Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Regierungsbildung im Kosovo: Knapp ins Amt
> Im Kosovo hat das Parlament Avdullah Hoti zum neuen Ministerpräsidenten
> gewählt. Trotz Corona versammelten sich Demonstranten in der Hauptstadt.
Bild: Anhänger der Partei Vetevendosje protestieren am Mittwoch in Prishtina
Split taz | Mit einer hauchdünnen Mehrheit von 61 der 120 Abgeordneten hat
das Parlament in Kosovo am Mittwoch den Chef der Demokratischen Liga Kosova
(LDK) Avdullah Hoti zum neuen Ministerpräsidenten gewählt.
Damit ist der erst seit Februar amtierende linke Regierungschef Albin Kurti
vorerst von der Macht verdrängt. 24 Abgeordnete stimmten gegen Hoti, einer
enthielt sich. Die restlichen Parlamentarier, alle Mitglieder von Kurtis
Partei Vetevendosje (Selbstbestimmung), glänzten durch Abwesenheit.
Der neuen Regierung gehören neben der LDK vier weitere Parteien an –
darunter auch die von Belgrad unterstützte serbische Partei Srpska Lista.
Kurti war Ende März durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden und hatte
seitdem geschäftsführend regiert. Er und seine Partei Vetevendosje hatten
bis zuletzt versucht, die Wahl Hotis durch das Parlament zu verhindern und
stattdessen Neuwahlen zu erzwingen.
## Gang vors Verfassungsgericht
Um dieses Ziel zu erreichen, hatten sie auch [1][das Verfassungsgericht]
angerufen. Dieses hatte jedoch am Donnerstag vergangener Woche entschieden,
dass der Auftrag von Präsident Hashim Thacian an Hoti, eine neue Regierung
zu bilden und auf Neuwahlen zu verzichten, im Einklang mit der Verfassung
stehe.
Kurz nach der Urteilsverkündung, die Beobachter als Teil eines abgekarteten
Spiels bewerten, war es in der Hauptstadt Prishtina trotz der
Corona-Pandemie zu Protesten gekommen. Auch die Parlamentssitzung am
Mittwoch war wieder von Kundgebungen begleitet. Polizisten hielten
aufgebrachte Demonstranten davon ab, in das Parlamentsgebäude einzudringen.
Einige skandierten Slogans wie „Diebe ins Gefängnis!“, „Wir wollen Wahle…
und „Kurti, wo auch immer Du bist, ganz Kosovo ist mit Dir!“. Auf einem
Plakat stand: „Ich werde nicht zulassen, dass mein Votum manipuliert wird!“
Avdullah Hoti gehört zur Spitzenriege des konservativen Teils der
Demokatischen Liga und wird die Politik umsetzen, die im Hintergrund
bereits skizziert ist. Zu erwarten sind baldige Verhandlungen mit Serbien,
die auch die Trump-Administration unterstützt.
## Außenpolitischer Erfolg
Die Amerikaner streben mit dem Austausch von Territorien zwischen Serbien
und Kosovo eine Friedensregelung an, um Präsident Donald Trump noch vor den
Wahlen in den USA zu einem außenpolitischen Erfolg zu verhelfen. Demnach
sollen vor allem von Serben bewohnte Gebiete Nordkosovos an Serbien fallen,
Gebiete in Südserbien, in denen vor allem Albaner leben, werden Kosovo
zugeschlagen.
[2][Kurti] ist ein entschiedener Gegner dieser ethnisch definierten Politik
und will eine soziale Bürgerdemokratie etablieren, in der alle
StaatsbürgerInnen gleichberechtigt sind. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel
hatte mehrmals vor der „Öffnung der Büchse der Pandora“ gewarnt. Denn der
Austausch von Territorien auf ethnischer Grundlage könnte sowohl in
Nordmazedonien – wo die albanische Minderheit dann einen Anschluß an Kosovo
fordern könnte –, in Montenegro und vor allem in Bosnien und Herzegowina zu
neuen Konflikten führen.
Aber diese Befürchtung teilen in Brüssel offensichtlich nicht alle. So
forderten der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und der EU-Kommissar für
Nachbarschaftspolitik Oliver Varhelyi, dass der Dialog mit Serbien wieder
aufgenommen werden müsse. Jetzt wolle man Fortschritte auf dem Weg Kosovos
in die EU sehen, hieß es in einer Erklärung. Damit deutet sich an, dass ein
Konflikt mit den USA vermieden werden soll. Das jedoch könnte die bisherige
Position der EU unterhöhlen.
3 Jun 2020
## LINKS
[1] /Justiz-und-Reformen-im-Kosovo/!5689225
[2] /Regierungsbildung-in-Kosovo/!5657274
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Kosovo
Serbien
Hashim Thaci
Kosovo
Kosovo
Kosovo
Kosovo
serbische Minderheit im Kosovo
## ARTIKEL ZUM THEMA
Anklage gegen Kosovos Präsidenten: Elite im Abseits
Das Sondergericht in Den Haag erhebt Anklage wegen Kriegsverbrechen gegen
den amtierenden Präsidenten des Kosovo. Das wurde auch Zeit.
Justiz und Reformen im Kosovo: Rückschlag für Albin Kurti
Ein Urteil des Verfassungsgerichts beendet die Ambitionen des
reformorientierten Ex-Premiers. Demonstranten versammeln sich in Prishtina.
Regierung im Kosovo gestürzt: Zu viel Druck auf Albin Kurti
Weil er Gebietstausche nach ethnischen Kriterien ablehnte, stellte sich
Kosovos neuer Premier Albin Kurti gegen die USA. Jetzt ist er abgewählt.
Kosovos neue Koalition vor dem Aus: Krach um Corona im Kosovo
Kosovos rechte Partei LDK will wegen Corona sofort den Ausnahmezustand.
Ministerpräsident Albin Kurti lehnt ab. Die Regierung könnte darüber
platzen.
Regierungsbildung in Kosovo: Ein Mann der Widerworte
In den 90er Jahren kämpfte Albin Kurti für Kosovos Unabhängigkeit. Bald
könnte er als neuer Regierungschef einen radikalen Wandel anstoßen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.