| # taz.de -- Debatte Schröders Schwangerschaft: Die Ministerin und ihr Baby | |
| > Kristina Schröders Schwangerschaft ist politisch bedeutsam. Wie die | |
| > Familienministerin mit der Mutterrolle umgeht, hat Signalwirkung. Dabei | |
| > kann sie eigentlich nur verlieren. | |
| Bild: Bei Familienministerin Schröder wird, auch wenn gerade sie es nicht will… | |
| Auch wenn ihre christdemokratischen Parteifreunde nicht müde werden zu | |
| betonen, dass ihre Schwangerschaft "absolut privat" und eine "sehr | |
| persönliche Angelegenheit" sei, hat das erste Kind, das Kristina Schröder | |
| wahrscheinlich im Juli zur Welt bringen wird, eine politische Bedeutung wie | |
| kein anderes zurzeit. | |
| Allein aus dem Grund, weil Kristina Schröder die deutsche | |
| Familienministerin ist. Weil Schröder die erste Schwangere im Kabinett ist. | |
| Und weil diese Schwangerschaft Schröder die Chance bietet, sich politisch | |
| zu profilieren. | |
| Bevor sie vor gut einem Jahr das Amt von der siebenfachen Mutter Ursula von | |
| der Leyen übernahm, war Kristina Schröder 32 Jahre alt und kinderlos. | |
| Damals kritisierten das viele: Wie kann diese Frau Chefin einer Behörde | |
| sein, die sich um die Belange von Familien kümmert, wenn sie selbst gar | |
| nicht weiß, wie sich ein Mutterleben anfühlt? | |
| Das von der Leyen'sche Erbe wog schwer. Nicht nur das kinderreiche, vor | |
| allem das politische. Von der Leyen hatte die Vätermonate und das | |
| Elterngeld eingeführt und die Familienpolitik in die erste Reihe gerückt. | |
| Doch überall, wo Kristina Schröder ein Politikfeld für sich entdeckte, | |
| erntete sie Kritik, häufig sogar aus der Koalition. | |
| Feminismus findet sie überholt | |
| Die überzeugte Konservative fordert zum Beispiel einen Rechtsanspruch auf | |
| eine Pflegeteilzeit: Wer Angehörige betreuen muss, soll dafür eine | |
| berufliche Auszeit nehmen dürfen. Das Projekt ist zu Recht umstritten, FDP | |
| und Wirtschaft mauern: Das sei nicht zu bezahlen. Kristina Schröder kürzte | |
| das Elterngeld von 67 auf 65 Prozent und strich es für | |
| Hartz-IV-EmpfängerInnen und Reiche komplett. | |
| Schröder ist auch keine Freundin der Frauenquote. Die "Flexi-Quote", die | |
| sie aufgrund des Drucks aus den eigenen Reihen jetzt ins Feld führt, ist so | |
| zahnlos wie ein Papiertiger. Feminismus findet sie überholt, stattdessen | |
| will sie Jungs fördern, weil die angeblich gegenüber Mädchen benachteiligt | |
| sind. Bei vielen gleichstellungspolitischen Aktionen fehlt sie, so Anfang | |
| Dezember im Bundestag, als ein Grünen-Antrag zur 40-Prozent-Quote in | |
| Aufsichtsräten debattiert wurde. | |
| Auch den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung nahm sie am | |
| vergangenen Dienstag nicht persönlich entgegen. Und dann diese | |
| Deutschtümelei und ihre Aussagen, dass sich manche Migranten gegenüber | |
| Deutschen schlecht verhalten. Beweise dafür konnte die Ministerin, die sich | |
| vorher mit Extremismus und Islamismus beschäftigt hat, nie liefern. | |
| Seit Herbst tourt Kristina Schröder mit einer neuen Kampagne durch die | |
| Republik: "Familienbewusste Arbeitszeiten" heißt sie. Sie wirbt dafür, dass | |
| Unternehmen Arbeitszeiten ermöglichen sollen, die mit einem Familienleben | |
| kompatibel sind. Kristina Schröder schwebt eine 30- bis 35-Stunden-Woche | |
| vor, für Mütter und Väter, auch in Führungspositionen. Die Idee ist gut, | |
| eine echte Gender-Initiative. Weg von der Vollarbeitszeit für Väter und | |
| Nullarbeitszeit oder Minimalteilzeit für Mütter, hin zur Dreiviertelzeit | |
| für beide Geschlechter. Dadurch geraten Frauen nicht ins berufliche | |
| Abseits. Und Männer können beweisen, dass sie tatsächlich aktive Väter | |
| sind. | |
| Neue Familienkampagne | |
| Dass das funktionieren kann, zeigen Länder wie die Niederlande und | |
| Dänemark. In den Niederlanden gibt es das Teilzeitmodell bereits seit | |
| Jahrzehnten, dort arbeiten über 40 Prozent der ArbeitnehmerInnen verkürzt. | |
| In Deutschland haben 70 Prozent der erwerbstätigen Mütter einen | |
| Teilzeitjob. | |
| Nun könnte man mutmaßen, dass die schwangere Ministerin mit ihrer neuen | |
| Familienzeitkampagne in eigener Sache unterwegs ist. Vielleicht ist es aber | |
| auch nur ein weiteres Stück beschriebenes Papier, das ohne Konsequenzen | |
| bleibt. Das muss aber nicht sein. Denn Kristina Schröder könnte jetzt das | |
| vorleben, was sie propagiert. "Wir werden vor der gleichen Herausforderung | |
| stehen wie andere Paare in Deutschland, bei denen beide beruflich stark | |
| gefordert sind", erklärte sie. Was das genau heißt und wie Kristina und ihr | |
| Mann Ole (Staatssekretär im Innenministerium) ihre kleine Familie künftig | |
| managen wollen, ließ Schröder allerdings offen. | |
| Zwickmühle Elternzeit | |
| Nun muss sie nicht gleich nach dem ersten Ultraschallbild der | |
| Öffentlichkeit mitteilen, wie sie das in Zukunft alles machen will. Auch | |
| wenn die Öffentlichkeit genau das wissen will. Millionen andere Frauen | |
| nämlich müssen ihren Arbeitgebern mit der Bekanntgabe der Schwangerschaft | |
| erläutern, ob und wie sie nach der gesetzlichen Mutterschutzfrist weiter | |
| arbeiten. Millionen andere Familien müssen sich vom ersten Tag der | |
| Schwangerschaft an genau überlegen, wie sie das mit dem Kind hinkriegen. | |
| Warum sollen für eine Ministerin andere Regeln gelten? | |
| Zu beneiden ist Schröder in dieser Rolle nicht. Die Erwartungen sind groß. | |
| Und wie sie es auch machen wird, sie kann es eigentlich nur falsch machen. | |
| Bleibt sie dem Ministersessel länger als die 14 Wochen der gesetzlichen | |
| Mutterschutzzeit fern, so wie sie das angekündigt hatte, wird das jene | |
| konservative Kräfte freuen, die schon immer der Meinung sind, dass eine | |
| Mutter dringend zum Kind gehört und Kitas Gift für die kindliche Seele | |
| sind. Sitzt Schröder schneller wieder am Schreibtisch, wird das jene | |
| beunruhigen, die sagen: Die Frauenministerin hat keine Empathie für Frauen, | |
| die sich nicht so ein luxuriöses Leben mit Nanny, Putzfrau und Einkaufhilfe | |
| leisten können. | |
| 2008 löste Rachida Dati einen Aufschrei aus. Damals ging die französische | |
| Justizministerin fünf Tage nach ihrer Entbindung wieder ins Büro. | |
| Schwangerschaft und Geburt sind keine Krankheiten. Aber nach noch nicht | |
| einmal einer Woche nach der Niederkunft zu tun, als wäre nichts gewesen, | |
| grenzt an Selbstverleugnung. | |
| In Deutschland hat Frau Schröder keine Vorbilder. Das ist ein Nachteil und | |
| ein Vorteil. Der Vorteil überwiegt, er besteht darin, dass Kristina | |
| Schröder jetzt ein wahrhaft modernes Familienbild prägen kann. So wie das | |
| ihre Familienkampagne vorsieht. Wenn die Ministerin das für sich selbst | |
| umsetzt, und zwar so störrisch, wie sie sonst geschlechtergerechte | |
| Initiativen abmoderiert, tut sie endlich mal etwas Positives für Frauen und | |
| Familien. | |
| 1 Feb 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schmollack | |
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