# taz.de -- Beate Zschäpe legt Revision ein: NSU-Urteil auf dem Prüfstand | |
> Im NSU-Verfahren legen die Verteidiger von Beate Zschäpe ihre | |
> Revisionsbegründung vor. Der Bundesgerichtshof ist nun am Zug – und das | |
> kann dauern. | |
Bild: Akzeptiert ihre Strafe nicht: Beate Zschäpe, hier mit ihrem Verteidiger … | |
BERLIN taz/dpa | Im NSU-Verfahren geht es in die nächste Etappe. Am Montag | |
reichten die Verteidiger von Beate Zschäpe und des Mitangeklagten Holger G. | |
ihre Revisionsbegründungen ein. Jetzt muss sich der Bundesgerichtshof mit | |
dem Urteil im NSU-Prozess befassen. | |
Das Oberlandesgericht München hatte [1][am 11. Juli 2018, nach gut | |
fünfjähriger Verhandlung], Beate Zschäpe wegen der zehnfachen NSU-Mordserie | |
zu lebenslanger Haft mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt. Vier | |
Mitangeklagte erhielten Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren Haft. [2][Im | |
April legte das Gericht seine schriftliche, 3.025 Seiten starke | |
Urteilsbegründung vor]. Die Verteidiger hatten anschließend einen Monat | |
Zeit für ihre Revisionsbegründungen. Nur ein Angeklagter, Carsten S., hatte | |
sein Urteil akzeptiert. Er hatte der Terrorgruppe eine Waffe übergeben und | |
verbüßt dafür nun eine Haftstrafe von drei Jahren. | |
Im Fall von Zschäpe wurden jetzt gleich drei Revisionsbegründungen | |
eingereicht, weil sich die 45-Jährige im NSU-Prozess mit ihren | |
ursprünglichen Pflichtverteidigern Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang | |
Stahl überworfen hatte und einen vierten Verteidiger, Mathias Grasel, | |
durchsetzte. Sturm und Heer verfassten nun eine gemeinsame Begründung, die | |
laut SWR insgesamt 2.300 Seiten und sieben Verfahrensrügen umfasst. Stahl | |
bestätigte der taz, dass er einen eigenen Schriftsatz mit einer Sachrüge | |
einreichte, weitere Ausführungen werde er nachreichen. Den dritten Antrag | |
reichte Grasel nach eigener Auskunft am Montag ein. | |
Alle Zschäpe-Verteidiger halten es nicht für tragbar, dass die Angeklagte | |
als gleichwertige Mittäterin neben ihren Untergrundkumpanen Uwe Böhnhardt | |
und Uwe Mundlos verurteilt wurde – obwohl sie an keinem Tatort war. Die | |
Morde, Anschläge und Raubüberfälle hätten vielmehr allein die Männer zu | |
verantworten. Grasel sagte der taz, er sehe „erhebliche Rechtsfehler“ bei | |
der Verurteilung von Zschäpe. | |
## Auch Mitangeklagte wollen Revision | |
Auch der Mitangeklagte Holger G. reichte laut Gericht eine | |
Revisionsbegründung ein. Er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er | |
dem Trio eine Waffe überbracht und Papiere überlassen haben soll. | |
Die zwei weiteren Mitangeklagten André Eminger und Ralf Wohlleben haben für | |
ihre Begründungen noch bis Freitag Zeit, weil sie die schriftlichen | |
Urteilsgründe erst später erhielten und die Frist für die | |
Revisionsbegründung erst ab Empfang läuft. | |
Im Fall André Eminger hatte auch die Bundesanwaltschaft Revision | |
angekündigt – und ihre Begründung laut Gericht ebenfalls bereits | |
eingereicht. [3][Der Zwickauer hatte dem NSU-Trio bis zum Schluss die Treue | |
gehalten und den TerroristInnen Wohnwagen, eine Wohnung und Bahncards | |
beschafft]. Die Bundesanwaltschaft stellte gar Überlegungen an, ob Eminger | |
das vierte Mitglied des NSU gewesen sei, und forderte für ihn zwölf Jahre | |
Haft. Das Oberlandesgericht aber sah das anders: Für die Richter wurde | |
Eminger erst kurz vor Ende der Anschlagsserie in die Morde eingeweiht. Das | |
Gericht verurteilte den bis heute bekennenden Neonazi deshalb nur zu | |
zweieinhalb Jahren Haft. | |
Die Bundesanwaltschaft hätte für ihre Revisionsbegründung im Fall Eminger | |
noch länger Zeit gehabt, als die anderen Verfahrenbeteiligten: bis zum 12. | |
Juni – wegen eines Fauxpas. Das Gericht hatte der Anklagebehörde zwei | |
Seiten der Urteilsgründe nicht übersandt, wie ein Gerichtssprecher der taz | |
bestätigte. Das Dokument musste deshalb noch mal neu übersandt werden. Die | |
Frage, ob das Urteil von André Eminger Bestand hat, ist von weitreichender | |
Bedeutung: Denn wenn schon der engste Vertraute nichts von den NSU-Morden | |
gewusst haben soll, [4][sind Anklagen gegen weitere Terrorhelfer weitgehend | |
aussichtslos]. | |
Liegen alle Revisionsbegründungen vor, beginnt vor dem Bundesgerichtshof | |
ein mehrmonatiges Verfahren, in dem alle Seiten noch mal Stellungnahmen | |
abgeben können. Die Richter prüfen dann, ob das NSU-Urteil inhaltlich und | |
formal fehlerfrei war. Mit einer Entscheidung wird erst im nächsten Jahr | |
gerechnet. | |
26 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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