Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- NRW-Ministerpräsident Laschet und Corona: Der arme Armin
> Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet hat es nicht leicht. Immer
> sind die anderen schuld. Fast kann man ein bisschen mitfühlen.
Bild: Ministerpräsident Armin Laschet hatte schon bessere Tage
Armin Laschet kann einem leidtun. Fast jedenfalls. Eigentlich wollte
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident längst Bundeschef der CDU sein, im
April gekrönt von einem Bundesparteitag in der Bundeshauptstadt Berlin. Vor
der Bundespressekonferenz hatte der Rheinländer [1][Laschet seine
Kandidatur zum Merkel-Nachfolger am 25. Februar angekündigt]. Als
bekennender Karnevalist wird Laschet diesen Veilchendienstag sein Leben
lang nicht vergessen. Danach war Aschermittwoch, und alles war vorbei:
Corona kam. Und Laschet war wieder nur Provinzfürst.
Dann tauchte mit Bayerns Regierungschef Markus Söder auch noch ein
Konkurrent auf, den Laschet überhaupt nicht auf dem Schirm hatte. Fest
hatte er daran geglaubt, dass der Bundesvorsitzende der CDU den ersten
Zugriff auf die Kanzlerkandidatur haben würde und nicht irgendein
bayerischer Christsozialer.
Keine Chance sollte Söder haben, doch die nutzte er: Wie weiland
CSU-Heiland Franz Josef Strauß gab der Franke den bayerischen Hardliner.
[2][Söder rief den Katastrophenfall aus]. Seine Polizei verhaftete Leute,
die allein auf einer Parkbank ein Buch lasen. Und Söder war mit fescher,
mit Bayerns blau-weißen Rauten geschmückter Maske auf allen Kanälen.
Laschet dagegen rutschte vor Schreck prompt der Lappen von der Nase. Bei
einem Besuch des Klinikums Aachen traute sich niemand aus seiner Entourage,
dem Ministerpräsidenten zu sagen, dass die Bezeichnung Mundschutz nicht
wörtlich zu nehmen ist. Mit Söders neuer Rolle als allerhärtester
Coronabekämpfer der Republik hatte der Mann aus Aachen nur eine Chance: Er
musste sein traditionell liberales Image ausbauen.
## Die Nase vorn
Und Laschet lieferte. Ausgangssperren gab es in NRW nie. Die Baumärkte
blieben offen. Und Hunderttausende fleißige Bürger*innen nutzen die
Beschäftigungstherapie: Sie renovierten und entrümpelten, als gäbe es kein
Morgen. Und sorgten für Massenaufläufe auf, nun ja – Mülldeponien.
Die Nase vorn haben wollte Laschet auch beim Ausstieg aus seinem
Light-Lockdown. Der Rheinländer entdeckte sein Herz für die ostwestfälische
Küchenindustrie, ließ als Allererstes Möbelhäuser öffnen. Seine
Fastvorgängerin Merkel ärgerte sich über „Öffnungsdiskussionsorgien“. D…
in NRW durfte FDP-Bildungsministerin Yvonne Gebauer Chaos verbreiten: Sie
forderte Unterricht, am besten sofort. In den Schulen fehlten Seife,
Handtücher und Räume für genug Abstand. Laschets Problem war das nicht: Da
müssten doch jetzt mal die Städte ran, fand er.
In der Düsseldorfer Staatskanzlei fuhren Laschets Spin Doctors also volles
Risiko. Von Anfang an war klar, dass jeder neue Corona-Hotspot ihrem
obersten Lockerer auf die Füße fallen würde. Jetzt ist das tiefschwarze
Westfalen rund um den Riesenschlachthof von Fleischbaron und
Schalke-Aufsichtsrat Clemens [3][Tönnies Infektionsherd], und der
[4][Urlaub vieler treuer CDU-Wähler*innen könnte ins Wasser fallen]: Zwar
dürfen sie die Kreise Gütersloh und Warendorf verlassen. Doch
Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und auch Bayern
erlauben Übernachtungen nur noch mit negativem Coronatest.
Laschet muss nun vor der „Stigmatisierung“ der Ostwestfalen warnen. Schuld
daran sollen aber mal wieder andere sein: Der Hotspot Schlachthof habe mit
seinen Lockerungsübungen „überhaupt nichts“ zu tun, lautete seine erste
Verteidigungslinie, „weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind und da
der Virus herkommt“.
Heute ist dem Ministerpräsidenten der Satz peinlich. Buhmann ist jetzt
Clemens Tönnies. Dabei war der Milliardär lange großzügig, hat seit 2005
immerhin 147.000 Euro an die CDU gespendet. Lange durfte Tönnies trotz
Corona in seinem Schlachthof machen, was er wollte: Abstandsregeln wurden
nicht eingehalten, Leiharbeiter in billigen Wohnungen zusammengepfercht.
Jetzt gilt er als unkooperativ. Laschet reicht’s. Per Verfügung wurde
Tönnies’ Laden dichtgemacht.
In Ostwestfalen, wo die Leute in Schlangen für Corona-Massentests anstehen,
findet das kaum noch jemand lustig. Laschets letzte Hoffnung: Dass
Tönnies-Beschäftigte nicht viele andere infiziert haben. Falls doch,
dürften die am 13. September anstehenden Kommunalwahlen nicht nur in
Gütersloh und Warendorf zum Massaker für die CDU und Laschets Ambitionen im
Bund werden. Aber dann: Kein Mitleid.
26 Jun 2020
## LINKS
[1] /Gerangel-um-CDU-Vorsitz/!5665834
[2] /Kampf-gegen-Corona-Pandemie/!5671826
[3] /Corona-Massnahmen-in-NRW-und-Berlin/!5696818
[4] /Corona-Hotspot-Nordrhein-Westfalen/!5691414
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Armin Laschet
Nordrhein-Westfalen
CDU
Armin Laschet
Merkel-Nachfolge
Freistaat Bayern
Kanzlerkandidatur
CDU
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Umstrittener Auftrag für Schutzmasken: Vorwurf Vetternwirtschaft
Über den Sohn von NRW-Ministerpräsident Laschet hat das Unternehmen van
Laack einen Millionen-Auftrag bekommen. Die Aufregung ist groß.
Machtkampf in der Union: Maloche statt Märchenschloss
Nach dem Prunk-Empfang durch Markus Söder besuchte Angela Merkel nun auch
Armin Laschet. Die NRW-Stippvisite verlief betont bodenständiger.
Merkel besucht Bayern und Söder: Ein Traumpaar im Märchenschloss
Kanzlerin Merkel nimmt an einer Sitzung des bayerischen Kabinetts teil. Was
nach langweiligem Arbeitstreffen klingt, wird zum pompösen Spektakel.
Markus Söders mögliche Kanzlerkandidatur: Ein kraftvolles Jein
Will CSU-Chef Markus Söder Kanzlerkandidat werden? Dafür spricht mehr als
die Kutschfahrt, die er mit Kanzlerin Angela Merkel geplant hat.
Armin Laschet als CDU-Vorsitzender: Kandidat außer Tritt
Armin Laschet will den CDU-Vorsitz übernehmen. Corona wäre seine Chance
gewesen, sich für den Job zu profilieren. Er hat sie nicht genutzt.
Corona-Hotspot Nordrhein-Westfalen: Laschet gar nicht mehr locker
Schnellere Lockerungen hatte der NRW-Ministerpräsident gefordert. Jetzt
gilt Ostwestfalen als Hotspot. Und Armin Laschet kommt unter Druck.
Corona-Ausbruch in NRW: Laschet verteidigt Krisenmanagement
Ministerpräsident Laschet verteidigt sein Vorgehen im Fall Tönnies und
warnt davor, Gütersloher zu stigmatisieren. Österreich warnt derweil vor
Reisen nach NRW.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.