# taz.de -- Neue Imagekampagne für Berlin: Voll auf Vogelgezwitscher | |
> Tretboot, Schwäne und „Dicke Marie“: Solange die fetten Partys | |
> ausbleiben, wird Berlin halt zum Outdoorparadies. Zumindest in der neuen | |
> Imagekampagne. | |
Bild: Wer denkt bei Berlin nicht an... Natur! | |
Es war einmal, vor langer, langer Zeit, eine große Stadt, die sehnte sich | |
nach Besuch aus der weiten Welt. Sie war nicht die größte und auch nicht | |
die schönste, vielleicht noch nicht mal die interessanteste von allen | |
großen Städten, aber klein, hässlich oder langweilig war sie nun auch | |
wieder nicht. Und als irgendwann die Leute entdeckt hatten, dass man hier | |
so richtig Party machen konnte, draußen und drinnen, nachts wie tags, mit | |
’nem Bier in der Hand oder Koks in der Nase, spätestens da wollten alle nur | |
noch nach Berlin. | |
Dann kam Corona und alle blieben zu Hause. Stille legte sich über die | |
Straßen. Als sich irgendwann die Ladentüren wieder zaghaft öffneten, Tische | |
auf den Gehweg gerückt wurden und die Hotels ihre Zugbrücken | |
herunterkurbelten, war zwar so etwas wie neues Leben in der Stadt – aber | |
die meisten Touristen fehlten. Entweder sie trauten sich nicht, oder es gab | |
keine Flüge – wahrscheinlich lag es aber auch daran, dass nichts mehr los | |
war. Kein Rave, kein Konzert, kein Theater, kein Festival. Und nichts los | |
war ja schon anderswo genug, dazu musste niemand an die Spree. | |
Weil niemand richtig wusste, wie lange dieser Zustand noch dauern würde, | |
besannen sich jene Experten, die sonst recht fleißig die Werbetrommel für | |
das quirlige, volle, nie schlafende, laute und lasterhafte Berlin schlugen, | |
eines Besseren. In ihrer Image-Schmiede [1][visitberlin] erdachten sie eine | |
neue Kampagne, mit der sie die Metropole neu erfanden: als Outdoorparadies. | |
## Blütengeschwängerte Stadtpanoramen | |
„Berlin. Auch das.“ lautet das Motto, und fast ist man versucht, ein „noc… | |
dahinterzudenken. Mit 15-sekündigen Videoschnipseln ist die neue PR-Aktion | |
am Montag in den sozialen Medien gestartet. Entspannter geht’s kaum: Mal | |
begleitet die Kamera einen Menschen mit Rucksack durch vogelzwitscherndes | |
Grün, dann wieder steigt sie über einer jungen Frau auf, die in | |
pandemiebedingter Einsamkeit neben ihrem Sonnenschirm am Havelstrand sitzt. | |
Nur das, kein Wort, noch nicht mal ein Jingle. Kurort Berlin. | |
„Die Menschen sehnen sich nach Abwechslung und Optimismus. Berlin bietet | |
beides“, sagt Berlins oberster Tourismustrommler Burkhard Kieker dazu. Oder | |
wie es auf der neuen „Landingpage“ von visitberlin.de heißt: „Was viele | |
nicht wissen: Berlins Natur ist überraschend vielseitig und sorgt für | |
Erholung, Entspannung und Action.“ | |
In diesem Duktus geht es dann auch weiter, wenn man sich durch die vielen | |
Tipps zu Parks und Seen, Picknickstellen und Urban-Gardening-Projekten | |
klickt, verschönert mit sonnengetränkten und blütengeschwängerten | |
Stadtpanoramen. Immer lädt irgendein lauschiger Ort „zum Verweilen ein“, | |
man kann „zünftig speisen“ oder, selbst dieser Gemeinplatz darf auch im | |
Jahr 2020 nicht fehlen, mit Conny Froboess „die Badehose einpacken“. | |
Mal sehen, ob das Konzept im Rest des Landes verfängt, wo es ja auch die | |
eine oder andere Badestelle, ja sogar größere Waldgebiete geben soll. | |
Später im Sommer soll noch ein zweiter Kampagnen-Teil „ausgespielt werden“, | |
dann „kommen auch die Themen Kultur, Gastronomie und Sightseeing zum | |
Tragen“, wie visitberlin mitteilt. Das ist wohl auch dringend nötig – denn | |
nur mit Tretbooten, Schwänen oder der [2][„Dicken Marie“] im Tegeler Forst | |
lässt sich vielleicht doch kein Metropolentourismus bestreiten. | |
9 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.visitberlin.de/de | |
[2] /!717162/ | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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