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# taz.de -- Corona schadet Öl- und Gasindustrie: Fracking leidet unter Virus
> Der Zusammenbruch der Nachfrage nach Öl und Gas durch Corona trifft die
> US-Schiefergasförderer hart. Jobs sind in Gefahr, Erneuerbare
> profitieren.
Bild: Coronakrise bei den Frackern: Chevron-Anlage in Midland, Texas
Midland taz | US-Zeitungen sparen nicht mit drastischen Worten: „Einst im
Höhenflug, nun dem Absturz nah“ oder „Fracking-Pionier wankt“ lauten die
Schlagzeilen. Grund für die Aufregung: Chesapeake Energy, der sechstgrößte
Öl- und Gasproduzent des Landes, fällt der Energiekrise als Folge der
Covid-19-Pandemie zum Opfer. Das Unternehmen plane, innerhalb der kommenden
Tage Konkurs anzumelden, meldete die Nachrichtenagentur Reuters.
Mit Chesapeake aus Oklahoma City trifft es einen Pionier der
Schiefergasindustrie, aber es ist [1][nicht das erste Unternehmen]. Schon
im April war die Whiting Petroleum Corporation betroffen, weitere folgten.
Das [2][Desaster] trifft eine lange boomende Branche mit Tausenden Jobs,
Milliardeninvestitionen liegen auf Eis. Umweltschützer dagegen hoffen auf
eine Atempause fürs Klima und einen Konkurrenzvorteil für die erneuerbaren
Energien.
Der Zusammenbruch der Nachfrage nach Öl und Gas durch die Pandemie hat die
US-Fracking-Industrie hart getroffen. Seit Mitte März fiel die Zahl der
aktiven Öl- und Gasbohranlagen in den USA um etwa 50 Prozent und erreichte
im Mai das niedrigste Level seit 1987. Die Ölförderung brach um 11 Prozent
ein. Laut der Beraterfirma Rystad Energy sind bereits mehr als 100.000 Jobs
eingespart worden.
Der Preisverfall bedroht die ganze Industrie, denn die Förderung ist
aufwendig und teuer. US-Firmen gelten als Pioniere bei der Technik des
horizontalen Bohrens und dem anschließenden „Hydraulic Fracturing“ – dem
„Fracking“, das Öl und Gas aus bislang nicht erschließbaren
Gesteinsschichten holt.
## Netto-Exporteur von Öl und Gas
Mit dem Boom haben sich die USA in den vergangenen Jahren vom
Netto-Importeur zum Netto-Exporteur von Öl und Gas gewandelt. Vor allem auf
diesen billigen fossilen Rohstoffen beruht die Politik der aggressiven
„Energie-Dominanz“, mit der die US-Regierung Märkte und Regierungen auf der
ganzen Welt unter Druck setzt.
Der Ölpreis hat sich zwar nach Rekordtiefständen wieder etwas erholt.
Jedoch gilt das Fracking schon lange als finanziell extrem risikoreich –
und war schon vor der Pandemie in Schwierigkeiten. Die Industrie sitzt auf
einem riesigen Berg Schulden. Bereits 2019 meldeten laut [3][Institute for
Energy Economics and Financial Analysis] (IEEFA) insgesamt 42
US-Fracking-Firmen Konkurs an. Dabei ging es um fast 26 Milliarden Euro
Schulden – doppelt so viel wie im Jahr zuvor.
Für den Export des Gases entstehen derzeit für Dutzende von Milliarden
Dollar Terminals an der US-Küste. Auch hier hinterlässt die Coronakrise
erste Spuren. „Wir erleben echte Veränderungen in der Nachfrage und eine
erneute Skepsis der Investoren gegenüber dem Flüssigerdgas-Boom,“ sagt
Clark Williams-Derry, Energie-Finanzanalyst beim IEEFA. „Der Brennstoff hat
seinen Glanz verloren. Er ist nicht mehr der Musterknabe des Öl- und
Gassektors.“
## Nachfrage nach Flüssigerdgas wächst nicht mehr
Es gebe derzeit 60 Prozent weniger bestellte Ladungen als im März. Anfang
Juni schickten die USA nur ganze fünf Flüssiggastanker aufs Meer – mit so
wenig Volumen wie seit Juni 2017 nicht mehr. Deshalb verzögere sich der Bau
von geplanten Exportterminals, sagt Williams-Derry. „Es ist fast sicher,
dass ein Teil davon nicht gebaut wird.“
Auch langfristig werde die Nachfrage nach Flüssigerdgas nicht mehr wachsen
wie bisher angenommen, sagt der Analyst. „Das gibt den erneuerbaren
Energien mehr Zeit, an Boden zu gewinnen – sowohl im Hinblick auf
Kostensenkungen als auch auf technologische Verbesserungen.“
Für das Klima ist die Krise also positiv – zumindest vorerst. „Durch das
Runterfahren der globalen Wirtschaft und dadurch bedingte geringere
Förderung werden die Treibhausgasemissionen sicherlich sinken, aber ich
erwarte nicht, dass das von Dauer ist“, sagt Colin Leyden, Experte der
Umweltorganisation Environmental Defense Fund (EDF).
Laut Leyden könnte die Krise aber eine Chance sein. Denn nicht nur beim
Verbrauch, sondern auch bei der Öl- und Gasförderung werden große Mengen
Treibhausgasemissionen freigesetzt. Einerseits entweicht bei Produktion
und Transport Methan – der Hauptbestandteil von Erdgas und als Treibhausgas
um ein Vielfaches stärker als CO2.
## Image des saubersten fossilen Brennstoffs
Anderseits kommen Gas und Öl häufig aus ein und demselben Bohrloch. Ist die
nötige Speicher- und Transportinfrastruktur noch nicht vorhanden, wird das
Begleitgas abgefackelt, um die sehr viel lukrativere Ölförderung nicht
aufzuhalten. In bestimmten Gebieten von Texas führte das zuletzt zu sehr
hohen Emissionen. Dabei haftet Gas immer noch das Image des saubersten
fossilen Brennstoffs an.
Hier, so Leyden, sollte man ansetzen. In Gesprächen mit Unternehmen
versuchen er und seine KollegInnen die Industrie dazu zu bringen, die
jetzige Phase verminderter Tätigkeit zu nutzen, um die Produktion sauberer
zu bekommen. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, uns auf einen anderen Pfad
zu lenken – vor dem nächsten Boom.“
Die Recherche für diesen Artikel wurde durch den American Council on
Germany und Clean Energy Wire unterstützt.
22 Jun 2020
## LINKS
[1] /Studie-zum-Ende-fossiler-Energie/!5690422
[2] /Gefallene-Oelpreise-auf-dem-Weltmarkt/!5682258
[3] https://ieefa.org/ieefa-update-bankruptcies-multiply-for-fracking-sector/
## AUTOREN
Julian Wettengel
## TAGS
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