# taz.de -- Plötzlich wurde ich abgeholt: Der Corona-Bunker | |
> In meiner Straße kam immer öfter der Krankenwagen. Alle meine Freunde | |
> wurden schon abgeholt. Und dann war ich an der Reihe. | |
Bild: Sieht so die Hölle aus? | |
Erst mal der ganz große Coronaskandal vorweg: Die Zahlen über die | |
Coronatoten, die die Regierung uns in der täglichen Märchenstunde erzählt, | |
stimmen kein bisschen! Von wegen nur 8.000 Tote bei 82 Millionen | |
Einwohnern. Das wäre ja nur 0,01 Prozent! Allein in unserer Straße, im | |
Karnickelweg, sind schon mindestens 50 Prozent der Leute wie Leprakranke | |
unter höchsten Sicherheitsmaßnahmen abgeholt worden und von denen gibt es | |
kein Lebenszeichen mehr! Wenn man das hochrechnet macht das 41 Millionen | |
Tote! | |
„Eminanim, der Kreis wird immer enger! Das waren alles meine Freunde“, | |
stammele ich mit zitternden Knien. | |
„Dann bleib doch einfach zu Hause, mach den Abwasch und schau mit mir | |
Serien“, sagt sie. | |
Dass ich gerade deshalb immer von zu Hause flüchte, kann ich ihr nicht | |
sagen. Als auch mein Kumpel Hasan mit großem Tamtam abgeholt wird, mit dem | |
ich noch heute Morgen beim Bäcker über den Unterschied zwischen Hefe und | |
Sauerteig debattiert habe, hält mich nichts mehr im Karnickelweg! | |
„Eminanim, ich ziehe um, bevor ich auf einer Plastikliege transportiert | |
werde!“ | |
„Wo willst du denn hin?“ | |
„Du hast recht, zieh du aus! Alle meine Freunde sind entweder im | |
Krankenhaus oder unter der Erde. Deren Frauen sind völlig alleine. Bei | |
einer von denen wirst du sicherlich unterkommen.“ | |
„Ich denk nicht dran! Bleib zu Hause, mach den Abwasch und …“ Ein | |
Notarztwagen fährt laut heulend in unsere Straße rein und hält direkt vor | |
unserer Tür an! Mein Blutdruck schießt durch die Decke und überholt locker | |
den Dax. | |
„Was ist denn los? So plötzlich krank?“, stammelt Eminanim. | |
„Diese Krankheit bricht immer plötzlich aus“, wird sie von dem | |
hereinstürmenden Notarzt im Astronautenanzug und Sauerstoffflasche im | |
Rücken belehrt. | |
Mir wird schwarz vor Augen und ich befürchte, dass ich das Coronavirus | |
arbeitslos mache und jetzt schon krepiere. | |
Kurz darauf lande ich in der Intensivstation – oder im Himmel! | |
Ich sehe alle meine Kumpels gemeinsam sitzen, fröhlich Karten spielen und | |
Bier aus der Flasche trinken. | |
„Sieht so etwa die Hölle aus?“, stammele ich total überrascht. | |
„Ist doch besser, als mit der Ehefrau in Quarantäne, oder?“, lacht Nedim | |
herzhaft. | |
„Wo bin ich denn gelandet?“, frage ich verunsichert. | |
„In unserem Bunker“, grinst Hasan. „Zuerst haben wir diesen Bunker | |
organisiert, dann haben wir aus Ahmets VW-Bus einen Notarztwagen gemacht | |
und jetzt holen wir alle unsere Freunde hierher zum dreiwöchigen Urlaub von | |
der Familie.“ | |
„Warum nur drei Wochen?“, grinse ich nach meiner Spontanheilung. „Bei | |
schweren Coronafällen dauert ein Klinikaufenthalt sogar drei Monate!“ | |
27 May 2020 | |
## AUTOREN | |
Osman Engin | |
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