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# taz.de -- Doxing von PolitikerInnen: Anklage für Datenleak erhoben
> Ende 2018 wurden die Daten von hunderten PolitikerInnen veröffentlicht.
> Ein beschuldigter Schüler soll dafür demnächst vor Gericht stehen.
Bild: Doxing: Über Monate soll der Beschuldigte Daten gesammelt haben, um sie …
BERLIN taz | Der Fall hatte die Politik und Öffentlichkeit aufgeschreckt.
Im Dezember 2018 wurden [1][persönliche Daten von knapp 1.000
PolitikerInnen und Prominenten im Internet veröffentlicht], darunter die
von Robert Habeck, Andrea Nahles, Jens Spahn oder Jan Böhmermann. Hinter
der Aktion wurde ein Hacker vermutet, vielleicht gar ein Geheimdienst. Am
Ende aber soll es ein 20-Jähriger aus dem hessischen Homberg gewesen sein,
der Anfang Januar 2019 gefasst wurde.
Jetzt wurde nach taz-Informationen Anklage gegen den Schüler erhoben. Das
zuständige Amtsgericht wollte sich dazu vorerst nicht äußern, auch die
Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main nicht. Man werde informieren,
„sobald der Sachstand dies zulässt“, sagte dort eine Sprecherin.
In einer Antwort auf eine Linken-Anfrage, die der taz vorliegt, aber
bestätigt das Bundesinnenministerium, dass tatsächlich Anklage erhoben
wurde. Beschuldigt sei der 20-jährige Deutsche, heißt es dort. „Die
Anklageschrift gegen diese Person ist im Mai 2020 von der
Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main bei dem zuständigen Amtsgericht
eingereicht worden.“ Gegen den 20-Jährigen soll nun vor einer Jugendkammer
verhandelt werden.
Ermittler hatten dem Schüler bei seiner kurzzeitigen Festnahme vorgeworfen,
Daten ausgespäht zu haben. Auch das unberechtigte Veröffentlichen
personenbezogener Daten wurde ihm zur Last gelegt. Er hatte auf
Twitter-Accounts als „GOd“ oder „Orbit“ firmiert und seit 2018 über Mo…
die Daten der PolitikerInnen und Prominenten gesammelt, um sie dann zu
veröffentlichen – sogenanntes Doxing.
Tiefergehende Hacker-Fähigkeiten hatte er laut Ermittlern nicht, dafür aber
„viel Zeit“: Er trug teils öffentlich verfügbare Daten zusammen, soll aber
auch Passwörter überwunden haben oder solche genutzt haben, die von ihren
Besitzern nach früheren Datendiebstählen nicht geändert wurden. Im Dezember
2018 erstellte er dann auf Twitter einen „Adventskalender“, bei dem er
jeden Tag über [2][einen Link die Daten der Betroffenen veröffentlichte].
Motiv? Er habe sich über Aussagen der Opfer geärgert
Vor seiner Festnahme hatte der Schüler noch versucht, Spuren zu verwischen.
Seinen Laptop hatte er laut Ermittlern ganze 32 Mal gelöscht und neu
aufgesetzt. Einen weiteren PC habe er bei einer Wertstoffstation entsorgt,
auch zwei USB-Sticks versuchte er zu zerstören. Vor den Ermittlern aber
legte der Heranwachsende ein Geständnis ab. Er habe sich über öffentliche
Äußerungen der Geschädigten „geärgert“, sagte er. Bei der großen Zahl …
Betroffenen gab es daran aber Zweifel. [3][In der Netz-Szene wurde vielmehr
gemutmaßt], dass der Schüler Aufmerksamkeit und „fame“ suchte.
Auffällig war auch, dass der Beschuldigte in seinem „Adventskalender“ keine
Daten von AfD-PolitikerInnen veröffentlichte. Ein tieferes politisches
Motiv aber bestritt der Schüler. Auch Mittäter konnten die Behörden keine
ermitteln.
Die Linken-Abgeordnete Martina Renner, die die Anfrage an die
Bundesregierung zu dem Fall stellte, wundert sich, dass so viel Zeit bis
zur Anklage verging. „Nachdem der mutmaßliche Täter bereits Anfang 2019 ein
Geständnis abgelegt haben soll, lässt die Anklageerhebung mehr als ein Jahr
später stutzig werden.“
Auch Renner gehörte damals zu den Betroffenen. In ihrem Fall wurden aber
nur ohnehin öffentlich bekannte Daten veröffentlicht. Für die Politikerin
ist der Fall dennoch keineswegs harmlos: „Das Sammeln und Ausspähen von
privaten Daten, um Menschen bloßzustellen, ist keine Recherche, sondern
soll die Betroffenen verletzen und ein Überlegenheitsgefühl bedienen.“
## Verknüpfung zu Drohmail-Serie?
Die Tat hatte damals eine breite Debatte losgetreten. Grünen-Chef Habeck
zog sich wegen des Datenleaks und auch missglückter Wahlkampftweets von
Twitter und Facebook zurück. [4][Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)
bekräftigte], noch im ersten Halbjahr 2019 ein IT-Sicherheitsgesetz 2.0
vorzulegen.
Das freilich zog sich: Nach einem umstrittenen ersten Entwurf legte sein
Ministerium vor wenigen Tage einen neuen Gesetzentwurf vor. Insbesondere
das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) soll dabei
mehr Personal und Befugnisse erhalten, um eigenständig Sicherheitslücken
aufspüren und Schadsoftware entfernen zu können.
Vom Doxing-Fall, in dem nun Anklage erhoben wurde, gibt es möglicherweise
auch eine Verbindung zu einer Serie von Drohmails an PolitikerInnen und
Behörden. Für die Drohmails muss sich derzeit der 32-jährige [5][André M.
vor dem Landgericht Berlin verantworten], der als „Nationalsozialistische
Offensive“ auch Bombendrohungen an Rathäuser, Justizzentren oder
Medienhäuser verschickt haben soll.
Nach taz-Informationen fanden Ermittler auf einem PC von André M. auch
Daten aus dem Doxing-Material des nun angeklagten Schülers. Offen ist, ob
beide Männer auch im Austausch standen. Denn André M. soll im Darknet einen
Tippgeber als „Verräter“ beschimpft haben, der die Behörden auf die Spur
des jungen Hessen geführt hatte.
25 May 2020
## LINKS
[1] /Nach-der-Veroeffentlichung-privater-Daten/!5559761
[2] /Veroeffentlichung-von-Prominenten-Daten/!5561061
[3] /Nach-der-Veroeffentlichung-privater-Daten/!5559761
[4] /Veroeffentlichung-von-Prominenten-Daten/!5561061
[5] /Rechtsextreme-Terrorbriefe/!5680194
## AUTOREN
Konrad Litschko
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Doxing
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