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# taz.de -- Vor dem EU-Gipfel: Eklat oder Einigung?
> Für den Wiederaufbau der EU muss vor allem Deutschland viel Geld
> lockermachen – und widerspenstige Staaten überzeugen.
Bild: Sorgenvoll: Monsieur Gipfel, EU-Ratspräsident Charles Michel
Brüssel taz | Charles Michel macht sich Sorgen. Die Debatte über den
europäischen Wiederaufbau nach Corona drohe aus dem Ruder zu laufen. Alle
27 EU-Staaten müssten sich nun einig und solidarisch zeigen, fordert der
Belgier, der als Ratspräsident die EU-Gipfel organisiert.
Für Freitag hat Michel einen Gipfel einberufen. Den ganzen Tag lang wollen
Kanzlerin Merkel und ihre Amtskollegen über den „historischen“ Vorschlag
der EU-Kommission beraten, 750 Milliarden Euro Schulden aufzunehmen, um die
Coronakrise zu bewältigen.
Doch die Solidarität bröckelt, die Videokonferenz könnte ergebnislos im
Sande verlaufen. Denn noch ist fast alles umstritten: Die Aufnahme von
EU-Schulden, die Höhe des Wiederaufbau-Programms, die Dauer der
Notmaßnahmen und die Art, wie Hilfsgelder ausgezahlt werden.
Deutschland und Frankreich hatten vorgeschlagen, 500 Milliarden Euro
Schulden aufzunehmen und diese Summe komplett als Zuschüsse an bedürftige
Staaten wie Italien zu vergeben. Die EU-Kommission zeigt sich [1][mit ihrem
750-Milliarden-Plan sogar noch großzügiger.]
## Anruf bei den geizigen vier
Doch [2][vielen Regierungen ist unwohl] bei dem Gedanken, dass das
geliehene Geld einfach so durchgereicht werden soll, als „verlorener“
Zuschuss. Wenn die EU schon Kredite aufnehme, dann dürfe sie auch nur
Kredite vergeben, meinen sie.
Vor allem die „Sparsamen Vier“, Österreich, Niederlande, Schweden und
Dänemark, vertreten diese Ansicht. Um sie zu besänftigen und einen Eklat zu
vermeiden, führte Gipfelchef Michel noch am Donnerstag lange
Telefongespräche.
## Was steht auf dem Spiel?
Eigentlich alles. Es geht um das künftige EU-Budget bis 2027, die
Bewältigung der Coronakrise und die Glaubwürdigkeit. Umso mehr kommt es nun
darauf an, dass es nicht wieder zum Eklat kommt – wie beim letzten
[3][Budgetgipfel Ende Februar] oder beim [4][Streit über „Coronabonds“ im
März].
Damals stand Merkel noch aufseiten der „Sparsamen Vier“, mittlerweile hat
sie ihre Position geändert. Sie ist auf Frankreichs Staatschef Emmanuel
Macron zugegangen, der bereits zu Beginn der Coronakrise auf finanzielle
Solidarität gepocht hatte. Nun muss sie zeigen, dass sie auch ihre
ehemaligen Verbündeten aus Nordeuropa ins Boot holen kann.
Das ist nicht nur für Brüssel wichtig, sondern auch für die
Bundesregierung. [5][Deutschland übernimmt am 1. Juli für sechs Monate den
EU-Ratsvorsitz.] Merkel möchte unbedingt verhindern, dass ein Streit ums
Geld die deutsche Präsidentschaft überschattet. Schließlich lautet das
Motto „Gemeinsam. Europa wieder stark machen“.
## Was sind die Knackpunkte?
Vier Probleme hat Ratspräsident Michel schon in seiner Einladung zum
Videogipfel am Freitag angesprochen. Neben dem Streit über Schulden und
Kredite geht es auch um die Frage, an welche Bedingungen Finanzhilfen
gebunden werden sollen – und wer am Ende für die Kosten aufkommt.
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, die Schulden erst ab 2028
zurückzuzahlen und sich dafür 30 Jahre Zeit zu lassen. Gleichzeitig sieht
Brüssel neue Eigenmittel – sprich EU-Steuern und Abgaben – vor, um die
Tilgung zu finanzieren.
Doch diese sind umstritten. So hat sich Deutschland bisher gegen EU-Steuern
gesträubt. Berlin versucht aber auch, den deutschen EU-Beitrag niedrig zu
halten. Zuletzt sorgten Berichte für Wirbel, wonach der deutsche Anteil um
42 Prozent steigen könnte. „Reine Spekulation“, hieß es in Brüssel.
Doch am Ende wird Deutschland entweder mehr in die Gemeinschaftskasse
zahlen müssen – oder doch noch EU-Steuern möglich machen. Vermutlich wird
sogar beides nötig sein, um die gewaltigen finanziellen Lasten der
Coronakrise zu stemmen.
## Wie geht es weiter?
Wahrscheinlich mit einem weiteren EU-Gipfel im Juli. Für eine Einigung sei
ein „physisches“ Treffen nötig, heißt es in Brüssel. Doch wird ein „ec…
Gipfel reichen?
Nein, heißt es aus dem französischen Präsidialamt, womöglich seien sogar
zwei Spitzentreffen nötig. „Es wird schwierig“, sagte ein Berater von
Macron. „Aber wenn Deutschland durchhält, können wir es schaffen.“
19 Jun 2020
## LINKS
[1] /Wiederaufbau-Plan-der-EU/!5685204
[2] /Finnland-kritisiert-EU-Kommission/!5690725/
[3] /Gipfel-zum-EU-Haushalt/!5665101/
[4] /EU-Gipfel-scheitert-an-Coronabonds/!5674880/
[5] /Deutsche-EU-Ratspraesidentschaft-2020-Aufbruch-fuer/!be=039ce58ad8fbe7a899/
## AUTOREN
Eric Bonse
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Schwerpunkt Coronavirus
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