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# taz.de -- Bolsonaro-Skandalvideo in Brasilien freigegeben: „Nicht meine Fam…
> Das Video einer Kabinettssitzung sorgt in Brasilien für Aufregung. Der
> rechtsradikale Präsident Jair Bolsonaro wird sein Amt wohl trotzdem
> behalten.
Bild: Verschließt die Augen vor Covid-19 und gerät wegen eines Videos in Bedr…
São Paulo taz | Für kurze Zeit war die Homepage des Obersten Gerichtshofes
völlig überlastet. Richter Celso de Mello hatte am Freitagnachmittag das
Video einer Kabinettssitzung freigegeben, tausende Brasilianer*innen
versuchten daraufhin, die Aufnahme abzuspielen. [1][Das Video des Treffens
vom 22. April] soll beweisen, [2][dass Präsident Jair Bolsonaro] aus
politischen Gründen Einfluss auf die Bundespolizei nehmen wollte. Der
Oberste Gerichtshof hatte Ende April Ermittlungen gegen Bolsonaro
genehmigt, doch die Filmaufnahmen waren bisher unter Verschluss gehalten
worden. Nun sorgen sie für heftige Diskussionen.
Hintergrund der Debatte sind die Anschuldigungen von Sérgio Moro. Vor vier
Wochen [3][trat der Justizminister und ehemalige Starrichter mit einer
schweren Anklage von seinem Regierungsamt zurück]. Der Grund: Bolsonaro
habe versucht, einen Vertrauten als Chef der Bundespolizei einzusetzen, um
an geheime Informationen über Ermittlungen gegen seine Söhne zu gelangen.
In der zweistündigen Kabinettssitzung erklärte der rechtsradikale Politiker
unter anderem, dass er versucht hatte, Sicherheitsleute in Rio de Janeiro
auszutauschen. Es wird davon ausgegangen, dass er mit „Sicherheitsleuten“
die Bundespolizei meinte. „Ich werde nicht darauf warten, dass sie meine
Familie oder Freunde ficken“, brüllt Bolsonaro daraufhin in dem Video.
Der Präsident Brasiliens streitet ab, von der Bundespolizei gesprochen zu
haben und wies noch am Freitagabend die Anschuldigungen zurück. Ex-Minister
Moro erklärte hingegen, dass „die Wahrheit“ dargestellt wurde. Auch andere
Politiker*innen sehen in dem Clip einen Beweis für die Schuld Bolsonaros.
Eine politische Einflussnahme auf die Bundespolizei ist eine Straftat und
könnte Konsequenzen für den Präsidenten haben.
## „Die Verbrecher“ des Obersten Gerichtshofes
Und: Das Video zeigt noch mehr. Ein cholerischer Bolsonaro wirft mit
obszönen Schimpfworten um sich und beleidigt in einem Rundumschlag Medien
und politische Gegner. Die Gouverneure von São Paulo und Rio de Janeiro
würden laut Bolsonaro aus ideologischen Gründen strikte Maßnahmen zur
Eindämmung von [4][Covid-19] durchsetzen. Brasilien hat mittlerweile die
zweithöchsten Infektionszahlen weltweit, die Weltgesundheitsorganisation
erklärte [5][Lateinamerika und Brasilien zum neuen Epizentrum der
Pandemie].
Neben Bolsonaro meldeten sich in der Sitzung auch mehrere Minister*innen zu
Wort. Bildungsminister Abraham Weintraub etwa forderte, die „Verbrecher“
des Obersten Gerichtshofes ins Gefängnis zu werfen. Auch die evangelikale
Familienministerin Damares Alves sprach sich dafür aus, Gouverneur*innen
und Bürgermeister*innen zu verhaften. Und Umweltminister Ricardo Salles
empfahl, den derzeitigen medialen Fokus auf das Coronavirus zu nutzen, um
die Umweltschutzgesetze ohne Zustimmung des Kongresses zu verändern, sodass
man in der Amazonasfrage endlich „vorankomme“.
Viele werten die Aussagen Bolsonaros und der Minister*innen als
„antidemokratisch“. „Diese Barbaren stürzen die Republik ins Chaos“,
erklären brasilianische Oppositionspolitiker*innen in einem Schreiben. Die
Regierung missachte die Gesetze und Institutionen und ignoriere die
Verfassung.
Am Donnerstag hatten Oppositionsparteien, Organisationen und Einzelpersonen
einen kollektiven Antrag auf Amtsenthebung gegen Präsident Bolsonaro
eingereicht. Mehr als 30 Anträge auf Amtsenthebung liegen bereits bei
Rodrigo Maia, dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses, vor. Bisher wurden
sie aber nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Das könnte sich, so hofft die
Opposition, mit dem veröffentlichten Video nun ändern.
## Bolsonaros Fanboys halten weiter zu ihm
Allerdings könnte die Aufzeichnung das „Jetzt-erst-Recht“-Verhalten seiner
Anhänger*innen nur noch weiter befeuern. Bolsonaros Frontalangriffe treffen
den Nerv seiner radikalisierten Anhängerschaft. Es sind jene
Brasilianer*innen, die für traditionelle Medien kaum noch empfänglich sind,
Informationen fast ausschließlich über die sozialen Medien beziehen und
Bolsonaro trotz zahlreicher Skandale und Krisen die Treue halten.
Auch Umfragen zeigen, dass Bolsonaro kaum an Popularität verliert, ihn auch
weiterhin rund 30 Prozent der Bevölkerung unterstützen. Zudem ist Bolsonaro
taktische Bündnisse mit Abgeordneten des Mitte-Rechts-Blocks im Parlament
eingegangen. Ein Amtsenthebungsverfahren ist trotz des Videos
unwahrscheinlich.
23 May 2020
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=nfgv7DLdCqA
[2] /Regierung-in-Brasilien/!5687420
[3] /Regierungskrise-in-Brasilien/!5680974
[4] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746/
[5] /Corona-in-Lateinamerika/!5676624
## AUTOREN
Niklas Franzen
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