| # taz.de -- Verhängnisvoller Kaffee nebenan: Corina hat Corona | |
| > Meiner Nachbarin ging es wie mir: Ihr dürstete nach menschlicher | |
| > Kommunikation. Also stattete ich ihr einen Besuch ab. | |
| Bild: ... und plötzlich kamen die Männer mit den Handschellen | |
| Jedes Mal, wenn ich seit der Coronakrise rausgehen will, bewacht Eminanim | |
| wie ein strenger Gefängniswärter die Wohnungstür. „Osman, wenn du dieses | |
| verdammte Virus reinschleppst, dann sterben wir alle jämmerlich“, schimpft | |
| sie. „Bitte, bitte, nur ein paar Minuten! Ich werde mich auch nur in | |
| menschenleeren Straßen aufhalten.“ „Aber nur zehn Minuten, hörst du?!“ | |
| „Ich danke dir! Ich bin sofort wieder zurück“, rufe ich und renne raus, als | |
| hätte ich eine zehnjährige Gefängnisstrafe in Einzelhaft hinter mir. | |
| „Hallo Welt! Ich bin wieder da“, brülle ich voller Freude, aber die Welt | |
| antwortet mir nicht. Ob die ganze Stadt plötzlich ausgestorben ist? Ich | |
| nehme trotzdem eine Seitenstraße, um weder einem Überlebenden noch einem | |
| Corona zu begegnen. | |
| „Hallo, mutiger Mann, willst du nicht zu einem leckeren Kaffee | |
| reinkommen?“, fragt mich plötzlich eine nette Nachbarin, der es wohl genau | |
| wie mir seit Monaten nach menschlicher Kommunikation dürstet. Bei Allah, | |
| wieso bin ich denn früher nie in dieser Straße gewesen? So eine | |
| gastfreundliche Nachbarin habe ich, wusste aber nichts davon. | |
| „Ich bin Corina. Wer bist du denn, mein Kleiner?“ „Wie bitte? Sie sind | |
| Corona?“, zische ich panisch. „Nein, nein, keine Angst. Ich heiße Corina�… | |
| lächelt sie. „Und ich bin der Osman“, lächele ich zurück. „Wie bitte? … | |
| bist der Osama?“, zischt sie panisch. | |
| „Nein, nein, keine Angst. Ich heiße Osman.“ | |
| „Was magst du denn, Osram? Griechisch? Französisch? Spanisch? Deutsch?“, | |
| fragt sie, ganz die höfliche Gastgeberin. „Ich möchte Ihnen keine Umstände | |
| machen, aber ich mag nur Türkisch.“ | |
| „Wie? Türkisch?“, fragt sie neugierig. „Türkischen Mokka. Ich mag nur | |
| türkischen Kaffee und dass Sie bitte die 1,5 Meter Sicherheitsabstand | |
| bewahren“, ermahne ich sie. | |
| „Soll ich dich auspeitschen, Osram? Diese Peitsche ist zwei Meter lang.“ | |
| „Warum wollen Sie mich denn auspeitschen? Nur weil ich türkischen Mokka | |
| haben wollte? Dann eben italienischen Latte macchiato.“ | |
| Plötzlich stürmen mehrere Polizisten mit Mundschutz und Plastikanzügen ins | |
| Zimmer und ketten mich mit Handschellen ans Bett. | |
| „Sie dürfen dieses Haus zwei Wochen nicht verlassen!“, brüllen sie mich a… | |
| „Sie befinden sich ab jetzt hier in Quarantäne. Diese Prostituierte ist | |
| infiziert.“ | |
| „Wie bitte? Quarantäne? Prostituierte? Infiziert?“, stammele ich zu Tode | |
| erschrocken. „Entschuldige, Osram. Ich wusste nicht, dass ich Corona habe.“ | |
| „Das ist jetzt auch egal“, seufze ich. „Wenn ich zwei Wochen im Bordell | |
| bleibe, wird mich meine Frau ohnehin noch vor dem Virus umbringen. Das | |
| Virus hat eine lange Inkubationszeit – meine Frau nicht!“ | |
| 18 Jun 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Osman Engin | |
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