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# taz.de -- Freundschaften im Videochat: Verschieden erwachsen geworden
> Erwachsenwerden sieht bei jedem anders aus, das merke ich im
> Zoom-Gespräch mit alten Freundinnen. Wo ist die Zeit nur hin?
Bild: Manche Vorlieben verändern sich mit dem Erwachsenwerden – ob das auch …
Letzten Samstagabend habe ich mit zwei Freundinnen gezoomt: A. und J. Wir
drei haben uns vor fast zehn Jahren bei der Arbeit kennengelernt und uns
von Anfang an gemocht. Wir gingen betrunken aus Bars und verkatert ins
Büro. Wir verbrachten unzählige Raucherpausen damit, uns zu trösten und zu
lästern. Wir sind zusammen verreist (okay, es war ein Wochenendausflug nach
Potsdam), haben Geburtstage, Beförderungen und Verlobungen gefeiert.
Mit den beiden und ihren Partnern habe ich sogar gerne „Pärchenabende“
verbracht. Obwohl ich dafür ungefähr so viel übrig habe wie für
[1][achtminütige Sprachnachrichten] oder Menschen, die sich selbst
Sneakerheads nennen. Es gab, glaub ich, auch einen Zeitpunkt, zu dem wir
alle drei gleichzeitig verlobt waren.
Irgendwann bekam A. zwei Kinder, sie heiratete und zog nach Nordamerika. J.
wurde auch schwanger und zog mit ihrem Verlobten nach Australien. Ich löste
meine Verlobung auf, blieb in Berlin, stieg von [2][Aperol Spritz auf
Hennessy] um und entdeckte Tinder. Ich ging seltener verkatert ins Büro,
hatte einen Steuerberater und sagte Dinge wie: „Schmeckt super, nicht zu
süß.“ Ich war also auch erwachsen geworden, aber nicht wie A. und J.
In diesen Coronazeiten höre ich oft die Frage, ob es nicht schrecklich sei,
single zu sein. Bisher konnte ich aber nicht wirklich klagen. Memes, meine
Schwestern und Spinattiefkühlpizza sind alles, was ich brauche. Ich habe
mich auch noch nie so direkt mit meinen Freundinnen verglichen. Aber
irgendwas an diesem Gespräch war anders.
## Wodka oder Wasser
Und das lag nicht nur daran, dass J. ihre zweite Schwangerschaft
verkündete. Wir sprachen über tausend Dinge, aber viele der Neuigkeiten
unserer gemeinsamen Freunde waren entweder Schwangerschaften oder
Verlobungen oder Hochzeiten. Während wir also sprachen, schminkte ich mich
und trank Wodka-Apfelsaft (die meisten trinken es auf Studentenpartys in
irgendwelchen Kellern, ich trinke es samstagabends, wenn nichts anderes im
Haus ist). Ich wollte nämlich noch zwei Freunde treffen. Meine Freundinnen
tranken Tee und Wasser. Letzteres aus diesen Metallflaschen für die man
früher in der Schule gemobbt wurde, die aber jetzt in Prenzlauer Berg so
viel kosten wie ein gebrauchtes Fahrrad.
Klar, die Wahl der Getränke hatte außer mit Schwangerschaft sicher auch mit
den unterschiedlichen Zeitzonen zu tun, in denen wir uns befanden. Aber ich
muss sagen, mir war der Unterschied zwischen unseren Leben noch nie so
deutlich geworden. Nach zwei Stunden (bei mir war es mittlerweile ein Uhr
morgens) beendeten wir unser Gespräch, und ich machte mich leicht
angetrunken auf den Weg zu meiner Verabredung.
Dabei hatte ich kurz einen melancholischen Moment, aber als ich dann den
„Savage Remix“ mit Beyoncé und Meghan Thee Stallion hörte, war wieder all…
gut. Und richtig gut ging es mir, als ich am nächsten Tag so lange schlafen
konnte, wie ich wollte.
21 May 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Anna Dushime
## TAGS
Kolumne Bei aller Liebe
Erwachsen werden
Tinder
Pizza
Schwerpunkt Rassismus
Black Lives Matter
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