Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Brexit-Verhandlungen: Showdown per Videoschalte
> Die vorerst letzte Verhandlungsrunde über ein neues Handelsabkommen
> zwischen Großbritannien und der EU beginnt. Mit Sturheit auf beiden
> Seiten.
Bild: Es bleibt nur noch wenig Zeit, um einen „No-Deal-Brexit“ zu vermeiden
Berlin/Brüssel taz | Den Begriff „No Deal“ hatte die EU eigentlich aus
ihrem Wörterbuch gestrichen. Schließlich ist Großbritannien aus der Union
ausgetreten – mit einem ordentlichen Vertrag. Doch nun geht schon wieder
die Angst vor einem „No Deal“ in Brüssel um – im Zusammenhang mit dem
Handelsvertrag, der die EU-Mitgliedschaft ersetzen soll.
„Wir stehen kurz vor dem Moment der Wahrheit“, erklärte der
SPD-Handelsexperte im Europaparlament, Bernd Lange, zum Auftakt der vierten
und wohl letzten Verhandlungsrunde, die am Dienstag begann und per
Videoschalte läuft. Sollte sich London auch diese Woche nicht bewegen,
„[1][müssen wir uns auf einen ungeregelten, harten Brexit zum 1. Januar
2021 einstellen]“, warnt Lange.
Berichte über eine mögliche Annäherung seien „Wunschdenken“, bestätigte…
Sprecher des britischen Premierministers Boris Johnson am
Dienstagnachmittag: „Wir können nichts zustimmen, womit wir unsere Rechte
als unabhängiger Staat aufgeben würden.“
Aus EU-Sicht steht diese Haltung Londons im Widerspruch zum Brexit-Deal von
2019, das den britischen Austritt aus der EU zum 31. Januar 2020 möglich
gemacht hatte. „Großbritannien hat einen Schritt zurück gemacht, zwei, drei
Schritte, von seinen ursprünglichen Zusagen“, sagte EU-Chefunterhändler
Michel Barnier der britischen Sunday Times. Es klang wie eine Drohung.
Am 31. Dezember endet die vereinbarte einjährige Übergangsfrist, in der
alle EU-Regeln in Großbritannien vorerst weiter gelten. [2][Wenn bis dahin
kein Handelsabkommen steht], gelten ab dann die strikten Regeln der
Welthandelsorganisation WTO. Dies könnte neue Zollschranken und das Ende
des freien Zugangs Großbritanniens zum EU-Binnenmarkt bedeuten – mit, so
wird befürchtet, Chaos an den Grenzen und Einbrüchen beim Handel.
## Verlängerung ist ausgeschlossen
Die Übergangsphase kann zwar noch verlängert werden, doch das können die
beiden Seiten nur gemeinsam beschließen und laut Brexit-Vertrag bleibt
dafür nur bis Ende Juni Zeit. Der britische Premier Boris Johnson hat eine
Verlängerung aber mehrfach ausgeschlossen und dies sogar 2019 in der
britischen Brexit-Gesetzgebung festgeschrieben. Was das bedeutet, ist in
London umstritten. Johnsons Kritiker sagen, er steuere auf einen No-Deal
zu. Seine Anhänger sagen, nur das Festhalten an der Frist mache eine
Einigung möglich; wenn man sich jetzt schon auf eine Verlängerung
verständige, weiche jeder Druck, sich zu einigen.
Wichtig dabei ist: Je länger die Übergangsphase andauert, desto länger muss
Großbritannien alle EU-Beschlüsse umsetzen und in den EU-Haushalt
einzahlen, so als wäre es Mitglied. In konservativen Kreisen in London
kursieren astronomische Zahlen, was das die Briten kosten könnte, vor allem
unter Berücksichtigung der EU-Pläne für gigantische
Corona-Wiederaufbauprogramme. Und man vermutet, dass Brüssel genau aus
diesem Grund eine Verlängerung möchte, und nicht, weil kein Deal in
Reichweite sei.
Doch Johnson versteht unter einem Deal etwas völlig anderes als Barnier
oder von der Leyen. Der Brite strebt ein Freihandelsabkommen mit der EU
nach dem Vorbild des Ceta-Deals mit Kanada an – ohne Zölle, Quoten oder
andere Handelsschranken.
Demgegenüber will die EU Großbritannien so nah wie möglich am Binnenmarkt
halten. Das Stichwort heißt „level playing field“, also gleiche oder
annähernd gleiche Standards bei Steuern, Abgaben und in der Sozial- und
Umweltpolitik, vom Europäischen Gerichtshof kontrolliert – eine rote Linie
für London.
Zudem fordert die EU gleichbleibenden Zugang der Fischereiflotten der
EU-Staaten zu den britischen Fischgründen. Großbritannien hingegen will
lieber ein regelmäßig neu ausgehandeltes Fischereiabkommen, so wie die EU
es mit Norwegen hat.
„Man lässt uns keine echte Wahl“, klagt der britische Chefunterhändler
David Frost. Brüssel biete nur alles (Freihandel zu EU-Regeln) oder nichts
(WTO-Zölle). London strebe einen Kompromiss zwischen diesen beiden Extremen
an. Damit dies möglich werde, müsse Brüssel aber endlich aufhören,
Großbritannien so zu behandeln, als sei es immer noch EU-Mitglied.
Johnson setzt offenbar auf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen,
um den Knoten durchzuschlagen. Doch von der Leyen ziert sich. Auf die
Frage, ob es bald Verhandlungen auf Chefebene geben würde, reagierte ein
Kommissionssprecher ausweichend. Im Prinzip seien solche Gespräche bereits
im vergangenen Herbst vereinbart worden, hieß es. Einen Termin – etwa am
Rande des nächsten EU-Gipfels am 19. Juni – wollte er jedoch nicht nennen.
Was bei der Aufregung über „No Deal“ untergeht: Selbst ohne Einigung gilt
der Brexit-Deal von 2019 weiter. Die gegenseitige Anerkennung der Rechte
von Bürgern, das Nordirland-Protokoll und all die anderen Festlegungen
behalten ihre Gültigkeit.
2 Jun 2020
## LINKS
[1] /Folgen-des-Brexits/!5657304
[2] /Nach-dem-Brexit/!5657911
## AUTOREN
Dominic Johnson
Eric Bonse
## TAGS
Schwerpunkt Brexit
Großbritannien
Europäische Union
No-Deal
Boris Johnson
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
Schwerpunkt Brexit
Großbritannien
Labour
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ökonom Gabriel Felbermayr über Freihandelsabkommen: „Es muss ja nicht TTIP …
Asiens neues Handelsabkommen setzt USA und EU unter Druck, auch Verträge
auszuhandeln, sagt Ökonom Gabriel Felbermayr. Noch wichtiger sei
Kooperation.
Handelsabkommen zwischen EU und Kanada: Zypern stoppt Ceta
Das Parlament in Nikosia stimmt gegen die Annahme des
europäisch-kanadischen Wirtschaftspakts. Abgeordnete sehen Agraprodukte
nicht genug geschützt.
EU-Binnenmarkt nach dem Brexit: Der Herr der Heringe
Boris Johnson tut gern so, als ginge es beim Brexit um die Fischerei. Das
ist Quatsch, nützt aber auch der EU.
Brexit-Spitzengespräche: Endlos-Serie der Missverständnisse
Die EU versteht wieder mal nichts. Fakt ist aber, dass die gemeinsamen
Interessen überwiegen, auch weltpolitisch. Nun ist Weitsicht und Größe
gefragt.
Videogipfel zum Brexit: Auf „Momentum“-Suche
Man wolle sich so schnell wie möglich auf die „Prinzipien“ einigen,
erklären Brüssel und London. Sie sind also noch sehr weit voneinander
entfernt.
Beratung über Post-Brexit-Abkommen: Dear Ursula, Sie können mich mal
Boris Johnson und die drei EU-PräsidentInnen wollen am Montag feststellen,
dass sie sich nicht einig sind. Eine Verlängerung der Übergangszeit ist vom
Tisch.
Migration in Großbritannien: Johnson macht eine Kehrtwende
Arbeiter*innen aus Nicht-EU-Ländern mussten bislang eine Gebühr für die
Krankenversorgung zahlen. Bei Personal im Gesundheitswesen fällt sie nun
weg.
Richtungswechsel bei der Labour-Partei: Die Tories höflich im Visier
Nach seiner Wahl zum Chef der britischen Labour-Opposition bietet Zentrist
Keir Starmer der Regierung von Boris Johnson Zusammenarbeit an
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.