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# taz.de -- Rassistische Stereotype beim Hautarzt: Ist das ein medizinischer Be…
> Es gibt Orte, an denen man das eine erwartet, am Ende aber das
> Unerwartete eintritt. Beispielsweise Gespräche über Stereotype beim
> Hautarzt.
Bild: Es lohnt immer, genau hinzusehen, bei rassistischen Stereotypen zum Beisp…
Ich war neulich beim Hautarzt, weil ich ein schmerzhaftes Neurinom
untersuchen lassen wollte. Irgendwann wurde mein Name aufgerufen. Der Arzt
erkundigte sich höflich, ob er meinen Namen richtig ausgesprochen hätte.
Hatte er, nur leicht anders betont. Nicht weiter schlimm, dachte ich. Er
hatte sich schließlich Mühe gegeben und sogar gefragt.
Ich saß also mit Mundschutz im Behandlungszimmer und erklärte ihm, warum
ich da wäre. Ich wollte unbedingt, dass dieses schmerzhafte Geschwulst
entfernt würde. Er klärte mich über Narbenbildung auf, aber ich hörte nur
halb zu, da mein Entschluss eh schon gefasst war. Ich weiß, nicht
superschlau. Jedenfalls wurde ich schlagartig hellhörig, als er mich von
oben bis unten anschaute und sagte: „Bei Ihrem“, merkwürdige Pause,
„wunderschönen ebenholzfarbenen Teint kann die Narbenbildung ganz anders
verlaufen.“ Ich erschrak, weil ich noch nie das Wort ebenholzfarben im
Zusammenhang mit meiner Hautfarbe gehört hatte. Also außer in Songs und auf
Pornhub. Und erst recht nicht beim Hautarzt. Ist das der medizinische
Begriff?
Ich sagte nichts, machte nur gedanklich eine Grimasse und erinnerte mich
selbst daran, wie schwer es ist, einen Hautarzttermin zu bekommen. Dank
Mundschutz hatte er meine Irritation kaum mitbekommen und redete
enthusiastisch weiter: „Keloide treten an bestimmten Körperstellen häufiger
auf.“ Er klopfte sich dabei links und rechts oberhalb der Brust und dann
hinten auf die Schultern. Es sah ein wenig aus wie ein witziger
Macarenatanz. Ich hatte den Ebenholzkommentar schon fast vergessen. Er
sprach weiter: „Na ja, und es gibt bestimmte Bevölkerungsgruppen, bei denen
sie häufiger auftauchen. Und dreimal dürfen Sie raten, bei wem? Richtig bei
den Schwatten.“
Ich stutzte. Das letzte Mal hatte jemand Schwatte zu mir gesagt, als ich in
einer Kneipe namens Bierdoktor arbeitete. Dort wurde aber auch mal der
Türsteher mit einem Messer attackiert. Der Bierdoktor ist kein guter
Maßstab.
## Nichts wie es scheint
Ich schaut ihn an und sagte ihm, dass ich mich mit dem Begriff nicht
wohlfühlte und er mich (und andere Schwarze) bitte nicht so nennen sollte.
Er unterbrach mich: „Also, wenn Sie mich kennen würden, dann wüssten Sie:
Ich bin kein Rassist.“ Ich entgegnete ihm, dass ich ihn ja gar nicht als
Rassisten bezeichnete hätte. Es folgten Beispiele, die mich davon
überzeugen sollten, dass er nicht rassistisch wäre.
Als er nach und nach aus der defensiven Haltung kam, entstand ein Gespräch.
Ich hatte das Gefühl, dass er zuhörte, einiges verstand und sogar sein
Verhalten reflektierte. Zum Ende hin sagt er wie aus dem Nichts: „Spielen
Sie Basketball?“ Ich war kurz davor auszurasten, weil ich nicht verstand,
warum er jetzt noch ein Stereotyp auspackte. Ich wusste nicht, was ich
sagen sollte. Dann sah ich, dass sein Blick an meinem T-Shirt hing. Ich
schaute hinunter, und mir fiel auf, dass ich ein Chicago-Bulls-T-Shirt
trug. Na ja, manchmal ist alles nicht so, wie es scheint. Ich werde morgen
von ihm operiert.
15 Aug 2020
## AUTOREN
Anna Dushime
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Kolumne Bei aller Liebe
Gesundheit
Ärzte
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Schwerpunkt Rassismus
Black Lives Matter
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