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# taz.de -- Babys im Parlament: Angemessen und zeitgemäß
> Abgeordnete im Thüringer Landtag dürfen nun ihre kleinen Kinder zu
> Sitzungen mitbringen. Das sollte überall gelten.
Bild: Darf jetzt ihr Baby mit in den Plenarsaal bringen: Madeline Henfling
Na bitte, geht doch, möchte man am liebsten rufen. Denn was einer schon der
normale Menschenverstand sagt, hat der [1][Thüringer
Landesverfassungsgerichtshof] jetzt bestätigt: Landtagsabgeordnete in dem
ostdeutschen Bundesland dürfen fortan ihre bis zu ein Jahr alten Kinder zu
Landtagssitzungen mitbringen.
Dieser Entscheidung vorausgegangen waren das sogenannte Babygate und zwei
Klagen: Die Thüringer Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling war 2018 aus
dem Plenarsaal verwiesen worden, weil sie ihr drittes Kind, ein wenige
Wochen alter Sohn, im Tragetuch vor dem Bauch dabeihatte. Henfling hatte
sich gegen den Rausschmiss gewehrt, sie wollte einfach ihre Arbeit machen.
Sie musste sich aber der Weisung [2][des damaligen Landtagspräsidenten] und
dessen Verweis auf die Geschäftsordnung des Hauses und dem Hinweis auf den
Kinderschutz beugen.
Dagegen klagte sie, später zog die Grünen-Landtagsfraktion mit einer
weiteren Klage nach. Deren parlamentarische Geschäftsführerin Astrid
Rothe-Beinlich schlug ihrerzeit einen Kompromiss vor: Zumindest zu
Abstimmungen sollten Abgeordnete ihre Kleinstkinder mitbringen dürfen.
## Kein Recht auf Elternzeit
Die aktuelle Entscheidung ist nicht nur [3][angemessen und zeitgemäß],
alles andere erscheint geradezu wie aus der Zeit gefallen. Insbesondere in
diesen harten Monaten, die auch den härtesten Chef*innen und den
traditionellsten Politiker*innen klar vor Augen führen, dass Kinder zum
Leben und ebenso zum politischen Alltag gehören. Kinder zu haben ist keine
Ausnahme, sondern – zumindest für die meisten Menschen hierzulande – die
Regel. Daran sollten sich Gesetze und Vorschriften orientieren.
Abgeordnete haben kein Recht auf Elternzeit, ihr Mandat ist ihre
verfassungsrechtliche Pflicht. Wie sie diese auslegen, bleibt ihrem
Ermessen und Gewissen geschuldet. Das ist ein Dilemma. Denn nehmen
Abgeordnete ihre Sache ernst und entscheiden sich als (stillende) Mütter
dafür, rasch wieder zu arbeiten, werden sie von manchen parlamentarischen
Prozessen ausgeschlossen – siehe Madeleine Henfling. Entscheiden sie sich
indes für eine längere Pause, haftet ihnen alsbald der Ruf der „faulsten
Abgeordneten“ an. Mütter wie die Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska
Brantner und die [4][frühere CDU-Familienministerin Kristina Schröder]
kennen das.
Die Entscheidung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs ist ein Vergleich,
kein Urteil. Und sie gilt nur in Thüringen, also keine Abgeordnete in
Sachsen, Bremen oder Bayern kann sich darauf berufen. Auch keine
Bundestagsabgeordnete. Das kann man bedauern und kritisieren, die
Jurist*innen hätten doch mal so richtig mutig sein können. Trotzdem wird
der Thüringer Vorstoß ausstrahlen und dürften es Abgeordnete auch anderswo
in Deutschland leichter haben, ihre Kinder mit in den Sitzungssaal zu
bringen. Das wäre dann auch ein deutliches Zeichen für die
Kinderfreundlichkeit und die [5][Anerkennung elterlicher Leistungen], von
denen derzeit gerade so viel zu hören und zu lesen ist.
26 May 2020
## LINKS
[1] http://www.thverfgh.thueringen.de/webthfj/webthfj.nsf/$$serviceliste/starts…
[2] /Gruenen-Politikerin-ueber-ihre-Elternzeit/!5541173
[3] /Geburtshelfer-gegen-Hebammenmangel/!5658073
[4] /Debatte-Schroeders-Schwangerschaft/!5127601
[5] /Coronavirus-in-Deutschland/!5682493
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Feminismus
Elternzeit
Thüringen
Babygate
Hebammen
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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