golferisch, steuerlich? Auf der Scorekarte stünde 0. Was
denn sonst!
30 Aug 2020
## LINKS
[1] https://www.spiegel.de/sport/sonst/golf-patrick-reed-gewinnt-das-us-masters…
[2] https://www.spiegel.de/sport/sonst/donald-trump-wird-des-betrugs-beim-golfs…
## AUTOREN
Bernd Müllender
## TAGS
Kolumne Eingelocht
Golf
Betrug
Kolumne Eingelocht
Kolumne Eingelocht
Kolumne Eingelocht
Kolumne Eingelocht
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt Sport trotz Corona
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neue Handicap-Berechnung im Golf: Absurde Arithmetik
Die neuen Handicap-Berechnungsregeln zeigen, wie absurd kompliziert eine
banale Runde Golf werden kann.
Erklärung für eigene Golf-Misere: Wenn Trump am Schläger klebt
Plötzlich läuft es wieder auf dem Golfplatz. Warum nur? Das muss mit der
Abwahl von US-Präsident Trump, der diesen Sport überschattet, zu tun haben.
Kicker Delzepich am Golfball: Der Rasenpflüger
Eine Golfrunde mit Günter Delzepich, Alemannia Aachens legendärem
Zweimeter-Zweizentner-Zweitligabriegel.
Golfen für Senioren: Die Altersschützen
Auch im Golfen schwindet die Leistungsfähigkeit mit den Jahren. Doch
plötzlich, mit etwa 75, öffnet sich für gute Spieler ein goldenes
Zeitfenster.
Unabhängigkeit des Crossgolfens: Golf goes überall
Abstand halten durch schwingende Schläger. Beim Crossgolf-Turnier Krosser
Karl geht es durch Reitanlagen und das Tivoli-Stadion in Aachen.
Golfen und Schießen: Eingelocht bei der RAF
Am Niederrhein gründet sich auf einem Militärgelände ein Golfclub. Der hält
englische Tradition und europäische Gedanken hoch.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.