# taz.de -- Die Wahrheit: Absturz statt Denkmal | |
> Neues aus Neuseeland: Auch am Ende der Welt bläst die Jugend zum | |
> Bildersturm. Stürzt die Eroberer, versenkt die Pioniere tief in der | |
> Südsee! | |
Bild: In Surinam geboren, gegen Rassismus aktiv: Marian Markel vor dem antikolo… | |
Als 2011 ein schweres Erdbeben Christchurch platt machte, entschied Mutter | |
Natur, dass kolonialherrschaftliche Köpfe rollen müssen. Die Gründungsväter | |
John Godley, Robert Scott und William Rolleston fielen damals allesamt vom | |
Sockel. Rollestons Statue brach sich gar das Genick. Seit Black Lives | |
Matter nehmen Kiwis die Sache jedoch selber in die Hand und stechen mit | |
ihren Aktionen Denkmalstürmer von Washington bis Bristol aus. | |
Aotearoa hat ein schweres Erbe: Blut und Unrecht klebt an der Geschichte | |
der europäischen Pioniere, die im 19. Jahrhundert ihre südlichste Kolonie | |
besiedelten, Krankheiten einschleppten, Land konfiszierten, plünderten, | |
vergewaltigten und das Waitangi-Partnerschaftsabkommen mit den Maori über | |
ein Jahrhundert lang missachteten. Auch wenn kein Genozid wie in Australien | |
stattfand, beherrschten Rassisten das Land. Jetzt sollen sie verschwinden. | |
Die Entthronungen begannen mit Namen. Das alteingesessene Restaurant Bully | |
Hayes, benannt nach einem der schlimmsten Sklavenhändler im Pazifik, kam | |
unter Beschuss. Dieser Name, so ein akademischer Twitterer, sei ungefähr so | |
passend, wie in hundert Jahren eine Kneipe nach dem rechtsextremistischen | |
Moschee-Attentäter von Christchurch zu benennen. Der Barbesitzer lenkte | |
ein. Sein Laden wird bald umgetauft. | |
Ähnlich erging es dem Cook in Dunedin, benannt nach dem umstrittenen | |
Seefahrer James Cook, dessen Name vom höchsten Berg bis zu besagter | |
Musikkneipe in Neuseeland inflationär ist. Wobei man hinterfragen kann, ob | |
Cook wirklich als „Entdecker“ gefeiert werden sollte angesichts der | |
Tatsache, dass Maori sich bereits 500 Jahre früher auf den Weg aus | |
Polynesien zu den neuen Inseln machten. Nach Protesten heißt The Cook jetzt | |
Dive. Also Absturz. | |
## Aus Hamilton wird Arschloch | |
Dann ging es an die Büsten und Denkmäler. In der Kleinstadt Hamilton wurde | |
die Statue von Käpt’n John Hamilton offiziell abmontiert, nachdem | |
Maori-Aktivist Taitimu Maipu sie zuvor mit roter Farbe und einem Hammer | |
bearbeitet hatte. Stadtgründer Hamilton, der Maori-Festungen zerstörte, war | |
laut Maipu „ein Arschloch, ein absolutes Arschloch“. | |
Nachdem Maipu versuchte, Hamiltons Nase zu zertrümmern, stellte er sich | |
persönlich beim Stadtrat vor, um aktenkundig zu werden. Im vorigen Jahr | |
spazierte er in einem Ku-Klux-Klan-Gewand ins Bürogebäude der | |
Technologiefirma Gallagher, weil der Sohn des Firmengründers in einer Rede | |
vor Geschäftsleuten den Vertrag von Waitangi abgewertet hatte. | |
Maipus antikolonialistische Heldentaten verblassen jedoch gegen die | |
subversiven Kräfte in Christchurch, die sich vergangene Woche an einer | |
Ikone des britischen Empires vergriffen. Vor dem Café C1 Espresso stehen | |
Bronze-Corgis. Die Lieblingshunde der Queen wurden 2003 zu ihrem goldenen | |
Jubiläum errichtet, jeder ist 8.000 Dollar wert. Jetzt sind sie blau | |
verfärbt. „Gloom“ – Düsternis – sprühten Denkmalstürmer darauf. Ein… | |
Lichtblick. | |
25 Jun 2020 | |
## AUTOREN | |
Anke Richter | |
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