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# taz.de -- Die Wahrheit: Blumen für Bloomfield
> Neues aus Neuseeland: Der führende Virologe Aotearoas gilt als Sexsymbol
> und wird hymnisch besungen. Jetzt verschwindet er aus der Öffentlichkeit.
Alle jubeln unserem „Team von fünf Millionen“ zu: Aotearoa hat Corona
besiegt. Offiziell ist die Pandemie in unserem Inselstaat ausgemerzt, weil
die heilige Jacinda früh genug reagiert und alles dicht gemacht hat. Eine
Woche später, und uns hätte ein zweites Italien in der Südsee gedroht, mit
Langstreckenflügen als Virenbrutkästen und weniger Intensivbetten pro Kopf
als Europa.
Seit dieser Woche ist plötzlich wieder normales Leben ohne Masken und
Distanz möglich. In die Freude über Kneipenbesuche und Skiferien mischt
sich Wehmut. Nicht nur, weil wir uns die leeren Pisten mit Australiern
teilen müssen, wenn es bald eine Grenzöffnung zum großen Bruder gibt. Oder
weil wir dennoch trauern, wie viel schlechter es dem Rest der Welt geht.
Wir bereiten uns auf eine Flüchtlingswelle aus Amerika vor.
Was vor allem die heterosexuellen Frauen Neuseelands am meisten betrübt: Ab
sofort müssen wir auf unser Mittagsstündchen mit Dr. Ashley Bloomfield
verzichten. Er ist der Generaldirektor des Gesundheitswesens und stand
täglich um Punkt eins neben Jacinda Ardern vor den Fernsehkameras der
Nation, um live von der Covid-Front zu berichten: Neuansteckungen,
Genesungen, der erste Todesfall. Immer ruhig, immer wissend – mitfühlend
und transparent.
Bloomfield als den Propagandaminister unserer größten Führerin aller Zeiten
zu bezeichnen, würde verzerren, was für eine Lichtgestalt der schmale,
bebrillte Bürokrat in den sieben dunklen Wochen des Lockdowns für die Kiwis
war. Die Pressekonferenzen waren wie Gottesdienste, die Millionen Menschen
Hoffnung und Richtung gaben – ein Ritual, für das es im säkularsten Land
der Welt so schnell keinen Ersatz geben wird.
Der Ruhm des Mediziners stellt den Hype um Professor Drosten weit in den
Schatten. Es gibt Facebook-Fanclubs, Songs und einen Rap für Arderns
Frontmann. Eine TV-Moderatorin dichtete eine patriotische Liebeshymne, in
der sie reimend von ihrem „Crush“ schwärmt: „Er ist der DJ der Gesundhei…
so nett und schlau.“ Eingefleischte Bewunderer bezeichnen sich als „Ash
Heads“, angelehnt an „Dead Heads“, die Groupies der Grateful Dead.
Wie wird es für die Ashley-Süchtigen ohne ihre mittägliche Dosis
weitergehen? Entzug droht all den liebestrunkenen Tweetern und Followern
ohne die „Hour of Power“. Und was wird aus dem stillen Superstar, unserem
heimlichen Sex-Symbol, wenn er nicht mehr mit nervigen Journalistenfragen
konfrontiert wird? Selbst zu 5G und Desinfektionsmittel-Spritzen musste das
Pandemie-Pin-up sich äußern. Wir waren empört.
Unsere 40 Tage mit Dr. Bloomfield – der Name allein klingt nach
Schäferstündchen auf Blumenwiesen – sie waren leider nur ein kurzer Traum.
Hirnsex und Halt für all die Eingesperrten, die auf Tinder-Dates und ihre
Fernbeziehungen verzichten mussten. Da kann Jacinda noch so viele
Freudentänzchen machen: An Ashley kommt niemand mehr ran.
11 Jun 2020
## AUTOREN
Anke Richter
## TAGS
Neuseeland
Schwerpunkt Coronavirus
Jacinda Ardern
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