# taz.de -- Trauer und Aktivismus: Wir wollen zur Ruhe kommen | |
> Der Tod George Floyds hat stärker nachgewirkt als alle ähnlichen Fälle | |
> zuvor. Schwarze Menschen brauchen aber auch Zeit zum Durchatmen und | |
> Trauern. | |
Bild: Bei der Trauerdemonstration für den erschossenen Rayshard Brooks | |
Es ist mal wieder passiert, aber etwas ist anders. [1][Es sind mehr | |
Menschen auf Demos mit uns]. Weiße Menschen. Wir sind konditioniert zu | |
denken, dass das etwas bedeutet. Wenn IHR dabei seid, gibt es dem Ganzen | |
Legitimation. Ich weiß es, meine Geschwister wissen es. Es sollte nicht so | |
sein. Unsere Menschlichkeit sollte nicht von eurer Aufmerksamkeit abhängen. | |
Doch fühlt es sich so an. | |
Ihr hört zu? Ihr bemerkt es, redet darüber, fragt an. „Hey, ich weiß, wie | |
schwer die Woche für dich ist. Ich möchte deinen, *euren* Stimmen mehr | |
Gehör verschaffen. Für meinen Podcast, für ein Meinungsstück, für eine | |
Strecke.“ Manchen von uns, die im Zuge der sogenannten Ereignisse für | |
Anti-Rassismus-Experten, Polizeigewalt-Wissende und zum allerersten Mal von | |
EUCH für Experten gehalten werden, kommt das merkwürdig vor. | |
Nicht falsch verstehen. Wir sind froh, dass es so viel größere | |
Wirkungskreise zieht als jemals zuvor. Aber was eigentlich? Auslöser war | |
der qualvolle, tragische und gewaltsame Tod von George Floyd. Aber was war | |
an seinem Tod anders als an denen davor? An Breanna Taylor? An Ahmad | |
Arbaury? An Oury Jalloh? An Robble Warsame? An allen, die keine Hashtags, | |
keine Statistiken geworden sind. | |
Wir erlauben uns nicht mehr nachzufragen. Wir sind froh, dass wir | |
stattfinden, dass ihr an uns denkt. Auch wenn es schmerzt, dass ihr jetzt | |
erst an uns denkt. Wir wollen schreien. Wo wart ihr vorher? Wir sind aber | |
froh. Wir diskutieren. Wir wollen trauern, wollen zur Ruhe kommen. Was ist | |
der Unterschied zwischen George Floyd und allen namenlosen schwarzen | |
Menschen, die im Mittelmeer ertrinken? Wir ermahnen uns. Wir müssen dankbar | |
sein. | |
Die Trauer zulassen | |
Untereinander sprechen wir leise: Hey, ich wurde angefragt, über Rassismus | |
zu sprechen. Kannst du darüber schreiben? Sprechen? Ich kann gerade nicht. | |
Warum? Ich kann nicht mehr. Sis. I feel you. Mein Bruder, wie geht’s dir? | |
Den Umständen entsprechend. Ja, mir auch. Ich schicke dir Liebe. Und Kraft. | |
Und Energie. | |
Es ist schön, mal laut traurig zu sein. Wenn es laut stattfindet, können | |
wir unsere Trauer zulassen. Aber wirklich? Oder nur einen Teil? Langsam | |
gibt’s Kritik. Manche sagen: Hey, das nützt ihr auch ein bisschen für euch | |
aus. Seid ihr vielleicht Karrieristen? Uff. Der Vorwurf tut weh. Aber ist | |
er berechtigt? Und wenn ja, was ist das für eine Gesellschaft, die uns | |
selbst in tiefer Trauer und Wut über so etwas nachdenken lässt? Was | |
bedeutet das für schwarze Menschen? Was bedeutet es für unsere kollektiven | |
Traumata, dass wir uns keine Zeit geben zum Durchatmen? Zum Fühlen. | |
Nicht immer nur abgrenzen. Nicht immer nur reagieren. Nicht erklären. Nicht | |
ständig fühlen. Nicht aushalten. Ich habe gestern auf Instagram einen Post | |
von meiner Freundin, der Journalistin Bim Adewumni gesehen: „There are | |
Black people in the future.“ Er hat mir auf eine Art Hoffnung gemacht. | |
Egal, was passiert. We are here. And we are here in the future. Ich liebe | |
uns. Es wird uns immer geben, egal, was passiert. | |
21 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Deutschlandweit-Demos-nach-Mord-an-George-Floyd/!5690812 | |
## AUTOREN | |
Anna Dushime | |
## TAGS | |
Black Lives Matter | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Kolumne Bei aller Liebe | |
George Floyd | |
Trauer | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Kolumne Bei aller Liebe | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Black Lives Matter | |
Kolumne Bei aller Liebe | |
Kolumne Bei aller Liebe | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Rassistische Stereotype beim Hautarzt: Ist das ein medizinischer Begriff? | |
Es gibt Orte, an denen man das eine erwartet, am Ende aber das Unerwartete | |
eintritt. Beispielsweise Gespräche über Stereotype beim Hautarzt. | |
Verknallt in der S-Bahn: Die Gesichtshälfte eines Fremden | |
In den letzten Wochen ist viel passiert, das mindestens schlechte Laune | |
macht. Die beste Ablenkung davon ist ein S-Bahn-Schwarm. | |
Der Sitznachbar im Zug: Mit Adolf Hitler per Du | |
Ein Wochenende in Warnemünde, um den Kopf frei zu bekommen, könnte so schön | |
sein. Wären da nicht die Mitreisenden. | |
Polizeigewalt in Hamburg: Ein Irrtum mit Folgen | |
Der Altenpfleger John H. ist grundlos ins Visier von Hamburger | |
Zivilfahndern geraten. Die Folgen der Verletzungen begleiten ihn bis heute. | |
Solidarität in der Beziehung: Ist das wirklich so schwer? | |
Schwarze Menschen verlangen nichts Außergewöhnliches von ihren weißen | |
Freund*innen. Echtes Interesse und praktische Solidarität reichen aus. | |
Freundschaften im Videochat: Verschieden erwachsen geworden | |
Erwachsenwerden sieht bei jedem anders aus, das merke ich im Zoom-Gespräch | |
mit alten Freundinnen. Wo ist die Zeit nur hin? | |
Unzuverlässig und verpeilt: Bin ich ein „Fuckgirl“? | |
„Fuckbois“ sind Männer, die sich beim Dating unter anderem durch mangelnde | |
Kommunikationsfähigkeit auszeichnen. Unsere Kolumnistin sieht Parallelen. |