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# taz.de -- Generalabrechnung in der Ukraine: Rache an Poroschenko
> Derzeit häufen sich Ermittlungsverfahren gegen das Umfeld des ehemaligen
> Präsidenten. Dessen Nachfolger Selenski begleicht offene Rechnungen.
Bild: Ex-Präsident Petro Poroschenko auf dem Weg zu einer Befragung im Staatli…
Mönchengladbach taz | Mit einem beharrlichen Läuten rissen am Freitag
bewaffnete, vermummte Beamte des Staatlichen Ermittlungsbüros der Ukraine
in olivgrüner Tarnkleidung Ex-Minister Wolodimir Omeljan und dessen Familie
aus ihren Träumen. Anschließend hielten sie dem schlaftrunkenen Omelyan
einen gerichtlichen Hausdurchsuchungsbefehl unter die Nase.
Dieser Befehl, so Omeljan auf seiner Facebook-Seite, habe sich auf einen
Vorbesitzer des Hauses bezogen. Die Hausdurchsuchung selbst sei korrekt
verlaufen, gegen ihn selbst seien keine Vorwürfe erhoben worden. Auch
hätten die Beamten nichts von seinem Besitz mitgenommen. Gegenüber dem
Internetportal Ukrainska Prawda erklärte ein Sprecher des Staatlichen
Ermittlungsbüros, die Hausdurchsuchung habe sich nicht gegen Omeljan selbst
gerichtet.
Das Haus gehört Switlana Bobowa, Ehefrau des früheren Abgeordneten der
„Partei der Regionen“, Gennadij Bobow. Dieser, so die Ukrajinska Prawda
unter Berufung auf das Staatliche Ermittlungsbüro, sei mutmaßlicher
Organisator und Geldgeber einer kriminellen Vereinigung.
Das Staatliche Ermittlungsbüro habe vermutet, dass sich im Haus
Beweismaterial zu dem Mord an dem Journalisten und Maidan-Aktivisten
Vassili Sergijenko 2014 befinde. Kollegen und Angehörige des Ermordeten
verdächtigen Gennadij Bobow, diesen Mord beauftragt zu haben. Bobow war
Abgeordneter der „Partei der Regionen“ und Gegner der Maidan-Bewegung.
## Den Nationalisten nahe
Nicht so der Mann, der mit seiner Familie im Haus von Bobows Ehefrau
Switlana Bobowa lebt. Omeljan, der unter Präsident Petro Poroschenko
Minister für Infrastruktur war, steht den Nationalisten nahe. Anfang 2019
postete er ein Foto, das ihn auf einem Marsch zu Ehren von
Nationalistenführer Stepan Bandera zeigt.
Omeljan selbst sieht die Hausdurchsuchung als Angriff auf seine Person und
vermutet die neuen Machthaber dahinter. „[1][Wolodimir Selenski], ich habe
Ihren Gruß erhalten. Aber ich werde nicht schweigen. Meine Kinder und meine
Frau richten Ihrer Familie herzliche Grüße aus. Sie sind ein Sowjetekel.
Sogar gegen die Familien Ihrer politischen Gegner kämpfen Sie“, schreibt er
auf Facebook.
Nicht nur Omeljan, der noch im vergangenen Jahr für Poroschenko Wahlkampf
gemacht hatte, sieht einen [2][politischen Hintergrund] in der
Hausdurchsuchung. Für den Kiewer Politologen Pawlo Nuss fügt sich diese in
eine Reihe von Einschüchterungen Andersdenkender durch die neuen Machthaber
ein. „Alle Einrichtungen gegen Korruption und die Rechtsschutzorgane wurden
von Selenski und seinem Umfeld in staatliche Straforgane umgewandelt.“
Deren Aufgabe sei es, „politische Kritik an der derzeitigen
antiukrainischen Exekutive zu vernichten“, so Nuss.
## Mordvorwurf gegen rechtsradikalen Aktivisten
In ähnlichem Licht sehen national gesinnte Regierungskritiker:innen auch
die jüngste Mordbeschuldigung des Inlandsgeheimdienstes SBU gegen den aus
Odessa stammenden rechtsradikalen Aktivisten Serhij Sternenko. Nach Angaben
des ukrainischen Portals von BBC war Sternenko 2018 bei einem Überfall auf
ihn einem Angreifer hinterhergelaufen und hatte ihn dann mit dem Messer
getötet.
Am Mittwoch hatte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa gegen Poroschenko
ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dem Ex-Präsidenten werden
rechtswidrige Handlungen bei der Ernennung von Serhij Semotschko zum
stellvertretenden Chef des militärischen Auslandsgeheimdienstes
vorgeworfen. Poroschenko, der noch 2018 von der renommierten Zeitschrift
Nowoje Wremja als sechstreichster Oligarch der Ukraine gehandelt wurde,
droht eine mehrjährige Haftstrafe.
Selbst bei einem Freispruch in dieser Sache sieht sich Poroschenko mit
einer Reihe weiterer Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung,
Hochverrats, Überschreitung seiner Kompetenzen und Korruption konfrontiert.
Rückendeckung von der Macht hat er keine zu erwarten. Alles, was
Poroschenko gesagt habe, sei eine Lüge, zitiert die Kyiv Post Präsident
Wolodimir Selenski.
12 Jun 2020
## LINKS
[1] /Neue-Regierung-in-der-Ukraine/!5669608
[2] /Kaderkarussell-in-der-Ukraine/!5669897
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Ukraine
Wolodymyr Selenskij
Petro Poroschenko
Justiz
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