# taz.de -- Verkehrspolitische Vorstöße der CDU: Rein-Raus und Zwangsumarmung… | |
> Unter ihrem Vorsitzenden Kai Wegner will die Berliner CDU das Image vom | |
> Autofahrerverein ablegen. Die Sprüche dazu sind allerdings noch etwas | |
> gestrig. | |
Bild: Hat's verkehrstechnisch drauf: CDU-Chef Kai Wegner | |
Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine kleine PR-Agentur, aber nicht allzu | |
viele zündende Ideen. Wenn jetzt eine Partei zu Ihnen käme, die einen | |
griffigen Spruch zum Thema „Verkehr“ benötigt, was würden Sie da … na? | |
Verkehr? Oho! Ja, vermutlich würden Sie so etwas texten, wie es die | |
Berliner CDU gerade [1][als GIF in den Sozialen Medien rausgehauen] hat: | |
„Berliner Pendler: 320.000 Mal rein und raus und kein bisschen Spaß beim | |
Verkehr.“ Dazu ein Autochen mit Gesicht, das erst lacht und dann nicht | |
mehr. | |
„Anzüglich“ nannte man früher solche Späße, und auch wenn der Slogan ni… | |
im engeren Sinne sexistisch ist (oder doch, weil männliche Perspektive? | |
Nachdenksmiley), müssen sich die Christdemokraten nicht über den | |
vielstimmigen Spott wundern. Ein grüner Twitterer baute gleich ein paar | |
Fake-CDU-Banner mit ähnlichem Tiefgang: „Mein Auto ist genau wie ich: Es | |
raucht, es säuft, und manchmal bumst es auch!“ | |
Schon vor ein paar Tagen kicherte das Netz über einen [2][CDU-Slogan zum | |
Thema Elektroroller]: „#Escooter sind toll – wenn Leute nicht rasen wie | |
auf“ – Achtung, festhalten – „LSD.“ Nicht gerade die Droge, die einem | |
außerhalb der größten Berliner Oppositionspartei als erste einfällt, wenn | |
es um rücksichtslose Geschwindigkeit geht. Aber geschenkt. | |
Schließlich ist positiv hervorzuheben, dass sich der Parteivorstand unter | |
Kai Wegner zuletzt redlich Mühe gegeben hat, das alte Image vom | |
Autofahrerverein aufzulockern. Bei der digitalen Mitgliederkonferenz, auf | |
der am vergangenen Wochenende das Thema Mobilität im Mittelpunkt stand, | |
hatte Wegner neben mehr U-Bahn-Kilometern auch sicherere Radwege gefordert, | |
die Menschen dazu animierten, das Auto künftig mal stehen zu lassen – was | |
seine Partei freilich nicht davon abhält, Stimmung gegen die | |
„Pop-up-Bikelanes“ in einigen Bezirken zu machen. | |
Jetzt haben sich Wegner und Co. aber auf das „Zwangsticket“ eingeschossen: | |
Zwar ist die allgemeine ÖPNV-Abgabe bislang nicht mehr als ein mögliches | |
[3][Finanzierungsmodell in einer von der rot-rot-grünen Koalition | |
bestellten und noch nicht einmal veröffentlichten Studie] – neben Abgaben | |
für ÖPNV-Nutznießer wie Unternehmen und einer City-Maut. | |
## Jetzt doch das 365-Euro-Ticket? | |
Aber Wegner nutzt die Vorlage dankbar, um einen Keil in die | |
verkehrspolitisch wenig geschlossenen rot-rot-grünen Reihen zu treiben: Er | |
finde ja ein 365-Euro-Ticket ganz gut, sagte er zuletzt in der | |
RBB-Abendschau – weil genau diese Idee des Regierenden Bürgermeisters von | |
besagter Studie nicht vorgeschlagen wird. | |
Selbst RadfahrerInnen werden von Wegner zwangsumarmt: „Sie werden | |
zusätzlich belastet und erhalten mit dem Zwangsticket einen Anreiz, auf das | |
Fahrrad zu verzichten“, teilte der frischgebackene Verkehrsexperte mit. | |
Vielleicht sollte er sich irgendwann doch mal mit ein paar dieser | |
verrückten „Drahtesel“-BesitzerInnen treffen. Und sie fragen, ob er mit | |
dieser Prognose wirklich richtig liegt. | |
12 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://twitter.com/cduberlin/status/1270988639825276931/video/1 | |
[2] https://twitter.com/cduberlin/status/1270264115827597314/video/1 | |
[3] /Debatte-um-kostenlosen-Nahverkehr/!5692321/ | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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